Plädoyer für deutschen Islam

Viele Menschen in Deutschland sehen den Islam als Bedrohung an. Professor Susanne Schröter von der Gothe-Universität hatte gestern zu einer Konferenz nach Frankfurt geladen, wo sie ihre Vorstellungen von einem deutschen Islam präsentierte. Die Gäste waren hochkarätig.
Gehört der Islam zu Deutschland? Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi kann mit dieser Frage nichts anfangen. „Den einen Islam gibt es nicht“, sagte Tibi. Er habe in vielen islamischen Ländern gearbeitet, fügte der 72-Jährige hinzu. „Ich habe nur Vielfalt gesehen.“ Man müsse sich also fragen, welche konkrete islamische Gemeinschaft man meine, und könne dann auch eine Antwort geben.
Tibi sprach gestern bei einer Konferenz in Frankfurt, die den Titel trug: „Welcher Islam gehört zu Deutschland?“ Eingeladen hatte das Forschungszentrum Globaler Islam der Goethe-Universität mit Professorin Susanne Schröter an der Spitze. Sie hielt bei der Veranstaltung im Historischen Museum ein „Plädoyer für einen deutschen Islam“.
Weltweit betrachtet sieht Schröter fundamentalistische Strömungen im Islam auf dem Vormarsch. Sie habe zum Beispiel einige Zeit in Indonesien gelebt, das als Land des Lächelns gelte. Mittlerweile gebe es dort in vielen Landesteilen den Zwang für Frauen, sich zu verhüllen, und zwar auch für Nicht-Muslime. „Da vergeht einem das Lächeln.“ In Malaysia sei unter islamischem Einfluss ein „Club der gehorsamen Ehefrauen“ gegründet worden. All das sei ein großer Rückschritt im Kampf für die Gleichberechtigung der Frau.
Für Deutschland fordert Schröter deshalb: „Der Islam muss kompatibel mit dem Menschenrechten sein, und zwar bis ins Kleingedruckte.“ Sie sieht mit Sorge, wenn Mädchen aus muslimischen Familien nicht mit den Kindern ihrer Klasse zum Schwimmunterricht sollen, weil die Eltern moralische Bedenken haben. Und Schröter fordert, dass auch muslimische Homosexuelle nicht diskriminiert werden.
Noch etwas anderes ist der Professorin wichtig. Auf dem Podium in Frankfurt sprach auch der Vorsitzende der Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek. Sein Verband vertritt 32 islamische Gemeinschaften. Schröter fragte ihn: „Befürworten Sie es, dass Muslima und Muslime ihren Glauben auch aufgeben können?“ Mazyek antwortete mit Ja. „Wir haben das schon seit einigen Jahren in einer Islam-Charta festgelegt, dass jemand von seiner Religion abkommen kann und sich gegebenenfalls einer neuen anschließt.“
Die Rolle der Verbände
Immer wieder wurde auf der Konferenz darauf hingewiesen, wie problematisch es sei, repräsentative muslimische Vertreter zu finden, etwa wenn man einen Partner für den islamischen Unterricht an Grundschulen suche. Bassam Tibi sagte: „Der Islam ist kein Kollektiv, aber die Politik will am liebsten, dass es den einen Ansprechpartner gibt. Das wird niemals funktionieren.“ Der Islamwissenschaftler Professor Mouhanad Khorchide aus Münster stimmte zu und sagte: „Die Muslime müssten sagen: ,Das Staatskirchenrecht ist nichts für uns.‘“ Khorchide fragte: „Warum versuchen wir, alles in christliche Strukturen zu pressen?“
Zur Sprache kam auch die Rolle der muslimischen Verbände in Deutschland. Diese repräsentierten nur zehn bis zwanzig Prozent der Muslime, und das Geld komme häufig aus dem Ausland. Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat zuletzt die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) als „verlängerten Arm des türkischen Staates“ bezeichnet. Professor Tibi schloss daran an und sagte, in Wirklichkeit sei der Verband der verlängerte Arm der Erdogan-Partei AKP. „Die AKP ist keine islamisch-konservative Partei, sondern eine islamistische. Mit diesen Leuten können Sie keine Politik machen. Der Staat beugt sich den Islamisten.“
Auch Schröter sieht die Zusammenarbeit mit Islamverbänden kritisch. „Den ausländischen Einfluss gibt es“, sagte sie. Sie warf der Politik vor, das Gespräch sehr einseitig mit „Verbands-Muslimen“ zu führen und die große Mehrheit der muslimischen Vielfalt außer Acht zu lassen. In diesem Zusammenhang kritisierte Schröter die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die im Wahlkampf vor einer Ditib-Moschee posiert habe. „Sie wollte unbedingt mit einer Ditib-Fahne abgelichtet werden. Das muss nicht sein.“
Unflätige Mails
Aus dem Publikum kam die Frage, ob die Zusammenarbeit des Staates mit Ditib beim Islamunterricht an Schulen nicht „besser als nichts“ sei. „Immerhin haben wir den Unterricht jetzt“, sagte eine junge Frau. „Ich stimme Ihnen zu“, erwiderte Schröter. „Aber man kann das besser organisieren.“
Bei aller Kritik am Islam in Deutschland grenzt sich Schröter deutlich von der Alternative für Deutschland (AfD) ab. Deren stellvertretende Bundesvorsitzende von Storch hatte den Islam kürzlich als unvereinbar mit dem Grundgesetz bezeichnet. Schröter sagte, der Islam sei keine Ideologie, sondern eine abrahamitische Religion, das heißt mit Christentum und Judentum verwandt.
Die Wissenschaftlerin berichtet, sie bekomme viele böse E-Mails wegen ihrer Arbeit über den Islam. „Die üblen Mails kommen ausschließlich aus dem rechtspopulistischen Lager, vorwiegend von AfD-Befürwortern, die sich auch als solche zu erkennen geben.“