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Populisten im Aufwind

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FPÖ-KandidatNorbert Hofer
FPÖ-KandidatNorbert Hofer © Filip Singer (EPA)

Studien zufolge haben 30 Prozent der deutschen Bevölkerung ein rechtes bis rechtsextremes Weltbild. Rechte Wahlsiege wie jetzt für die FPÖ bei der Präsidentenwahl in Österreich sind deshalb auch bei uns nicht auszuschließen, sagen Forscher. Allerdings fehle der AfD dazu auch noch eine ganze Menge.

Von STEFAN RÖTTELE

Ein Gespenst geht um in Europa. Es heißt Rechtspopulismus und wird neuerdings auch verkörpert durch Norbert Hofer, jenen 45-Jährigen, der bei der Präsidentenwahl in Österreich im ersten Wahlgang gerade mit 35,1 Prozent für einen großen Erfolg der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) gesorgt hat. Für das erste Amt im Staat stellt sich ihm nur noch der frühere Grünen-Vorsitzende Alexander Van der Bellen mit 21,3 Prozent in den Weg. Die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ bleiben außen vor. Die endgültige Entscheidung fällt bei einer Stichwahl in vier Wochen.

Geert Wilders in den Niederlanden jubelt, Marine Le Pen in Frankreich jubelt. Die Alternative für Deutschland jubelt: André Poggenburg, ihr starker Mann in Sachsen-Anhalt, spricht von einem „deutlichen Zeichen“, das Ansporn für die AfD sein müsse. Schließlich sei ihr von der FPÖ die Rolle zugedacht worden, die politische Wende in Europa zu initiieren.

Bis zum Kurswechsel der von Werner Faymann (SPÖ) angeführten Regierung war die Alpenrepublik Deutschlands engster Verbündeter in der Flüchtlingspolitik. Es gibt enge Verbindungen zwischen beiden Völkern. Sie teilen die Sprache, die historisch dunkelsten Stunden, aber auch den Erfolg im vereinten Europa. Nun droht ausgerechnet im Nachbarland ein erklärter Europa-Gegner, nach dem obersten Amt zu greifen.

Der Frankfurter Rechtsextremismusforscher Maik Fielitz von der Goethe-Universität sieht die Abstrafung der beiden Volksparteien in dieser Deutlichkeit als die eigentliche Überraschung an. Hohe Prozente für die FPÖ hätten sich in Umfragen und Regionalwahlen angedeutet, sagt er. „Ich glaube, dass das Umschwenken gerade der SPÖ in der Flüchtlingspolitik zu einem Dammbruch im öffentlichen Diskurs geführt hat. Von da an waren die Rechten das Original und die Etablierten rannten hinterher.“   Anders als in Deutschland gab es in Österreich aber eine parlamentarische Alternative zur Politik der offenen Grenzen, die sogar zu Regierungshandeln wurde. Gemeinsam mit Johanna Mikl-Leitner als Innen- und Sebastian Kurz als Außenminister (beide ÖVP) setzte Faymann die Schließung der Balkan-Route in Gang. Dennoch sind SPÖ (11,3) und ÖVP (11,2) abgestraft worden.

Schon lange etabliert

Obgleich die AfD je nach Institut derzeit bundesweit nur zwischen 11 und 14 Prozent liegt, warnt der Wissenschaftler davor, österreichische Ergebnisse hierzulande für abwegig zu halten. Studien zeigten, dass es auch in der deutschen Gesellschaft ein Potenzial von 30 Prozent mit rechtem bis rechtsextremem Weltbild gebe. „Die Frage war immer, ob es einer Partei gelingt, dieses Klientel auch abzuholen. Die AfD zeigt in Ansätzen, dass sie das kann.“

In die Karten spielten sowohl AfD als FPÖ die in beiden Ländern regierenden großen Koalitionen. Sie machten es rechten Parteien leichter, Politikverdrossenheit aufzugreifen und sich als Alternative zu präsentieren. Andererseits sei die FPÖ im öffentlichen Diskurs Österreichs schon lange Mainstream, während die AfD hierzulande an den Rand gedrängt werde. Schließlich gebe es die FPÖ seit 1956, sie habe dem Antisemitismus abgeschworen und sei auch schon mehrfach Regierungspartei gewesen. Die AfD sei dagegen noch sehr jung, vieles sei noch im Fluss und sie müsse erst beweisen, dass sie keine Eintagsfliege sei.

Bei der Personenwahl habe nicht zuletzt Hofer selbst eine Rolle gespielt, sagt Fielitz. „Die FPÖ hat in ihm bewusst einen gefunden, der bis in konservative Kreise hinein als anschlussfähig wahrgenommen wird.“ AfD-Chefin Frauke Petry, wirke nach außen zwar auch sehr integrativ, sei intern aber umstritten. Er sei sehr gespannt, was der Parteitag in Stuttgart personell zutage fördern werde, sagt Fielitz. Beobachter der österreichischen Szenerie rechnen damit, dass SPÖ und ÖVP zur Wahl Van der Bellens aufrufen werden – so wie sich in Frankreich 2002 Konservative und Sozialisten zusammentaten, um die Präsidentschaft Jean-Marie Le Pens zu verhindern.

Für Rechtsextremismusforscher Fielitz ist das nicht nachhaltig: „Selbst wenn sie Hofer als Präsidenten verhindern, können sie doch schwerlich eigene Positionen starkmachen. Es ist eine Wahl gegen rechts, nicht für eigene Inhalte.“ Sein Rat: „Nach langfristigen Lösungen suchen, um diesen Parteien das Wasser wieder abzugraben.“

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