Neues Video von Prigoschin aufgetaucht: Wagner-Chef schimpft weiter
Der Personenkult um Prigoschin lebt weiter – zumindest im Film. Im Netz tauchen immer mehr Videos vom toten Wagner-Boss auf. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
St. Petersburg – Er war der Anführer einer brutalen Söldner-Gruppe, aber in Russland feiern viele Jewgeni Prigoschin als Helden. Doch nach dessen Tod bei einem Flugzeugabsturz will der Machtapparat um Präsident Wladimir Putin die Verehrung des Bosses der Wagner-Gruppe stoppen. Mit einer großen Geheimniskrämerei wurde das Begräbnis organisiert. Doch trotz aller Bemühungen lebt der Personenkult weiter. Bleibt der Söldner-Chef für den Kremlchef auch aus dem Grab heraus noch eine große Gefahr?
Trotz Beerdigung: In neuen Videos lebt Prigoschin weiter
Seit der Beerdigung von Jewgeni Prigoschin tauchen jedenfalls im Netz immer mehr Videos auf – mit deutlichen Angriffen auf die russische Staatsführung. Am Dienstagabend ging bei X (früher Twitter) ein zweiminütiger Zusammenschnitt von einer alten Aufnahme viral. In dem Clip lebt der Wagner-Boss weiter und attackiert die gesamte russische Führung. Dabei wirft er einem korrupten Clan in Bezug auf den Ukraine-Krieg viele „Lügen“ und „Täuschungen“ vor. Am Ende müsse der „Haufen von Schei... aber erkennen, dass er es vermasselt habe“, wettert der Söldner-Boss.
Prigoschin-Video stammt aus der Zeit vor dem Aufstand der Wagner-Gruppe
Neu sind die Wutreden nicht. Aus Frust vor der russischen Kriegsführung hatte Prigoschin zwei Monate vor seinem tödlichen Flugzeugabsturz einen Aufstand angezettelt und war mit seinen Truppen in Richtung Moskau marschiert. Zuvor hatte er mehrere Videos aufgenommen und über seine Telegram-Kanäle verbreitet. Die Vollversion von dem nun zusammengekürzten Clip wurde am 23. April gepostet – also noch vor der Meuterei, die wenige Kilometer vor der russischen Hauptstadt abgebrochen wurde.
Wer die neuen Zusammenschnitte leakt, ist unklar. Jedoch genoss Prigoschin in den Reihen seiner Privatarmee bis zum Schluss hohes Ansehen und auch in Teilen der Bevölkerung wurde er wegen seiner vermeintlichen militärischen Erfolge gefeiert – und dies, obwohl sie zumeist unter menschenverachtenden und äußerst brutalen Methoden erzielt wurden, wie etwa bei der monatelangen Schlacht um Bachmut. Weil er sich aber immer vor seine Söldner stellte, schworen diese nach Prigoschins Tod Rache.
Prigoschin tot: Ursachen des Flugzeugabsturzes bleiben weiter unklar
Doch Rache an wem? Noch sind die genauen Hintergründe für den Flugzeugabsturz unklar. Fest steht nur: Prigoschin ist tot. Vor einer Woche starb er, als er auf dem Weg von St. Petersburg nach Moskau mit seinem Privatjet abstürzte. Die USA hegen den Verdacht, dass eine Bombe an Bord die Maschine explodieren ließ, die möglicherweise vom Kreml dort platziert worden sein könnte – aus Vergeltung für den gescheiterten Wagner-Aufstand. Beweise gibt es nicht. Eine internationale Untersuchung lehnt der Kreml ab.
Nachfolger von Prigoschin: Elizarow wird die Lücke nicht füllen können
Mit Prigoschin starb auch die gesamte Führungsriege. An Bord der Unglücksmaschine war auch sein Stellvertreter Dimitri Utkin. Zwar rechneten die Wagner-Bosse durchaus mit einem möglichen Tod. Immerhin hatten sie Vorkehrungen getroffen und für den Fall ihres Verschwindens intern offenbar Anton Olegowitsch Elizarow als Nachfolger auserkoren.

Doch Fachleute gehen mehrheitlich davon aus, dass der frühere Feldkommandant die hinterlassene Lücke nicht füllen kann. Im Podcast der Nowaja Gaseta Europe sagte die Journalistin Olga Romanowa: „Eigentlich ist es das Ende von Wagner. Sie können in ihren Gedenklagern so viel mit Blumen und Teddybären winken, wie sie wollen, aber das ist ein Ende.“ Denn ob sie wollen oder nicht – mit dem Namen Wagner sei in Russland jetzt etwas Negatives verbunden, damit wollten neue Führungsleute lieber nicht in Verbindung gebracht werden. „Jeder hat jetzt Angst, Verantwortung zu übernehmen, etwas zu verkünden und die Tätigkeit der Truppe fortzusetzen“, bestätigte ein Anwalt, der Verbindung zur Wagner-Truppe hat, dem Spiegel.
Wagner-Gruppe am Ende: Firmen wie Redut und Convoy teilen sich Prigoschins Erbe auf
Die Wagner-Gruppe scheint tatsächlich nach Prigoschins Tod in der Auflösung zu sein. So beobachtet der russische Politologe Michael Naki starke Abwerbeversuche von anderen privaten Armeen. Vor allem Militärunternehmen wie Redut und Convoy teilen sich das Erbe Prigoschins auf. Für das lukrative Afrika-Geschäft sollen die wichtigsten Kommandanten bereits abgeworben worden sein. Medienberichten zufolge verfügen die Firmen über Personendatenbanken, mit denen sie gezielt die Wagner-Söldner ansprechen. Im Unterschied zu der Wagner-Armee sind Redut und Convoy aber stärker an den Kreml angebunden. Erst vor kurzem ließ das Verteidigungsministerium die Privatsöldner einen Treueschwur ablegen.
Begräbnis von Prigoschin: Putin lässt den Heldenstatus von Prigoschin tilgen
Insgesamt leistet Moskau ganze Arbeit bei der Beseitigung der Wagner-Gruppe. Nachdem Putin seinen früheren Weggefährten nach der Meuterei öffentlich als „Verräter“ degradiert hatte, ging die öffentliche Ächtung auch nach seinem Tod weiter. Um die Heldenverehrung möglichst kleinzuhalten, wurde das Begräbnis in aller Stille und im kleinsten Familienkreis durchgeführt. Ein Staatsbegräbnis gab es für den mit Medaillen dekorierten Prigoschin nicht. Offizielle Staatsvertreter kamen auch nicht zur Beerdigung. Immerhin, so ließ der Kreml wissen, habe es sich bei Prigoschin lediglich um einen „Geschäftsmann“ gehandelt. (jkf)