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Probleme des Planeten in den Griff bekommen

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Von: Klaus Späne

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Dieses Jahrhundert gehört der Stadt: Bis zum Jahr 2050 leben laut einer Prognose etwa 70 Prozent der Menschheit in Städten. Auf einer Konferenz in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito beraten Experten aus 160 Ländern darüber, wie die daraus entstehenden Probleme gelöst werden können – und ob die Metropolen künftig mehr Macht bekommen sollten.

Eigentlich mutete die Situation fast schon bizarr an. Während in Syrien das Regime von Diktator Assad, derzeit dabei ist, tatkräftig unterstützt von Russland, Teile der Millionenmetropole Aleppo dem Erdboden gleichzumachen, beschäftigten sich diese Woche in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito Delegierte aus insgesamt 160 Ländern mit der Zukunft der Städte dieser Welt.

Dennoch führte an Habitat III, der dritten Auflage des Weltsiedlungsgipfels, kein Weg vorbei. Dafür sprechen die Fakten eine zu deutliche Sprache: Obwohl die Städte nur zwei Prozent der globalen Fläche einnehmen, sind sie für 70 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich und produzieren 60 Prozent des Mülls.

Und in Zukunft werden die Probleme noch zunehmen. Nach einer Prognose des UN-Städteprogramms Habitat werden bis zum Jahr 2050 etwa 70 Prozent der Menschheit in Städten leben. Wem das zu abstrakt ist, ein Beispiel aus der Region: Allein Frankfurt soll in 15 Jahren auf 785 000 Einwohner anwachsen, andere Voraussagen sprechen sogar von über 810 000 Menschen – mit der Folge, dass laut einer Studie bis zum Jahr 2030 rund 90 000 Wohnungen fehlen werden. Und das ist im Vergleich zur Entwicklung in Asien und Afrika noch wenig, da dort die Verstädterung wesentlich rasanter voranschreitet und die Megacitys noch mehr aus allen Nähten platzen.

An der Frontlinie

„Wir sind diejenigen, die an der Frontlinie sind“, unterstrich denn auch Denis Coderre, Bürgermeister der kanadischen Metropole Montreal“, die Situation in einer leidenschaftlichen Rede und fügte hinzu: „Wir befinden uns an einem Scheideweg.“

Coderre sprach in Quito auf der World Mayors Assembly, der Versammlung der Bürgermeister dieser Welt. Und das mit gutem Grund, denn die Städte sollen der Schlüssel sein, um die Probleme des Planeten in den Griff zu bekommen. Das Zauberwort dabei lautet nachhaltige Entwicklung, die mit der in Quito verabschiedeten „New Urban Agenda“ garantiert werden soll.

Konkret geht es darum, dem Klimawandel zu begegnen und gleichzeitig all die Probleme in den Griff zu bekommen, mit denen sich die Städte und ihre Bewohner jetzt schon herumschlagen müssen als da wären: Arbeitslosigkeit, Armut, Geschlechterungleichheit, bezahlbaren Wohnraum, öffentliche Basisdienstleistungen wie Wasser- und Stromversorgung, Abfallentsorgung oder Sicherheit vor Kriminalität. Gleichzeitig soll die Rolle der Städte gegenüber den nationalen Regierungen gestärkt werden. All das haben die Vereinten Nationen in der 23-seitigen Städteagenda niedergeschrieben. „Erstmals in der Geschichte haben wir ein Instrument für die urbane Planung“, bejubelte UN-Habitat-Chef Joan Clos die neue urbane Agenda.

Schön und gut, dennoch müssen die Mitgliedsstaaten der UN in den nächsten Jahren erst noch beweisen, dass das Papier auch das Geld wert ist, auf dem es geschrieben ist. Unklar ist vor allem, ob die Städte von den jeweiligen nationalen Regierungen genügend in die Umsetzung der Agendaziele einbezogen werden respektive, ob sie mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden und selbst darüber entscheiden können, wofür sie verwendet werden.

Gravierende Probleme

„Wir wünschen uns eine eigene Finanzhoheit wie in Deutschland auch für andere Länder“, sprach Evas Lohse, Präsidentin des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, ein Problem an. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass es auch in Deutschland Kommunen mit gravierenden finanziellen Problemen gebe. Lohse: „Das unterhöhlt die Selbstverwaltung.“

Weiter gingen die Bürgermeisterinnen von Barcelona, Madrid und Paris. Sie forderten in Quito gleich 25 Prozent des nationalen Budgets für die Stadtkassen und einen Zugang zu internationalen Fördermitteln.

All das kann jedenfalls nur funktionieren, wenn die Städte in Zukunft – national wie international – mehr Befugnisse bekommen und nicht einfach von den Regierungen als Befehlsempfänger betrachtet werden.

Es bleiben Fragezeichen

Außerdem brauchen die Stadtoberhäupter auch mehr internationale Beteiligungsmöglichkeiten, um global Akzente setzen zu können. Hinzu kommt die Frage der Bürgerbeteiligung oder ein Problem, das in der Agenda erst gar nicht erwähnt wird und das vor allem westliche Städte betrifft: Die Gefahr, dass Innenstädte in Zukunft veröden, weil der zunehmende Internethandel immer mehr Geschäfte in ihrer Existenz gefährdet. Auch hier hat die Politik bisher keine Antworten geliefert.

Unterm Strich bleiben also trotz der guten Absichten weiterhin einige Fragezeichen hinter der urbanen Agenda. Erst wenn diese überzeugend beantwortet werden, kann vielleicht eintreten, was Ada Colau selbstbewusst bei der World Mayors Assembly ankündigte: „Ich bin davon überzeugt, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Stadt sein wird“, sagte Barcelonas Bürgermeisterin.

Unser Redakteur Klaus Späne war für diesen Artikel in Quito – auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen.

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