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Gutbetuchte profitieren, Bedürftige gehen leer aus - die Grundrente ist nicht immer gerecht

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Grundrente
Die Grundrente soll bedürftigen Rentnern ein besseres Auskommen sichern © dpa / Stephan Scheuer

Die Grundrente soll altersarmen Rentnern mehr Geld in die Kasse spülen.Vier Rechenbeispiele belegen: Nicht immer trifft es die Richtigen. Und so mancher arme Rentner schaut in die Röhre, wenn er zu wenig Beitragsjahre hat.

Sorgt die viel diskutierte Grundrente wirklich für mehr Gerechtigkeit? Spiegel Online hat das Konzept von Bundesarbeitsminister Heil anhand von vier fiktiven Beispielen durchgerechnet. Und festgestellt: viele altersarme Rentner gehen immer noch leer aus. Arbeitslosigkeit oder Familienzeiten können dazu führen, dass weniger als 35 Beitragsjahre zu Buche schlagen. 35 Beitragsjahre aber wären für den Bezug der Grundrente Voraussetzung.

0 Euro mehr Rente für den Kellner

In die Röhre schaut deshalb etwa der 71-jährige ehemalige Kellner, Spiegel Onlines Beispiel Nummer eins. Er hat gut 32 Jahre in Vollzeit zu einem niedrigen Lohn gearbeitet. Dann wurde er arbeitslos, rutschte bis zur Altersrente in Hartz IV. Mehr Einkommen erhält der Rentner, der derzeit von 945 Euro im Monat lebt, nicht. Der Rentner erfüllt die Mindestbeitragsjahre nicht. Anders liegt der Fall bei der fiktiven 74-jährigen Arzthelferin. 5 der insgesamt 41 Renten-Beitragsjahre hat die allein erziehende Mutter von zwei Kindern in Vollzeit gearbeitet, den Rest in Teilzeit. Durch Heils Konzept hätte sie monatlich 142 Euro mehr zur Verfügung. 

Der Hintergrund der Rechnung: Für jedes Beitragsjahr erhält der Rentner eine bestimmte Zahl von Entgeltpunkten - je nach Einkommenshöhe. Ein Durchschnittsverdiener sammelt pro Jahr genau einen Entgeltpunkt auf seinem Rentenkonto an. Für jeden Entgeltpunkt gibt es später einen gewissen Betrag, der jährlich angepasst wird. Hat ein Rentner weniger als 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr angesammelt, sieht das Konzept der Grundrente vor, diese zu verdoppeln. Das gilt insgesamt allerdings nur für 35 Beitragsjahre und höchstens bis zu 0,8 Entgeltpunkten. Im Höchstfall kann der Zuschlag also 14 Entgeltpunkte erreichen, das sind derzeit 448 Euro. 

Rentenaufstockung für Gutbetuchte

Für altersarme Rentner kann das neue Rentenkonzept eine erhebliche Verbesserung bringen. Doch es kommt beileibe nicht nur den Armen zugute. Weil sonstige Einkommen und Vermögen des Haushalts nicht geprüft werden, profitieren davon auch Gutbetuchte. Dazu zählt etwa der 68-jährige Arzthelfer, ein weiteres Rechenexempel auf Spiegel Online. Der Rentner arbeitete 30 Jahre lang in Teilzeit in der Praxis seiner Radiologen-Gattin - für 15 Stunden in der Woche. Fünf weitere Beitragsjahre werden dem Mann für die beiden vor 1992 geborenen Kinder angerechnet. 448,42 Euro würde die Grundrente dem Ehepaar mehr in die Kasse spülen, obwohl die Radiologin aus dem Versorgungswerk der Ärzte und einer privaten Rentenversicherung monatlich netto 4500 Euro erhält. Das von Spiegel Online angeführte Altenpfleger-Ehepaar, beide Partner in Rente und beide aus verschiedenen Gründen mit weniger als 35 Beitragsjahren, erfüllt die Voraussetzungen für einen Zuschlag nicht. 

"Respekt"-Rente scheitert an Beitragsjahren

Die Beispiele machen deutlich: Heils "Respekt"-Rente, die die Arbeitszeit eines Menschen unabhängig von Verdienst und tägliche Arbeitszeit würdigen soll, wird nicht allen Lebenssituationen gerecht. Es kann durchaus langjährige Beitragszahler aus der Sozialhilfe holen, wie die oben beschriebene Arzthelferin. Aber es schließt all jene kategorisch aus, die weniger als 35 Beitragsjahre gesammelt haben. Und es unterscheidet - bewusst - nicht nach Bedürftigkeit: Während die ohnehin gut situierte Arztfamilie noch mehr Geld bekommt, geht das Krankenpfleger-Paar leer aus.

vg

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