Lars Klingbeil in China: Darum umwirbt Peking den deutschen SPD-Chef

Zwei Tage hat Lars Klingbeil China besucht. Sein Gastgeber hatte warme Worte für den SPD-Chef übrig, die aber auch als Warnung verstanden werden können.
München/Peking – Es läuft derzeit nicht gut für die SPD. Im ARD-Deutschlandtrend kommen die Sozialdemokraten aktuell auf magere 18 Prozent; die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz liegt damit gleichauf mit der AfD. Auch der Ampel stellen die Deutschen ein schlechtes Zeugnis aus, nur noch jeder Fünfte ist mit der Arbeit der Koalition zufrieden. Insofern dürfte der hochrangige Empfang, den Chinas Regierung SPD-Chef Lars Klingbeil in diesen Tagen bereitet hat, Balsam sein für die Seele des 45-Jährigen. „Wir hoffen, dass die SPD eine wichtige Rolle in Deutschland und Europa spielen wird“, schmeichelte Chinas Premier Li Qiang am Montag seinem Gast aus Deutschland, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Musik in den Ohren der gebeutelten Sozialdemokraten.
Allerdings verband Li seine warmen Worte mit einem klaren Arbeitsauftrag. Die SPD müsse, so der Premier, „den Grundton ihrer China-Politik beibehalten, der sich durch Rationalität, Dialog und Zusammenarbeit auszeichnet“. Soll heißen: In China betrachtet man die Sozialdemokraten als vernünftigen Partner in einer Koalition, die ansonsten mit eher China-kritischen Tönen auffällt. Die SPD, so die unmissverständliche Weisung aus Peking, solle doch bitte dafür sorgen, dass auch der Rest der Ampel-Koalitionäre die Vorzüge einer engen Zusammenarbeit mit China erkennt.
In Peking ist man schon länger verärgert über den China-Kurs von Grünen und FDP. Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock etwa musste sich bei ihrem China-Besuch Mitte April von ihrem Amtskollegen Qin Gang anhören, dass China keinen „Lehrmeister aus dem Westen“ brauche. Zurück in Deutschland erklärte sie im Bundestag dann überraschend undiplomatisch, ihre China-Reise sei „zum Teil mehr als schockierend“ gewesen. Und Finanzminister Christian Lindner musste seinen für Mai geplanten Peking-Besuch gar absagen, weil seinem Amtskollegen Liu Kun ein kurzfristig anberaumtes Treffen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping wichtiger war als der deutsche FDP-Chef.
China ist verärgert über Grüne und FDP
Überhaupt sind die Liberalen nicht gut gelitten in Peking. Mehrfach reisten FDP-Politikerinnen und -Politiker zuletzt nach Taiwan, darunter im März mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger erstmals seit Langem wieder ein Kabinettsmitglied. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und versucht stets, Treffen ausländischer Politiker mit der Regierung in Taipeh zu verhindern. Meist ohne Erfolg: Zwei Monate vor Stark-Watzinger war eine zehnköpfige FDP-Delegation unter Führung der Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in Taipeh. Chinas Außenministerium schimpfte anschließend über „falsche Signale“, die von den Abgeordneten ausgingen.
Richten soll es, so sieht man das in Peking, nun die SPD. Die Kommunistische Partei Chinas wolle den Austausch mit den Sozialdemokraten ausweiten, um die Partnerschaft mit Deutschland „auf eine neue Ebene“ zu heben und „gemeinsam die Kooperation in Wirtschaft und Handel zu schützen“, berichtete das chinesische Staatsfernsehen nach Klingbeils Treffen mit Premierminister Li. China freue sich, wenn mehr deutsche Unternehmen nach China kämen, sagte Li, und versprach, den Marktzugang sowie den Schutz von geistigem Eigentum zu verbessern.
Der Nachrichtenagentur dpa sagte eine SPD-Sprecherin, die Gespräche seien „offen und konstruktiv“ gewesen. Man habe über den Ukraine-Krieg, die „deutsche Diversifizierungsstrategie“ sowie über „Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie die Situation der Menschenrechte“ gesprochen. Laut chinesischer Seite erklärte Klingbeil zudem, „dass eine ‚Entkopplung‘ keine Option für die deutsch-chinesischen Beziehungen ist“. Dass sich die westlichen Industrienationen wirtschaftlich von China abwenden könnten, ist eine große Sorge der Chinesen. Dabei ist auch bei den anderen Ampel-Parteien keine Rede von einer „Entkopplung“. Vielmehr lautet der Tenor, Deutschland müsse sich unabhängiger von China machen und auch auf andere Länder in der Region setzen. Stichwort: Risikominimierung.
Chinas Chef-Ideologe empfängt Klingbeil
China scheint trotzdem auf Nummer sicher gehen zu wollen und bereitete Klingbeil den ganz großen Bahnhof. Am Dienstag wurde der SPD-Chef von Chinas Chef-Ideologen Wang Huning empfangen, laut dpa sprach man deutlich länger als geplant. Wang ist als Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei die Nummer vier in der chinesischen Hierarchie. „Wang Huning würdigte den positiven Beitrag der SPD zur Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen im Laufe der Jahre“, berichtete anschließend Xinhua.
Dass die Regierung in Peking den SPD-Mann aus Deutschland derart umwarb, dürfte auch mit der geplanten China-Strategie der Bundesregierung zu tun haben. Eigentlich wollte Außenministerin Baerbock das Dokument, dem eine Nationale Sicherheitsstrategie vorausgehen soll, längst vorlegen. Doch beide Papiere lassen auf sich warten. In Peking hofft man nun offenbar, noch Einfluss nehmen zu können auf den Inhalt der China-Strategie, und hat dafür die Kanzler-Partei als geeigneten Verbündeten ausgemacht.
Auch SPD findet klare Worte in Richtung China
Allerdings ist auch die SPD kein natürlicher Partner mehr für Chinas Kommunisten, auch wenn der Kanzler-Besuch in Peking im vergangenen Jahr recht harmonisch verlief. So schickte Klingbeil etwa im Januar im Gespräch mit der Zeit eine Warnung in Richtung Peking: „Wenn China Taiwan angreift, wird sich auch unsere Beziehung zu China fundamental ändern, so wie das jetzt mit Russland der Fall ist“, sagte der Parteichef.
Und SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius legte sich unlängst ziemlich undiplomatisch mit seinem Amtskollegen aus China an. Peking müsse „unverzüglich“ damit aufhören, deutsche Kampfjetpiloten abzuwerben, erklärte der 63-Jährige in einem Gespräch mit dem chinesischen Verteidigungsminister Li Shangfu am Rande des Shangri-La-Dialogs in Singapur. Hintergrund ist ein Spiegel-Bericht, nach dem deutsche Ex-Bundeswehrsoldaten an Ausbildungsmissionen in China beteiligt sind. Auch die jüngsten Spannungen im Indopazifik sprach Pistorius in Singapur an, verbunden mit einer klaren Botschaft an Peking: „Wir brauchen die Herrschaft des Gesetzes anstelle einer Herrschaft mit Faustrecht.“
Am 20. Juni werden Premierminister Li Qiang und andere chinesische Kabinettsmitglieder in Berlin erwartet, zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Dann bekommt er es mit der gesamten Ampel-Koalition zu tun. Man darf gespannt sein, ob Li für Baerbock, Lindner und Co. ähnlich freundliche Worte im Gepäck hat wie nun für SPD-Chef Klingbeil.