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„Provokation“ aus Belarus: Kreml rüstet Kampfjets mit Atomwaffen aus - Litauen will Grenzschutzhilfe von der EU

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Putin und Lukaschenko
Russlands Präsident Putin (r) neben dem belarussischen Machthaber Lukaschenko. © Sergei Chirikov/POOL EPA/AP/dpa

Putin will in Belarus russische Atomwaffen stationieren und hat die entsprechende Aufrüstung belarussischer Kampfjets bestätigt. Litauen fordert Hilfe von Frontex.

Litauen/Belarus - Experten meinen, es ist der nächste Schritt in der Eskalation: Ein paar Tage nach der Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, in seinem Nachbarland Belarus russische Atomwaffen stationieren zu wollen, hat Russland nun die Übergabe eines atomwaffenfähigen Raketenkomplexes vom Typ Iskander-M bestätigt. „Ein Teil der belarussischen Flugzeuge der Jagdgeschwader hat die Möglichkeit erhalten, mit atomar ausgestatteten Vernichtungsmitteln Schläge gegen Feindobjekte zu führen“, sagte Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu am Dienstag (4. April) in Moskau. Schoigu zufolge können die Raketen von Iskander-M sowohl konventionelle als auch atomare Sprengköpfe tragen.

Außerdem bestätigte das belarussische Verteidigungsministerium den Beginn der Ausbildung belarussischer Soldaten an den russischen Atomraketen. „Die Mannschaften des operativ-taktischen Raketenkomplexes Iskander-M der belarussischen Raketenstreitkräfte sind nach Russland zur praktischen Vorbereitung gefahren“, ließ das Ministerium verlauten. Wichtigste Trainingsinhalte der Ausbildung auf einem der russischen Truppenübungsplätze seien praktische Kenntnisse in der Vorbereitung der Raketen. „Darüber hinaus steht den Besatzungsmannschaften bevor, im Detail die Fragen der Wartung und des Einsatzes der taktischen Atomsprengköpfe der Iskander-M zu studieren“, hieß es weiter.

Stationierung von russischen Atomwaffen in Belarus: Verschärfung der Spannungen mit dem Westen

Nach Putins Erklärung Ende März verschärften sich die ohnehin schon enormen Spannungen zwischen Russland und dem Westen noch einmal mehr. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 haben sich westliche Staaten weitestgehend vom russischen Regime distanziert. Russlands Präsident betonte, die Stationierung von Atomwaffen in Belarus stehe nicht im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag, der die Verbreitung von Kernwaffen untersagt, da Russland die völlige Kontrolle über die Raketen behalte. Lukaschenko sorgte für Zweifel daran, als er in seiner Ansprache zur Nation selbst die Kontrolle über die Atomwaffen beanspruchte. Bis Juli dieses Jahres sollen die benötigten Bunker für die Lagerung der Waffen fertiggestellt sein.

Moskaus Botschafter in Minsk, Boris Gryslow, kündigte am Sonntag an, die Waffen sollten an der Grenze zu Polen aufgestellt werden - und damit auch an der Grenze zur Europäischen Union. Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, sieht in Russlands Plänen eine Gefahr für ganz Europa. Putins neuestes nukleares Pokerspiel sei eine direkte Bedrohung für die europäische Sicherheit, sagte er am Dienstag in Brüssel. Der Kreml-Chef eskaliere die Lage, ohne etwas erreicht zu haben, so Borrell weiter. Vor gut einer Woche schrieb er schon auf Twitter: „Die EU ist bereit, mit weiteren Sanktionen zu reagieren.“

Stationierung von russischen Atomwaffen an europäischer Grenze als Warnsignal: „Mögliches Ziel ist Polen“

Auch der Abrüstungsexperte Nikolai Sokov erklärte im Interview mit dem Tagesspiegel, dass das russische Regime seine Atomwaffen direkt an der Grenze zu europäischen Staaten stationiere, sei ein weiteres Warnsignal und bedeutet: Mögliches Ziel für einen Atomschlag ist nicht die Ukraine, sondern vielmehr Polen.“ Litauen sah schon vor Putins jüngsten Plänen eine Bedrohungslage: Der litauische Ex-Militär Vaidotas Malinionis forderte laut einem Bericht des Senders LRT zuletzt gemeinsame Verteidigungsvorkehrungen mit Polen. Eine weitgehend ungeschützte Grenze könne einen leichten Durchmarsch Russland erleichtern, warnte er damals.

Mit Blick auf Belarus gibt es bei den direkten Nachbarstaaten in Europa aber auch noch andere Sorgen als die Stationierung von Atomwaffen. Zwar ist die humanitäre Krise an der Grenze zwischen Belarus und Polen sowie Litauen seit dem Ukraine-Krieg in den Hintergrund gerückt - das heißt aber nicht, dass es sie nicht mehr gibt. Noch immer werden tote Geflüchtete gefunden, Litauen hat erst kürzlich den Ausnahmezustand in der Grenzregion verlängert. Im Spätsommer und Herbst des Jahres 2021 versuchten Tausende Menschen, von Belarus aus in die EU zu gelangen - viele Beobachter, darunter die EU, waren der Meinung, der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko hätte gezielt Migranten als „Waffe“ eingesetzt.

Humanitäre Lage an Grenze zu Belarus: Litauen will Grenzschutz-Hilfe von Frontex

Da sich die Lage an der Grenze zu Belarus in den letzten knapp zwei Jahren nur teilweise entspannt hat, will Litauen aus Sorge vor vermehrten irregulären Grenzübertritten von Migranten den Schutz der EU-Außengrenze stärken. Das Land will dafür beim kommenden Nato-Gipfel im Juli auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex um Hilfe bitten. Die litauische Innenministerin Agne Bilotaite sagte, der Grenzschutz solle verstärkt werden, um eventuelle Provokationen zu verhindern und mögliche „erhöhte Migrantenströme“ einzudämmen. Litauen habe sich auch mit Polen und Lettland über Hilfe beim Grenzschutz ausgetauscht, so die Ministerin.

Der Frontex-Chef Leijtens reagierte zunächst verhalten auf die Bitte, das Personal des litauischen Grenzschutzes zu erhöhen, der laut der Innenministerin derzeit von 18 Frontex-Beamten unterstützt wird. Leijtens betonte allerdings auch, Frontex wolle so gut wie möglich auf Litauens Anfrage reagieren. Das berichteten litauische Medien. (ale/dpa)

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