Tausende Schweinemast-Betriebe weg: Fleisch für Deutsche kommt künftig wohl aus dem Ausland
Die Deutschen essen viel weniger Fleisch als noch vor ein paar Jahren. Doch wer künftig Fleisch isst, muss wohl vermehrt damit rechnen, dass es aus dem Ausland kommt.
Bremen – Der Fleischkonsum in Deutschland geht rapide zurück: Binnen 15 Jahren ist der Pro-Kopf-Verbrauch um gut zehn Kilogramm gesunken. Die Deutschen essen so wenig Fleisch wie noch nie seit Beginn der Erhebungen der Wiedervereinigung. Das meldet die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Selbst ein Traditionsbetrieb, der 100 Jahre nur Wurst herstellte, stellt künftig vegane Produkte her.
Vor allem der Schweinefleischverbrauch sinkt, ist sogar 11,5 Kilogramm niedriger als vor 15 Jahren. Ein Strukturwandel auf Erzeugerseite ist nötig, weswegen eine unabhängige Expertenkommission gebildet wurde. Entnervt tritt diese aber nun zurück, weil ihre Vorschläge nicht umgesetzt wurden. Viele Schweinezüchter geben laut einem Bericht der Welt jetzt auf, anstatt ihren Stall teuer umzubauen.
Gegenüber dem Medium warnt Heike Harstick, die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischwirtschaft (VDF): „Die Nachfrage ist zurückgegangen, aber nicht so stark, wie das Angebot.“ Die Anzahl der Schweine sei innerhalb der letzten drei Jahre von 25,5 Millionen auf 20,8 Millionen gesunken. 4000 Schweinemast-Betriebe weniger, umgerechnet 20 Prozent, gebe es seit den letzten zwei Jahren, meldet die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN).
Laut ISN-Geschäftsführer Torsten Staack fehle den Betrieben Planungssicherheit und Perspektive. Die Landwirtschaft zeige sich offen für Veränderungen in Richtung Tierwohl. Man könne sich aber „nur dann weiterentwickeln, wenn wir die notwendige Sicherheit dafür bekommen. Das gilt sowohl für Genehmigungsfragen als auch für die Finanzierung des Ganzen.“
Borchert-Kommission: Expertengremium tritt frustriert zurück
Dabei helfen wird nicht mehr die sogenannte „Borchert-Kommission“. Die von der damaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eingesetzte Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung hat ihre Auflösung beschlossen. Sie sah laut VDF-Chefin und Kommissionsmitglied Harstick „weder den politischen Willen noch eine ausreichende Finanzierung“. Vorgeschlagen hatten die Experten ein Konzept für den schrittweisen Umbau der Tierhaltung zu deutlich höheren Standards, mit Reduzierung der Bestände, besseren Ställen und Zuchtbedingungen.

Die Kosten sollten sich auf sieben bis elf Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Finanziert werden sollte dies entweder durch Preiserhöhungen beim Endverbraucher, eine erhöhte Mehrwertsteuer oder durch den Bund. Dieser bewilligte aber lediglich eine Milliarde, was laut Harstick „hinten und vorne“ nicht reiche. Sie weist darauf hin, dass auch der Handel abwinke, mehr Geld für Fleisch aus besseren Haltungsformen zu bezahlen, wenn es sich finanziell nicht rentiere.
Fleisch für Deutsche wird künftig wohl vermehrt im Ausland eingekauft
Sie rechnet damit, dass weitere Höfe aufgegeben werden. Ab 2029 ist zudem die sogenannte Kastenstandhaltung komplett verboten. Bis Februar 2024 müssen Landwirte ein Umbaukonzept vorlegen und bis Februar 2026 einen Bauantrag stellen. Das Fleisch werde dann aus dem Ausland eingekauft, wo sich das „Wie“ nicht kontrollieren ließe. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dankte der Kommission und will sich für zusätzliche Mittel einsetzen. Aus der CSU, so beispielsweise durch Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, wird Özdemir Scheitern vorgeworfen. Unmut kommt auch gegenüber der FDP auf, die laut dem Deutschen Bauerverband in Finanzfragen blockiere.
Ein Landwirt hat rund 700 Schweine qualvoll verenden lassen. Jetzt werden erste Konsequenzen gegen den Bauern erhoben. (cgsc)