1. Startseite
  2. Politik

Ein starker Auftritt

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Dieter Sattler

Kommentare

null
© (FNP)

Die Bilder vom Grenzübergang Griechenland/Mazedonien zeigen großes menschliches Leid und damit auch das ganze Dilemma der Flüchtlingspolitik: Wer abschottet, produziert Chaos und Elend.

Die Bilder vom Grenzübergang Griechenland/Mazedonien zeigen großes menschliches Leid und damit auch das ganze Dilemma der Flüchtlingspolitik: Wer abschottet, produziert Chaos und Elend. Wer aufmacht, sorgt dafür, dass immer mehr Menschen nachströmen. Wenn die anderen europäischen Länder niemanden aufnehmen und nach Syrern und Irakern auch immer mehr Afghanen und Pakistaner nach Deutschland wollen, wird unser Land überfordert. Entsprechend zeigt eine aktuelle Emnid-Umfrage für „Panorama“, dass 90 Prozent der Deutschen gegen eine unbegrenzte Zuwanderung sind. Und zumindest eine klare Mehrheit glaubt, dass Integration nur gelingen kann, wenn die Zuzugszahlen stark nachlassen.

Weil sie wissen, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist, üben auch die Koalitionspartner SPD und CSU und Teile ihrer eigenen Partei vor den Landtagswahlen am 13. März Druck auf Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel aus. Doch während alle anderen nervös sind, bleibt die Kanzlerin ruhig und auf Kurs. Beharrlich entwickelt Merkel ihre Fähigkeit, das Glas eher halbvoll als halbleer zu sehen. Am Sonntag von Anne Will gefragt, wie sie dazu stehe, dass 80 Prozent der Bundesbürger ihre Flüchtlingspolitik kritisch sehen, sagte sie, sie freue sich sehr, dass dieselbe Umfrage zeige: 90 Prozent wollen Kriegsflüchtlingen immer noch helfen. Man kann zu Merkels Flüchtlingspolitik stehen, wie man will: Ihr Auftritt bei Anne Will war professionell und souverän. Die promovierte Physikerin glaubt, den Kern der Flüchtlingskrise erkannt zu haben, und richtet ihr Handeln danach aus. Sie arbeitet beharrlich an einer europäischen Lösung.

Merkel selbst wies damit auf den entscheidenden Unterschied zu ihren Kritikern aus der CSU hin: Bayerns Ex-Ministerpräsident Stoiber sehe das Problem vor allem national, sie aber denke auch an Europa. Damit freilich ist auch der entscheidende Punkt genannt, der sie in dieser Frage doch in Widerspruch zur Mehrheit der Deutschen geraten lässt. Mit ein Grund dafür könnte sein, dass Merkels engeres Beratungsumfeld, mit dem sie das Thema immer wieder durchdenkt, eher international ausgerichtet ist: Leute wie Kanzleramtsminister Peter Altmaier und der außenpolitische Berater Christoph Heusgen scheinen zuerst an Europa, dann erst an ihr Land zu denken. Weil das in Osteuropa genau andersherum gesehen wird, haben wir ein Problem.

Merkels Argumentation hat freilich auch etwas für sich: Wenn alle Länder jetzt aus kurzfristigem Kalkül die Grenze dichtmachen, würde schlimmes Elend produziert und eine echte Lösung der Krise rückte in noch weitere Ferne. Man könnte freilich auch sagen: Solange Deutschland allen anderen aus der Patsche hilft, haben die anderen gar kein Interesse selbst Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist nun mal so, wie der Asylrechtsexperte Daniel Thym im „Merkur“ schreibt: Eine Lösung der Krise kann es nur geben, wenn man die „Zwillingsexistenz von begrenzter Staatlichkeit und universellen Flüchtlingsschutz“ anerkennt. Das heißt: Die andern müssen moralischer werden, die Bundesregierung sollte auch mal an die Interessen der Ansässigen denken.

Merkel führte bei Will an, bei der europäischen Lösung weitergekommen zu sein und verwies auf die rückläufigen Flüchtlingszahlen vom Januar und Februar. Hier aber hätte sich Anne Will durchaus den Hinweis gestatten können, dass dieser Rückgang wohl eher durch die Witterung und auch durch Grenzschließungen auf der Balkanroute bedingt als ein echter Erfolg Merkelscher Politik ist. Überhaupt Anne Will: Sie ist zuletzt, wohl auch wegen Zuschauerprotesten, sehr viel kritischer gegenüber Merkels Flüchtlingspolitik geworden als etwa beim ersten Talk mit der Kanzlerin im Oktober. Aber gegen Ende des Interviews fragte sie kaum noch nach und begann ihre Karteikarten abzuarbeiten. Hier hätte man sich ein Doppel-Interview von Will und dem wesentlich zupackenderen Frank Plasberg gewünscht.

dieter.sattler@fnp.de

Auch interessant

Kommentare