11 Dinge, die Ost und West immer noch voneinander unterscheiden
Im Jahr 2023 bestehen zwischen Ost- und Westdeutschland immer noch einige Unterschiede. Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit ist es wichtig, sie anzuerkennen.
Am 3. Oktober ist Tag der Deutschen Einheit. Zu diesem Anlass stellt Carsten Schneider, der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, den Bericht zum Stand der Deutschen Einheit (Schwerpunktthema „Stadt und Land“) vor. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, 27. September 2023, spricht er von mehr Verbindendem als Trennendem zwischen Ost- und Westdeutschland.
Ganz anders sieht es aus, wenn man sich die Forsa-Umfrage für den Stern anschaut. Laut der ist die Stimmung zur Deutschen Einheit gekippt und 60 Prozent der Deutschen sagen heute, dass das Trennende zwischen Ost und West überwiegt. Nur 37 Prozent finden, dass die Menschen in Ost und West inzwischen weitgehend zu einem Volk zusammengewachsen sind. Ähnlich negativ fiel das Ergebnis zuletzt 2008 aus.
Ost- und Westdeutschland: Welche Unterschiede gibt es?
„Das wäre ja langweilig, wenn wir alle genau gleich wären“, sagt Schneider bei der Bundespressekonferenz und plädiert für eine „Akzeptanz der Andersartigkeit“. Schließlich können auch Westdeutsche einiges von Ostdeutschen lernen. „Wir in Deutschland bilden ein wenig Osten und Westen von Europa ab“, sagt der SPD-Politiker. Nach 33 Jahren gemeinsamer Geschichte sei die „deutsche Einheit vollendet, aber nicht vollkommen“.
Es gebe zwar weiterhin fortbestehende Unterschiede zwischen Ost und West, aber viele davon gingen auch „erheblich und stetig“ zurück, heißt es im Bericht. BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA hat sich das mal im Detail angeschaut. Hier kommen elf Dinge, die Ost- und Westdeutschland immer noch unterscheiden:
1. Im Osten wandern mehr Leute vom Land in die Stadt
Wie Schneider in der Pressekonferenz betont, leidet der Osten viel stärker als der Westen an den Folgen der Abwanderung und die werden immer schlimmer. Eine Grafik im Bericht zum Stand der Deutschen Einheit (S. 70) veranschaulicht das gut: Sie zeigt, dass im Osten von 1995 bis 2021 sehr viele Menschen vom Land in die Städte gezogen sind. In Westdeutschland ist es ausgeglichener – auch das Land kann hier Zuwachs verzeichnen.
2. Mehr Geschlechtergleichheit im Osten
In Westdeutschland liegt der unbereinigte Gender Pay Gap (Vergleich des durchschnittlichen Stundenlohns von Männern und Frauen) nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei 19 Prozent, in Ostdeutschland hingegen nur bei sieben Prozent. Auch sind im Osten (48,8 Prozent) mehr Mütter mit kleinen Kindern erwerbstätig als im Westen (37,8 Prozent). Und: Während westdeutsche Frauen 57,4 Prozent mehr Zeit für diese unbezahlte Arbeit aufbringen als westdeutsche Männer, fällt der Gender Care Gap in Ostdeutschland mit 36,9 Prozent geringer aus.
3. Weniger Verdienst
Das Lohnniveau im Westen und Osten liegt noch nicht wirklich nahe beieinander: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die Unterschiede in den vergangenen Jahren sogar gewachsen. Im Westen lag das entsprechende Jahresbrutto 2022 bei durchschnittlich 58.085 Euro, im Osten bei 45.070 Euro.
4. Weniger Vermögen
Zahlen der Bundesbank zeigen: Das Median-Vermögen eines Haushalts im Osten lag 2021 bei 43.400 Euro, im Westen hingegen bei 127.900 Euro. Dass dieser Punkt nicht im Bericht des Ostbeauftragten enthalten ist, wundert ihn, sagt ein Journalist bei der Bundespressekonferenz. Schneider stimmt ihm zu. Er halte das auch für „leistungsschädlich“, aber die FDP sehe das ganz anders und sei gegen eine höhere Vermögensbesteuerung. Hier „gibt es keine Mehrheit“, sagt er und begründet damit indirekt, warum er diesen Unterschied auch nicht in den Bericht aufgenommen hat.
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5. Bessere Kinderbetreuung im Osten
Die Betreuungsquote der unter Dreijährigen lag 2022 in Ostdeutschland bei 53,3 Prozent, in Westdeutschland waren es 31,8 Prozent.
6. Schlechtere fachärztliche Versorgung
Ost-West-Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung der Infrastruktur sind insgesamt sehr gering, heißt es im Bericht. Signifikante Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der Versorgung mit Haus- und Fachärzten, die in Westdeutschland besser bewertet wird als in ostdeutschen Gemeinden.
Ähnlich wie bei Ost- und Westdeutschen gibt es auch Dinge, die Norddeutsche von Süddeutschen unterscheiden.
7. Große Städte im Osten attraktiver
In großen Städten fühlten sich Menschen in ganz Deutschland weniger wohl, als auf dem Land, sagt Everhard Holtmann, der die Studienergebnisse vorstellt. Überraschenderweise sei es bei Städten im Osten besser, hier sei der Zusammenhalt größer als im Westen.
8. „Stärkere Kriegsangst“ im Osten
Ein Journalist fragt Schneider, ob es Unterschiede zwischen West und Ost bezüglich des Ukraine-Krieges gebe. Er sehe da keine wirklich großen Unterschiede, aber eine „stärkere Kriegsangst“ als im Westen, so der Bundes-Ostbeauftragte.
9. AfD im Osten stärker als im Westen
Erst einmal sei die AfD „kein ostdeutsches Problem“, so Schneider. Holtmann versucht sich jedoch an einem Erklärungsversuch für Erfolge der AfD in Sonneberg und Co. Er ist der Meinung, im Osten gebe es zwar immer mehr, aber noch weniger „politikstabilisierende Faktoren“. Zum Beispiel Kirche, Gewerkschaften und andere nicht-politische Organisationen. Es sei keine Gesamterklärung, aber könne die Sympathie für die AfD im Osten vielleicht teilweise erklären.
10. Unterschiedlicher Medienkonsum
Immer noch, konsumierten die Menschen im Osten anders Medien als im Westen, bestätigt Schneider. Hier würden Quellen teilweise weniger kritisch hinterfragt. Das begegne ihm in Ostdeutschland immer wieder. Das habe aber auch mit den Medien selbst zu tun, die oft von oben herab berichten würden. „Je mehr in der Berichterstattung belehrend“ sei, desto weniger Vertrauen wachse in die klassischen westlichen Zeitungen, vermutet er.
Ähnlich formuliert es auch Sam, der Sachse, der erste Schwarze Polizist Ostdeutschlands.
11. Mangelnde Repräsentanz in Bundesbehörden
Von allen Führungskräften in oberen Bundesbehörden sind 83,5 Prozent in Westdeutschland und nur 13,9 Prozent in Ostdeutschland geboren. Wenn man Berlin außen vor lässt, sogar nur 7,5 Prozent. Diese mangelnde Repräsentanz will die Ampel-Regierung verbessern, heißt es im Bericht von Schneider.

Das waren die Dinge, die Ost- und Westdeutschland immer noch unterscheiden und hier kommen sieben Unterschiede zwischen Ost und West, die wir (fast) überwunden haben:
1. Fast gleich viele Studienanfänger
Noch 1992 gab es in Westdeutschland 28,5 Prozent Studienanfänger und im Osten nur 16,9 Prozent. Im Jahr 2020 haben sich die Zahlen fast angeglichen: Im Westen sind es 48,5 im Osten 43,1 Prozent.
2. Arbeitslosigkeit
Wie aus dem Bericht zum Stand der Deutschen Einheit hervorgeht, war die Arbeitslosenquote 1994 in Ostdeutschland mit 14,8 fast doppelt so hoch wie im Westen (8,1). 2022 liegt sie im Westen bei 5 und im Osten bei 6,7.
3. Gleiche Renten
Aufgrund der guten Lohnentwicklung stieg der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 1. Juli 2023 auf 37,60 Euro und beträgt damit 100 Prozent des Westwerts. In ganz Deutschland gilt damit bereits ein Jahr früher ein gleich hoher aktueller Rentenwert als nach gesetzlich festgelegten Angleichungsstufen vorgesehen. Gut ist das für alle, die in Zukunft in Rente gehen, denn aktuell bekommen Rentner in Ostdeutschland nur durchschnittlich 1403 Euro im Monat, während es in den westdeutschen Bundesländern 1605 Euro durchschnittliche Rente sind.
4. Keine Sonderprogramme mehr für den Osten
Viele Sonderprogramme für die einst neuen Bundesländer seien inzwischen unter dem konzeptionellen Dach des an objektiven Indikatoren orientierten Gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen (GFS) zusammengeführt worden, steht im Bericht.
5. Menschen fühlen sich in Ost und West gleich wohl
Laut Studie habe sich der „Sozialitätsindex“ nahezu angeglichen. Er bildet ab, wie wohl sich eine Person an ihrem Wohnort fühlt. Es sei also egal, ob jemand nach 1990 überwiegend im östlichen oder westlichen Teil der Bundesrepublik gelebt habe – der Sozialitätsindex sei eher davon abhängig, ob er oder sie auf dem Land oder in der Stadt wohne.
6. Förderung von der EU
Die ostdeutschen Bundesländer gehören im Rahmen der Kohäsionspolitik der EU weitgehend zu den Übergangsregionen und erhalten in den Jahren 2021 bis 2027 insgesamt 8,5 Milliarden Euro an Strukturförderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) Plus. Damit liegt ihr Anteil an diesen Mitteln bei nahezu 50 Prozent des für das gesamte Bundesgebiet verfügbaren Mittelvolumens.
7. Bundesbehörden auf Ost und West verteilt
Die Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Bundesbehörden gleichmäßig in Ost- und Westdeutschland zu verteilen. Ganz ist das noch nicht gelungen, aber seit 2019 konnten rund 13.400 neue Vollzeitarbeitsplätze in strukturschwachen und vom Strukturwandel betroffenen Regionen besetzt werden. Davon befinden sich rund 9600 Arbeitsplätze in Ostdeutschland inkl. Berlin. In diesem und den kommenden Jahren sind für strukturschwache Regionen in Deutschland rund 4.750 weitere Arbeitsplätze in Planung.
*Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Bericht zum Stand der Deutschen Einheit und in anderen Studien finden sich noch weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Ost und West.
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