Trinkwasser aus jeder Leitung

Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Wasser. Für elf Prozent der EU-Bürger ist das bisher nur ein leeres Versprechen. Deshalb will die EU-Kommission handeln. Sie hat eine ehrgeizige neue Strategie vorgestellt. Auch in Deutschland soll sich einiges ändern. Denn Brüssel drängt auf Trinkwasser aus der Leitung und weniger Plastikflaschen.
1,6 Millionen Unterschriften – das hat die Brüsseler EU-Kommission beeindruckt. „Die Bürger haben einen garantierten Zugang zu sauberem Trinkwasser gefordert. Wir haben ihre Forderung gehört und beherzigt.“ Mit diesen Worten stellte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans in Brüssel die Antwort der EU auf das bisher erfolgreichste Bürgerbegehren „Right2Water“ von 2013 vor. Damals ging es den Initiatoren vor allem darum, eine Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung zu verhindern. Die Befürchtungen waren groß, dass Anleger großer Konzerne sich dieser elementaren Lebensader bemächtigen würden und an der Preisschraube drehen, so dass Wasser für einige Bevölkerungsschichten unerschwinglich wird.
Schutzbedürftige Gruppen
Nach Angaben der Kommission haben derzeit elf Prozent der EU-Bürger in den 28 Mitgliedstaaten gar keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser. Das soll sich nun ändern. Zu den Kernpunkten der neuen Strategie gehört die Auflage, „in öffentlichen Räumen Trinkwasseranlagen einzurichten“, damit vor allem schutzbedürftige und ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen genug zu trinken haben.
Darüber hinaus will die Union durchsetzen, dass die Menschen in den Mitgliedstaaten transparent über die Qualität des Wassers aus den Leitungen informiert werden. „Die Verbraucher sollen sich für den nachhaltigen Weg entscheiden können, beispielsweise Leitungswasser zu trinken“, sagte Kommissionsvize Jyrki Katainen. Damit schließt sich der Kreis zu der Abfall-Richtlinie, die erst vor zwei Wochen präsentiert wurde: Wer öfter zum Wasser aus der Leitung greift, braucht keine Einweg-Plastikflaschen. Die EU-Behörde hat ein mögliches Einsparvolumen für die Haushalte von rund 600 Millionen Euro im Jahr errechnet – plus deutlich geringere Belastungen der Meere durch Verzicht auf Kunststoff.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden gleichzeitig die Normen für gesundes Wasser neu gefasst. So will die EU die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übernehmen, damit krankheitserregende Bakterien und Viren ausgefiltert, natürlich vorkommende, aber schädliche Stoffe wie Uran oder Mikrozystine eliminiert werden und Industrieabfälle wie perfluorierte Verbindungen nicht ins Trinkwasser gelangen. Das Gleiche gilt für Nebenprodukte der Desinfektion oder Verunreinigungen mit Chlorat, Bisphenol A und Hallogenessigsäuren. Ähnlich detailliert sind auch die Vorgaben für die Wasserleitungen, die künftig erhöhten Anforderungen genügen müssen.
Ein großer Sieg
Die Privatisierung bleibt dennoch ein Streitthema. Zwar zieht sich die Kommission in einer eigenen Erklärung ausdrücklich auf ihre „Neutralität gegenüber nationalen Entscheidungen“ zurück. Und sie betont sogar, bei Freihandelsabkommen sicherzustellen, dass „die auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffenen Entscheidungen über die Verwaltung von Wasserdienstleistungen respektiert und gesichert werden“. Kritiker halten der EU allerdings entgegen, sie habe ausgerechnet bei der Sanierung Griechenlands darauf bestanden, dass die Regierung die Trinkwasserversorgung privatisieren müsse. Im September 2016 sah sich das Parlament in Athen gezwungen, einen entsprechenden Beschluss der Geldgeber ins Gesetz zu schreiben. Die Kommission hatte die Auflage mitunterschrieben. Für die Initiatoren und Unterstützer des Bürgerbegehrens „Right2Water“ dürfte der gestrige Tag dennoch ein großer Sieg sein.
dfg f dgh tg