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Erdogan droht Machtverlust in der Türkei

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Recep Tayyip Erdogan.
Recep Tayyip Erdogan. © dpa / Uncredited

Umfragen prognostizieren dem türkischen Präsidenten Niederlagen bei den Kommunalwahlen im März. In den wichtigen Großstädten Istanbul und Ankara könnten die Erdogan-Gegner den Sieg davontragen.

Istanbul/München - Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan könnte es bei den Kommunalwahlen am 31. März eng werden. Die Zustimmungswerte für seine islamisch- konservative Partei AKP sinken. Das Meinungsforschungsinstitut Piar, so berichtet die Süddeutsche Zeitung, habe türkische Wähler nach den größten Problemen des Landes gefragt. Das Fazit: Insbesondere die Einwohner in den großen Städten sind unzufrieden mit ihrer aktuellen Situation. Mehr als jeder Dritte, knapp 35 Prozent, nannte als Grund hierfür die schlechte wirtschaftliche Lage, 14,6 Prozent beklagen die hohe Arbeitslosenquote. 12,6 Prozent der Befragten machen die mehr als vier Millionen syrischen Flüchtlinge im Land Sorge. Für Erdogan muss dieses Meinungsbild alarmierend sein. In früheren Umfragen wurde sonst immer "der Terrorismus" als Problem Nummer eins der Türkei genannt. 

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Türkei: Auberginen und Paprika werden zum Luxusgut

Nun also sind die ganz normalen Probleme des Alltags in der Prioritätenliste der Wähler ganz nach oben gerutscht. Und das zu Recht: Die Wirtschaft schwächelt. Ein heftiger Kursabsturz der türkischen Landeswährung Lira im vergangenen Jahr hat die Inflation in der Türkei stark steigen lassen. Die Jahresteuerung lag im Januar bei 20,35 Prozent, teilte das Statistikamt in Ankara vor wenigen Tagen mit. Vor allem Lebensmittel und nicht alkoholische Getränke werden immer teurer. Manche Händler verzichten inzwischen auf den Verkauf von Auberginen und Paprika, weil sie aufgrund der horrenden Preise keine Abnehmer finden.

„Wir sind uns der Probleme bewusst. Die Volatilität der Wechselkurse und Zinssätze sowie die Inflation in den letzten Monaten, haben den Alltag der Menschen erschwert", erklärte Erdogan unlängst bei einer Fraktionssitzung seiner Partei. Der Präsident versprach, alle notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um einen weiteren Anstieg der Preise für Gemüse und Obst einzudämmen. Die Opposition befürchtet allerdings, dass Erdogan hinsichtlich der Kommunalwahlen noch ganz andere Maßnahmen treffen könnte. 

Türkei konfus: Erstwählerin mit 165 Jahren - Erdogan will sich absichern

Schon öfter war der Regierung vorgeworfen worden, bei Wahlen nachgeholfen zu haben. "Die Welt" berichtet auch dieses Mal von Fehlern in den Wählerlisten. Die Tageszeitung nennt als Beispiel Ayse Ekici. Die 165-Jährige sei als Erstwählerin in den amtlichen Wählerlisten der türkischen Stadt Kayseri aufgetaucht. Ekici ist kein Einzelfall. Laut der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP habe es massenhaft Unregelmäßigkeiten auf den Wählerregistrierungslisten gegeben. Insgesamt habe seine Partei 6400 registrierte Wähler im Alter zwischen 100 und 165 Jahren gefunden, erklärte CHP-Vizechef Onursal Adigüzel. In manchen Städten habe es zudem eine "wundersame Wählervermehrung" gegeben. Laut der Opposition seien das gezielte Manipulierungen, berichtet der Tagesspiegel. Erdogans AKP wolle sich gegen unangenehme Überraschungen bei der Kommunalwahl am 31. März absichern.

Kommunalwahlen: Türkei streicht 90 000 Namen aus Listen

Nach heftigen Debatten über diese sogenannten „Geisterwähler“ hat die türkische Wahlbehörde mehr als 90 000 Namen aus den Listen gestrichen, mit denen sich Bürger für die Kommunalwahlen im März registrieren lassen konnten. Auf den Listen seien bislang 91 093 Wähler gefunden worden, die nicht am angegebenen Wohnort gemeldet waren, sagte der Chef der Behörde, Sadi Güven, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag in der Hauptstadt Ankara.

Türkische Städte Ankara und Istanbul in der Hand der Opposition

Selbst wenn sich die AKP vielerorts auf einen Wahlsieg verlassen kann, dürfte es in den großen Städten eng werden. Wie bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2018 hat sich die AKP für die Kommunalwahlen Ende März mit der Nationalistischen MHP verbündet. In Ankara liegt dennoch laut Umfragen die Opposition vorn. Der Bürgermeisterkandidat der AKP, Mehmet Özhaseki, kommt nach einem Bericht der "Bild" in der türkischen Hauptstadt auf 35,8 Prozent. Der Kandidat der CHP, Mansur Yavas, könne derzeit hingegen 41,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.

In Istanbul, so schreibt Bild weiter, zeichne sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Mit rund 16 Millionen Einwohnern ist die Stadt nicht nur die größte des Landes, der Großraum Istanbul ist auch der Wirtschaftsmotor der Türkei. Fast 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden hier erwirtschaftet. Das Bündnis aus AKP/MHP käme dort auf 32,8 Prozent – und würde damit hauchdünn vor der CHP mit 32,6 Prozent ins Ziel kommen. Der AKP-Kandidat ist der alte Ministerpräsident und derzeitige Parlamentspräsident Binali Yildirim. Yildirims Gegner ist der CHP-Mann Ekrem Imamoglu aus dem Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü.

Türkei: Erdogan-Gegner formieren sich

Imamoglu werden gute Chancen eingeräumt, den linientreuen Yildirim aus dem Feld zu schlagen. Unterstützung bekommt er hierfür vermutlich von der prokurdisch-nationalistischen Partei HDP. Sie wird in den Metropolen Istanbul, Izmir und Adana keine eigenen Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt aufstellen, erklärte der Sprecher der Partei, Saruhan Oluç, bereits. Wenn die Erdogan kritisch gegenüberstehenden HDP-Wähler, so spekuliert Bild, also ins CHP-Lager wechseln würde, würde es für eine Mehrheit gegen die Erdogan-Partei reichen. Ende Dezember 2018 hatte die Co-Vorsitzende der HDP, Pervin Buldan, nicht ausgeschlossen, die Kandidaten der Republikanische Volkspartei (CHP) oder die der nationalkonservativen Partei IYI zu unterstützen.

Kommunalwahlen in der Türkei: HDP kritisiert ungleiche Bedingungen

Die HDP klagt schon im Vorfeld über massive Benachteiligungen vor den Kommunalwahlen Ende März in der Türkei. Es sei ein „ungleicher Wahlkampf“, sagte die Parteivorsitzende Pervin Buldan am Donnerstag vor Journalisten in Istanbul. Angriffe auf die Partei und ihre Anhänger hätten zugenommen. Die HDP mache eine schwierige Zeit durch.

Ihr Ko-Vorsitzender Sezai Temelli sagte, etwa 7000 Parteianhänger und Mitglieder seien im Gefängnis und rund 2000 im Exil. Es gebe zudem Zehntausende Beschwerden über Fälle, in denen das Wahlgesetz verletzt worden sei. So tauchten immer wieder sogenannte Geisterwähler in den Registern auf - also angebliche Wahlberechtigte, die nicht existieren. Die HDP habe in 46 000 Fällen Beschwerde bei der Wahlbehörde eingereicht, alle Vorstöße seien jedoch abgelehnt worden. Insgesamt gehe die Partei von mehr als 91 000 „Geisterwählern“ aus. Der Wahlbehörden-Chef Sadi Güven hatte bereits Ende Januar Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten zurückgewiesen.

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vg

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