Scheinwahlen in besetzter Ukraine: Medwedew lobt „würdiges Ergebnis“ – Putin-Partei gewinnt angeblich
Die Regionalwahlen in Russland stehen unter Betrugsverdacht. Die Organisation Golos meldet vielerorts Verstöße und Druck auf Wählerinnen und Wähler.
Update vom 11. September, 17.48 Uhr: Die unfreien Regionalwahlen in den besetzten Teilen der Ukraine stoßen auch international auf Unmut: So hat ein Sprecher von Annalena Baerbocks Auswärtigem Amt neue Sanktionen gegen Russland für „vorstellbar“ erklärt. Die EU kündigte bereits „Konsequenzen“ für an der Abhaltung der Wahl beteiligte Personen an. In einer Erklärung wies der Staatenbund den „sinnlosen Versuch“ Russlands zurück, seine „illegale Militärkontrolle“ über Teile des ukrainischen Staatsgebiets „zu legitimieren“.
In den vier von Russland für annektiert erklärten Regionen der Ukraine habe die Partei Geeintes Russland mehr als 70 Prozent der Stimmen errungen, teilte unterdessen die russische Wahlkommission am Sonntagabend mit. Die Wahlkommissionsvorsitzende Ella Pamfilowa erklärte, der dreitägige Urnengang sei „auf dynamische Weise und mit wenigen Verstößen“ verlaufen.
Ganz anders die Einschätzung von Beobachtern: In der Region Cherson seien zum Beispiel Soldaten mit Maschinengewehren von Haus zu Haus gegangen, die Stimmabgabe habe an der Wohnungstür stattgefunden, berichtet Jelina Beketowa vom Center for European Policy Analysis dem RND. An belebten öffentlichen Plätzen, zum Beispiel Bushaltestellen und Marktplätzen, sollten die Einwohnerinnen und Einwohner laut RND ihre Stimmzettel in durchsichtige Urnen werfen.
Auch die Stimmabgabe in Russland sei angesichts von „politischer Zensur, Propaganda und Desinformation“ nicht „Ausdruck einer wirklichen Entscheidung, sondern dient dem russischen Regime allein dazu, die bestehenden Machtverhältnisse zu bestätigen“, sagte Baerbocks Sprecher. Oppositionsparteien und -kandidaten, die ernsthafte Rivalen für Putin und seine Partei hätten sein können, standen allerdings nicht zur Wahl: Prominente Regierungsgegner sind mittlerweile entweder inhaftiert oder im Exil.
Scheinwahlen in besetzter Ukraine: Medwedew lobt „würdiges Ergebnis“ - Putin-Partei gewinnt angeblich
Update vom 10. September, 22.32 Uhr: Die Kremlpartei Geeintes Russland hat offiziellen Angaben zufolge bei den Scheinwahlen in den vier von Moskau besetzten Gebieten der Ukraine mit großer Mehrheit gewonnen. „Wir bekommen eine große Zustimmung, überall holen wir die Mehrheit, mehr als 2,7 Millionen Menschen in den vier Regionen haben ihre Stimme für Geeintes Russland abgegeben“, sagte der Leiter des zentralen Exekutivkomitees der Partei, Alexander Sidjakin, laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Unabhängige Wahlbeobachter gab es bei der Abstimmung nicht.
Das beste Ergebnis beanspruchte Geeintes Russland dabei in der östlichen Region Donezk. Dort habe die Wahlbeteiligung bei rund 80 Prozent gelegen. „Und 78 Prozent davon waren für Geeintes Russland“, behauptete der Separatistenführer Denis Puschilin. Offiziellen Angaben aus Moskau zufolge war die Wahlbeteiligung in den Regionen überdurchschnittlich hoch.
Der Chef der Kremlpartei Geeintes Russland, Dmitri Medwedew, hat das Ergebnis seiner Partei bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Russland als positiv eingestuft. „Schon jetzt lässt sich sagen, dass Geeintes Russland würdig aufgetreten ist“, sagte der Ex-Präsident der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Es sei gelungen, fast alle Positionen zu halten. Er erklärte, die Wähler in den besetzten Gebieten hätten Zivilcourage bewiesen. Die Ukraine warnte hingegen vor einem Trick in den Wahlbüros.
Update vom 10. September, 21.05 Uhr: Amtsinhaber Sergej Sobjanin führt offiziellen Angaben zufolge bei der Wahl zum Moskauer Bürgermeister deutlich. Sobjanin habe bei der Online-Abstimmung mehr als zwei Millionen Stimmen erhalten, teilte Artjom Kostyrko, ein ranghoher Beamter der Moskauer Stadtverwaltung, russischen Agenturen zufolge mit.
Zweiter bei der elektronischen Stimmabgabe wurde demnach der Enkel des Kommunistenführer Andrej Sjuganow, Leonid Sjuganow, mit etwas mehr als 200 000 Stimmen. Die Wahl zum Moskauer Bürgermeister war eine der Gouverneurswahlen, die der Kreml mitten im Krieg als Stimmungstest vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr abhalten ließ. 2013 hatte bei den Moskauer Wahlen noch Alexej Nawalny für eine Überraschung gesorgt. Mittlerweile sitzt der Putin-Kritiker unter fadenscheinigen Begründungen in einem Straflager ein.
Zahlen zu den „Regionalwahlen“: Putin-Partei führt in besetzter Ukraine angeblich deutlich
Update vom 10. September, 19.50 Uhr: Die Partei Geeintes Russland von Präsident Wladimir Putin hat nach ersten offiziellen Zahlen die von Russland abgehaltenen Regional- und Kommunalwahlen in vier besetzten ukrainischen Regionen gewonnen. Dies ging aus den ersten Daten hervor, die am Abend während der Stimmenauszählung auf der Website der russischen Wahlkommission veröffentlicht wurden.
In zahlreichen russischen Regionen und im russisch kontrollierten Teil der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson endete am Sonntag die Stimmenabgabe der Wahlen, die als Test für die russische Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr gelten.
Kiew und seine westlichen Verbündeten hatten die Wahlen in den besetzten Gebieten als unrechtmäßig bezeichnet. Moskau will damit in den im Osten und im Süden der Ukraine gelegenen Gebieten seinen Herrschaftsanspruch unterstreichen. Russland hatte die Regionen im September 2022 nach sogenannten Referenden für annektiert erklärt, kontrolliert aber nur Teile der Regionen überhaupt militärisch.
Putins Regionalwahlen laufen: Drohnen-Schlag zerstört Wahlbüro - einige Überraschungen möglich
Update vom 10. September, 18.50 Uhr: Auch am Sonntag laufen noch die Regionalwahlen in Russland - und nicht nur dort: Auch in den besetzten Gebieten in der Ukraine sollen die allergrößtenteils unfreien Wahlen stattfinden. Dabei gibt es offenbar Widerstand: Russische Wahl-Bedienstete berichteten am Sonntag von Sabotageversuchen, wie der Sender Euronews meldete. So sei etwa eine Wahlstation in der Region Saporischschja durch einen Drohnenschlag zerstört worden. Personal habe sich zu dieser Zeit nicht vor Ort befunden, sagte der stellvertretende Wahlkommissionschef Nikolai Bulajew.
In Moskau dürfte sich bei der Bürgermeisterwahl unterdessen Amtsinhaber Sergej Sobjanin von der Kremlpartei Geeintes Russland eine weitere Amtszeit sichern. Beobachter rechneten unterdessen zumindest in einigen Teilen Russlands mit „interessanten“ Rennen. In der Region Jakutien und im Autonomen Distrikt der Nenzen hatte die Kommunistische Partei 2021 Putins regierende Partei geschlagen, wie das unabhängige Portal Meduza in seiner Vorberichterstattung betonte. Auch in Irkutsk erziele die Partei traditionell hohe Ergebnisse.
Die Russland-Korrespondentin der taz, Inna Hartwich, wies auf einen Sonderfall in der Region Tschakassien hin: Dort habe vor fünf Jahren der Kommunist Walentin Konowalow den Posten als Republik-Oberhaupt erobert. Diesmal habe „Einiges Russland“ einen Gegenkandidaten noch vor dem Wahltag zurückgezogen. Allerdings gilt die kommunistische Partei nicht als vollkommen unabhängig von Putin, wie etwa Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski in einem Interview mit Ippen.Media eklärte.
Regionalwahlen in Russland und besetzter Ukraine: Kiews Generalstab warnt vor Trick
Update vom 10. September, 12.12 Uhr: Der ukrainische Generalstab fordert die Einwohner der von Russland besetzten Gebiete auf, sich nicht an den dortigen Regionalwahlen zu beteiligen. Die Besatzer würden die Wahlen zur Erfassung von Mobilisierungsreserven nutzen, schreibt der Generalstab auf seiner Facebook-Seite.
Ohnehin seien die weitaus meisten Kandidaten bei den Wahlen nur Marionetten der Besatzungsmacht. „Das Kommando der Verteidigungskräfte der Ukraine fordert dringend dazu auf, die Teilnahme an solchen pseudodemokratischen Maßnahmen zu ignorieren und die Einberufung in die Besatzungsarmee zu vermeiden“, so der Generalstab.
Update vom 10. September, 6.23 Uhr: Mitten im Krieg gegen die Ukraine und überschattet von Betrugsvorwürfen hält Russland in Dutzenden Gebieten Regionalwahlen ab. Noch bis zum Sonntagabend können Menschen in 22 Gebieten ihre Stimme bei der Gouverneurswahl und in 16 Gegenden bei der Wahl zum Regionalparlament abgeben. In der Hauptstadt Moskau dürfte sich bei der Bürgermeisterwahl Amtsinhaber Sergej Sobjanin von der Kremlpartei Geeintes Russland eine weitere Amtszeit sichern.
Laut Oleksandr Demchenko, Berater von Come Back Alive, einer ukrainischen Non-Profit-Organisation, die auch eng mit dem Militär zusammenarbeitet, „führt Russland diese Scheinwahlen durch, um sein Regierungssystem (in diesen Bereichen) zu normalisieren.“ „Moskau versucht, die Kontrolle über die lokale Bevölkerung zu erhöhen und loyale und illoyale Menschen zu identifizieren“, sagte er.
Regionalwahlen in Russland: Beobachter warnen schon vorab vor Wahlbetrug
Erstmeldung vom 09. September, 12.55 Uhr: Moskau – Bei den bis Sonntag (10. September) angesetzten Regionalwahlen in Russland haben unabhängige Beobachterinnen und Beobachter schon jetzt vielerorts Verstöße und Betrug gemeldet. So berichtete etwa die Organisation Golos (deutsch: „Stimme“) am Samstag (9. September) auf Telegram von Druck, der auf Wähler ausgeübt werde, und davon, dass man teils keinen Zugang zu Wählerverzeichnissen erhielten.
Die Organisation ist seit Jahren vom Kreml als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt und dem russischen Machtapparat ein Dorn im Auge. Erst vor wenigen Wochen wurde ihr Co-Vorsitzender Grigori Melkonjanz festgenommen.
Unfreie Wahlen in Russland: Auch in annektierten Teilen der Ukraine soll gewählt werden
Auch unabhängige russische Medien wie das Portal Medusa berichteten von Verstößen bei den Wahlen, durch die in 22 Gebieten Gouverneure und in 16 die Regionalparlamente neu bestimmt werden sollen. So sollen etwa bei der Bürgermeisterwahl in Moskau Mitglieder der Wahlkommission Stimmzettel ausgetauscht haben. Aus der Stadt Bratsk in Sibirien gab es Berichte über gekaufte Stimmen. In Südrussland sollen Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter eingeschüchtert worden sein, indem ihnen Vorladungen zu Wehrkreisersatzämtern ausgehändigt worden seien.

Darüber hinaus hat der Kreml anderthalb Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs hat der Kreml zudem in vier annektierten ukrainischen Gebieten – Saporischschja, Donezk, Luhansk und Cherson – Scheinwahlen angesetzt. Die Ergebnisse dieser von der Besatzungsmacht organisierten Urnengänge werden international allerdings nicht anerkannt.
Angesichts massiver Repressionen gegen Oppositionelle in Russland bezeichnen unabhängige Fachleute die Abstimmungen als die „unfreiesten“ Wahlen seit Beginn der Herrschaft von Präsident Wladimir Putin vor rund 24 Jahren. (nak/dpa)