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Umbau der deutschen Rüstungsexportpolitik: Wir brauchen mehr Mut

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Wenn autoritäre Länder wie Saudi-Arabien mit einem deutschen Besucher wie Sigmar Gabriel (damals im März 2015 noch Wirtschaftsminister) Waffengeschäfte machen wollen, heißt es Vorsicht.
Wenn autoritäre Länder wie Saudi-Arabien mit einem deutschen Besucher wie Sigmar Gabriel (damals im März 2015 noch Wirtschaftsminister) Waffengeschäfte machen wollen, heißt es Vorsicht. © Bernd von Jutrczenka (dpa)

Jan Grebe von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik fordert eine klare Positionierung der deutschen Rüstungsexportpolitik. Die Partner bräuchten einerseits Verlässlichkeit, andererseits müssten aber Restriktionen gegenüber autoritären Ländern aufrechterhalten werden.

Die Kardinaltugend des Politischen ist der Mut, schrieb einst Hannah Arendt, die berühmte US-amerikanische Politikwissenschaftlerin. Sie spricht vom Mut zum Handeln. Genau dieses Mutes bedarf es in der Politik, da es hier nie um das eigene Leben allein, sondern stets um die Welt geht, wie es Hannah Arendt formulierte. Das zeigt sich auch jüngst wieder in der Debatte um deutsche Rüstungsexporte. Hier braucht es dringend einen mutigen Neustart, um eine strategische Rüstungsexportpolitik zu entwickeln.

Es ist an der Zeit, den Flickenteppich der Exportkontrolle neu zu ordnen und ihn auf die Zukunft auszurichten. Dabei geht es um nicht weniger als eine kohärente Politik, die von außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Interessen angeleitet wird. Es ist wahrlich eine schwierige Aufgabe, ein System zu verändern, das durch die Abwesenheit einer klarer politischen Strategie geprägt ist und über Jahrzehnte im Stillen funktioniert hat.

Angesichts der Diskussion um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, in die Türkei oder nach Russland geht es um mehr als nur ein Herumschustern an Regeln, Vorschriften oder Verwaltungsprozessen. Es geht um den Umbau des Systems, was unbequeme Erkenntnisse und eine Veränderung der bisherigen Praxis mit sich bringen wird.

Es gilt, den bisher oft dominierenden kommerziellen Charakter von Rüstungsgeschäften aufzugeben und neue politische Maßstäbe zu definieren, die handlungsleitend sind. Deutschland braucht eine tragfähige strategische Rüstungsexportpolitik. Keine Politik, die ausschließlich aus Verboten besteht, sondern eine Politik, die basierend auf einer Strategie Exportentscheidungen trifft und diese klar öffentlich begründet. Das erzeugt Verlässlichkeit, und die ist wiederum ist auch für unsere Partner wichtig, in einem Europa, in dem verstärkt Rüstungsgüter grenzübergreifend gefertigt werden.

Im Interesse des Landes

Doch auch hierfür braucht es Mut, denn es wäre der falsche Weg, sich dem wirtschaftlichen Druck der Industrie zu ergeben und die restriktive Haltung gegenüber Exporten aufzugeben. Die gegenwärtigen Kriterien, die etwa ein Export in Konfliktgebiete oder Regime, die Menschenrechte verletzen ausschließen, sind auch weiterhin sinnvoll und sollten handlungsleitend sein. Eine strategisch ausgerichtete Rüstungsexportpolitik heißt aber auch, dass es in Zukunft deutlich werden kann, dass die Lieferung von Rüstungsgütern an bestimmte Staaten durchaus im Interesse Deutschlands liegt.

Die Waffenlieferungen an die Peschmerga seit 2014 sind ein Beleg dafür. Umgekehrt heißt dies aber auch, dass die Politik selbstbewusst gegenüber der Öffentlichkeit und der Wirtschaft sagt, „in diese Länder liefern wir nicht“ oder „aufgrund der politischen Lage widerrufen wir die Exportgenehmigung.“

Wir brauchen die Diskussion über eine strategische Rüstungsexportpolitik, die bisherige Vorschriften und Normen aufgreift und sie in eine sicherheitspolitische Gesamtkonzeption gießt. Ein Rüstungsexportgesetz, das bestehende Gesetze und politische Richtlinien vereint, ist ein Baustein davon, da es den Rahmen für zukünftige Entscheidungen bieten kann. Vielmehr braucht es aber ein Verständnis über die außen- und sicherheitspolitische Begründung von Rüstungsexporten. Dieses kann sich nicht im stillen Kämmerlein entwickeln. Die Betrachtung der örtlichen Umstände in einzelnen Ländern, ihren Nachbarn und ganzen Regionen ist ebenso wichtig wie die langfristige Risikoabschätzung.

Dazu gehört auch Ehrlichkeit darüber, dass Rüstungsexporte kein Instrument zum Erhalt der eigenen wehrtechnischen Industrie sein können. Ohne Frage ist eine gut aufgestellte Industrie ein Interesse Deutschlands. Sich hier aber von Abnehmern aus dem Ausland abhängig zu machen ist nicht klug. Waffengeschäfte können der Bundesregierung aber auch langfristige Kooperationsmöglichkeiten mit den Empfängerländern sichern und diese Staaten an Deutschland binden. Dies ist durchaus im sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands. Diesem Interesse zuwider liefe es hingegen, Waffen an autoritäre Staaten oder in Konfliktregionen zu exportieren. Befürworter blenden hier die Fragen aus, was mit den Waffen im Empfängerland passiert oder welche Auswirkungen diese auf Konflikte und Menschenrechte haben können. Eine friedliche Welt und die Einhaltung der Menschenrechte sind auch deutsche Interessen. Dies bedeutet wiederum, dass bei der Ausbildung von Sicherheitskräften etwa in Afrika den lokalen Partnern unter Umständen auch durch die Bereitstellung von Waffen unter die Arme gegriffen werden muss. So etwas darf kein Automatismus sein, denn das wäre viel zu gefährlich. Es ist aber eine Option, die nicht von Beginn an ausgeschlossen werden darf.

Verlässlicher Rahmen

Eine Rüstungsexportstrategie muss darauf zielen, diese Ambivalenzen möglichst aufzulösen. Es braucht einen verlässlichen Rahmen, der allerdings niemals statisch sein kann. Aus dieser gestärkten Position heraus könnte Deutschland mutiger für eine Europäisierung der Rüstungsexportkontrolle eintreten und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik stärken. Dies hilft Deutschland und Europa in der Welt.

Dr. Jan Grebe ist Politikwissenschaftler und hat an der RWTH Aachen promoviert. Er ist Studienreferent für Entwicklungspolitik an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Der Autor gibt ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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