Aiwanger-Affäre: Bayern-Vize entschuldigt sich erst in Statement – und attackiert dann in Interview
Die Vorwürfe um ein antisemitisches Flugblatt sorgen in Bayern für Wirbel. Aiwanger bittet um Entschuldigung – einen Rücktritt lehnt er aber ab. Der News-Ticker.
- Stellungnahme zu Vorwürfen: Hubert Aiwanger entschuldigt sich bei NS-Opfern
- Flugblatt-Affäre vor der Bayern-Wahl: Ehemalige Schule von Hubert Aiwanger hat keine Unterlagen mehr
- Affäre um Aiwanger: Robert Habeck verlangt Entscheidung von Markus Söder
Dieser Newsticker ist beendet. Alle weiteren Informationen rund um Hubert Aiwanger und das Ultimatum Markus Söders finden Sie unserem aktuelle Ticker.
Update vom 1. September, 6.15 Uhr: Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat Hubert Aiwanger (für seinen Umgang mit den Vorwürfen wegen eines antisemitischen Flugblattes scharf kritisiert. „Die Bemühungen in Schulen und Gedenkstätten, gerade jüngeren Menschen einen kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu vermitteln, werden durch das Verhalten von Herrn Aiwanger torpediert“, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag, 1. September). Damit schade er der Erinnerungskultur in Deutschland.
Statement von Aiwanger geht Grünen nicht weit genug
Update vom 31. August, 23.29 Uhr: Den Grünen reicht offenbar die Entschuldigung von Aiwanger nicht. Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte auf einem Volksfest in Nürnberg, Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht auf eine Landesregierung mit Anstand. Dazu gehöre, „dass man sich ehrlich entschuldigt, dass man alle Informationen auf den Tisch legt und dass dann auch Konsequenzen daraus gezogen werden“. Das vermisse sie bisher – „beim stellvertretenden Ministerpräsidenten, aber ehrlicherweise auch beim Ministerpräsidenten“, sagte Lang laut der Welt mit Blick auf Aiwanger und Regierungschef Markus Söder.
Update vom 31. August, 17.56 Uhr: Mittlerweile hat sich Aiwanger nach seinem Statement in einem Interview geäußert. Er richtete schwere Vorwürfe gegen die Süddeutsche Zeitung: „Ich bin überzeugt davon, dass die ‚SZ‘, womöglich mithilfe anderer Kreise, von langer Hand geplant hatte, mich massiv zu beschädigen und politisch zu vernichten. Damit sollten die Freien Wähler geschwächt und Stimmen auf andere Parteien gesteuert werden“, so Aiwanger im Welt-Interview.
In Aiwangers Wahrnehmung hätte die Zeitung von Anfang an ihn im Visier gehabt. „Das war stümperhaft und eine bodenlose Gemeinheit. Hätten sie früher gewusst, dass es mein Bruder war, hätten sie die Kampagne wohl gar nicht erst gestartet.“
Update vom 31. August, 17.15 Uhr: Inzwischen hat auch SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn einen Rücktritt von Hubert Aiwanger gefordert. „Der Schaden für das Ansehen unseres Freistaats und den Wirtschaftsstandort Bayern ist bereits jetzt sehr groß. Jeder weitere Tag macht das nur schlimmer. Deswegen werden wir in der Sondersitzung des Bayerischen Landtags am 7. September die Entlassung von Hubert Aiwanger beantragen“, sagte er im Gespräch mit merkur.de.
Stellungnahme von Aiwanger: Bei kurzer Rede bittet er heute um Entschuldigung
Update vom 31. August, 16.30 Uhr: Kein Rücktritt, dafür aber eine Zurückweisung der Vorwürfe: „Ich soll politisch und persönlich fertig gemacht werden“, sagt Hubert Aiwanger in einem kurzen und knappen Statement.
Nur wenige Minuten dauerte die Stellungnahme von Hubert Aiwanger im Flugblatt-Skandal – Fragen der Journalisten waren nicht zugelassen. Aiwanger sprach von „zahlreichen Vorwürfen“ in den letzten Tagen, wegen eines „abscheulichen Pamphlets, das vor 36 Jahren in meiner Schultasche“ gefunden worden sei. Dieses lege nahe, dass er ein Menschenfeind gewesen sei. Er „bereue zutiefst, falls ich Gefühle verletzt habe“. Zudem entschuldigt er sich bei den Opfern des NS-Regimes.
Aiwanger spricht dann Klartext: „Die Vorwürfe liegen 36 Jahre zurück: Ich habe das Pamphlet nicht verfasst, distanziere mich vom Inhalt. Ich war nie ein Antisemit, ich war nie ein Menschenfeind. Ich kann mich nicht erinnern einen Hitlergruß gezeigt zu haben, Hitler-Reden vor dem Spiegel einstudiert zu haben.“ Auch an antisemitische Witze könne er sich nicht erinnern.

Allerdings wehrt sich der Politiker gegen die aktuellen Vorwürfe und die Masse und Vehemenz, mit der diese vorgetragen werden: Sein Eindruck: „Ich soll politisch und persönlich fertig gemacht werden“. Es sei „ein negatives Bild gezeichnet worden“. Aiwanger stellt klar: „Das bin nicht ich.“
Update vom 31. August, 16.30 Uhr: Die Pressekonferenz beginnt.
Aiwanger kündigt Statement auf Pressekonferenz an
Update vom 31. August, 15.57 Uhr: Neue Rechtfertigung oder gar Rücktritt? Auf jeden Fall will sich Hubert Aiwanger noch einmal zu den aktuellen Vorwürfen gegen ihn erklären. Aiwangers Ministerium lud überraschend für Donnerstagnachmittag um 16.30 Uhr zu einem Statement ein. Zuvor hatte der Chef der Freien Wähler am Vormittag seine geplanten Termine abgesagt.
Flugblatt-Affäre: Aiwanger beschwerte sich bereits 2008 bei Seehofer
Update vom 31. August, 14.52 Uhr: Jetzt gerät auch die CSU verstärkt ins Visier der Affäre-Aiwanger. Demnach soll sich der Chef der Freien Wähler bereits 2008 beim damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer über mögliche Ausforschung seiner Vergangenheit beschwert haben, wie der Spiegel berichtet. Zuvor soll ein CSU-Mitarbeiter und ehemaliger Mitschüler von Hubert Aiwanger bei einem Klassentreffen am Burkhart-Gymnasiums in Mallersdorf-Pfaffenberg gesagt haben, dass man den Politiker mit seinen politischen Inhalten aus der Schulzeit „fertig machen müsste“. Nach einer Unterredung mit Seehofer erhielt Aiwanger dem Bericht zufolge wenige Tage später eine Stellungnahme, dass die CSU in keinster Weise in der Vergangenheit herumschnüffeln würde.
An den genauen Gesprächsinhalt mit Aiwanger kann sich Seehofer eigenen Angaben zufolge heute aber nicht mehr erinnern. Zuvor war bekannt geworden, dass Aiwanger im selben Jahr auch schon wegen des Vorgangs bei seinen Lehrern nachgehakt hatte.
Landtag plant Sondersitzung zum Fall Aiwanger
Update vom 31. August, 14.28 Uhr: Im bayerischen Landtag wird es am 7. September eine Sondersitzung zur Flugblatt-Affäre geben. Landtagspräsidentin Ilse Aigner werde auf Antrag von Grünen, SPD und FDP den sogenannten Zwischenausschuss einberufen, teilte der Landtag jetzt mit.
Dieses Gremium kann nach der letzten Plenarsitzung vor einer Landtagswahl dringliche Angelegenheiten behandeln. Nur ein Teil der Landtagsabgeordneten ist Mitglied im Zwischenausschuss – aktuell sind es genau 51.
Flugblatt-Affäre: Auschwitz-Komitee sieht keine echte Entschuldigung Aiwangers
Update vom 31. August, 14.10 Uhr: Der geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sieht in der Flugblatt-Affäre bisher kein „authentisches Wort der Entschuldigung“ von Hubert Aiwanger gegenüber den Opfern des Holocaust und den Überlebenden von Auschwitz.
„Wenn jetzt Hubert Aiwanger auch noch zum Opfer erklärt und mit dem Begriff ‚Schmutzkampagne‘ die bevorstehende Landtagswahl von den Freien Wählern in Bayern als Abstimmung über die Flugblatt-Affäre missbraucht wird, mutet dies nur noch zynisch und unverschämt an“, sagte Heubner im polnischen Oswiecim weiter.

Aiwanger-Affäre: Schule hat keine Unterlagen mehr
Update vom 31. August, 12.05 Uhr: Aiwangers ehemalige Schule hat keine Unterlagen zum Flugblatt-Vorfall mehr. Am früheren Gymnasium von Bayerns Vize-Ministerpräsident gibt es keine Akten dazu mehr. Das teilte ein Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. Ebenso verhielte es sich an der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Niederbayern. Weitere Prüfungen müssten gegebenenfalls noch abgewartet werden. „Das Staatsministerium steht mit der Schule in Kontakt“, heißt es vom Ministerium.
SPD fordert sofortigen Rücktritt Aiwangers
Update vom 31. August, 11.35 Uhr: In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hat die SPD den sofortigen Rücktritt Aiwangers gefordert. „Das, was täglich Stück für Stück das Licht der Welt erblickt, ist eine Geisteshaltung, die nur noch eine Konsequenz haben kann: Rücktritt“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der Rheinischen Post.
Merz zur Flugblatt-Affäre: „Höchst unappetitliche Geschichte“
Update vom 31. August, 11.15 Uhr: Auch Friedrich Merz hat in der Flugblatt-Affäre um Aiwanger vollständige Aufklärung gefordert. „Das ist eine höchst unappetitliche Geschichte“, sagte der CDU-Chef den Funke-Zeitungen. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass 17- oder 18-jährige Schüler noch in den 80er Jahren so etwas schreiben. Das muss nun wirklich vollständig aufgeklärt werden.“
Erstmeldung: München – Die Flugblatt-Affäre ist vor der Bayern-Wahl zuallererst ein Problem für die Regierung im Freistaat. Der große Koalitionspartner CSU will 25 Fragen an Hubert Aiwanger „zeitnah“ (Zitat Markus Söder) beantwortet wissen. Bundesweit schlagen die Vorwürfe gegen den Chef der Freien Wähler (FW) aber auch Wellen. Mehrere Porträts über den bayerischen Vize.-Ministerpräsidenten erschienen nun in überregionalen Medien.
In den Texten forschte man nach den Antisemitismus-Vorwürfen vor allem nach Aiwangers Wesen. „Die Partei, das ist vor allem er“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Und jetzt viel Spaß mit dem Hubert“ überschrieb die Zeit ihr Aiwanger-Porträt. Die Meinungsstücke zum Fall Aiwanger lassen sich kaum zählen – aus dem Ausland gab es vereinzelt auch welche.
Söder würde mit den Grünen regieren – glaubt eine ungarische Zeitung
So etwa aus Ungarn von Magyar Nemzet, einer Tagesszeitung, die der Regierung von Viktor Orban nahesteht. „Söder, dem begnadeten Wendehals, käme es gut gelegen, wenn sein gegenwärtiger Koalitionspartner über diesen künstlich aufgeblasenen Skandal stürzte“, urteilte sie.
„Aiwangers starker Charakter und sein Redetalent gefallen Söder nicht“, befand sie weiter und glaubte: „Viel lieber möchte sich Söder mit der Grünen-Chefin Katharina Schulze zusammentun, die er für schwach hält und die in einem lächerlichen TikTok-Video tanzend herumsprang. Mit ihr würde er leichter regieren können als mit dem charakterfesten, widerspenstigen Bayern Aiwanger.“
Flugblatt-Affäre: Habeck verlangt von Söder Entscheidung
Allerdings hat sich Markus Söder in der Vergangenheit stets klar gegen eine Koalition mit den Grünen gesträubt. Der grüne Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Söder unterdessen aufgefordert, mit Blick auf eine weitere Zusammenarbeit mit Aiwanger Stellung zu beziehen: Bayerns Ministerpräsident müssen entscheiden, „ob er Regierungschef einer staatstragenden in der Mitte stehenden Partei sein will, oder ob er jemanden im Kabinett haben will, der zum rechten Populismus hin offen ist“, sagte Habeck der Augsburger Allgemeinen. „Das ist eine Frage der politischen Haltung, nicht der politischen Taktik“, fügte er hinzu.
Aiwanger will während Flugblatt-Affäre Termin in Bierzelt wahrnehmen
Aiwanger steht in der Kritik, seit die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte, dass er in seiner Schulzeit in den 80er Jahren ein antisemitisches Flugblatt verfasst und verteilt hatte. Exemplare sollen in seinem Schulranzen gefunden worden sein. Aiwanger erklärte am Wochenende, nicht dessen Urheber gewesen zu sein. Parallel übernahm Aiwangers Bruder Helmut dafür die Verantwortung.
Nach einem vielbeachteten Aiwanger-Tweet vom Mittwoch ist für Donnerstag für den FW-Chef ein weiterer öffentlicher Termin angesetzt: eine Rede bei Eröffnung des Festzelts in Aschau im Chiemgau. Nach Informationen der Bild soll Aiwanger allerdings mehrere Termine für den Donnerstagvormittag abgesagt haben. (mit Nachrichtenagenturenmaterial)