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Wahl-Debakel: „AfD hat die Rolle der Linken übernommen“ - Gysi warnte im Wahlkampf

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„Müssen auch eine neue Identität finden“ - Gregor Gysi sagte im Wahlkampf in Dresden die Probleme der Linke voraus. © dpa / Sebastian Kahnert

Die AfD hat am Wahlsonntag die etablierten Parteien schockiert - am härtesten getroffen hat sie aber wohl die Linke. Experten ziehen ein für die Partei bitteres Fazit.

Dresden - In der Rückschau klingt es so, als hätte Gregor Gysi das Dilemma geahnt. Beim Wahlkampf-Finale in Dresden - von Parteichefin Katja Kipping als „Stimme des Ostens“ angekündigt - sprach der 71-Jährige auch über das Imageproblem der „etablierten Politik“: „Das ist ein bisschen unser Problem, weil wir schon lange dabei sind“, sagte Gysi. Die Linke sei im Osten immer als Protestpartei wahrgenommen worden. Aber wenn man in Berlin und Brandenburg mitregiere und in Thüringen den Ministerpräsidenten stelle, dann sei es relativ schwer, diesen Ruf aufrechtzuerhalten. „Also, ein Stückchen müssen wir auch eine neue Identität finden“, schlussfolgerte Gysi.

Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ist das für die Linken dringender denn je. In Brandenburg landete sie bei 10,7 Prozent der Stimmen, rutschte im Vergleich zur vorherigen Wahl um 7,9 Punkte ab. In Sachsen kamen die Genossen auf 10,4 Prozent, 8,5 Prozentpunkte weniger als 2014 und nur wenig mehr als bei der Wahl 1990. „Ergebnis extrem enttäuschend - aber Die Linke wird weiter gebraucht“, überschrieb die sächsische Parteichefin Antje Feiks ihr Statement am Wahlabend.

Wahlen in Sachsen und Brandenburg: „AfD hat die Rolle der Linken übernommen“

„Die AfD hat die Rolle der Linken als Protestpartei übernommen“, ist sich der Parteienforscher Tom Thieme sicher. Sein Kollege Hans Vorländer sagt: „Die Linke hat verloren, weil sie das Image einer etablierten Partei besitzt, und weil die AfD ihr den Schneid als vermeintliche Vertreterin ostdeutscher Interessen abgekauft hat.“ Parteienforscher Jürgen W. Falter sieht die AfD als neue „Regionalpartei Ost“. Die AfD ziehe die Proteststimmen auf sich und habe die unzufriedenen Wähler für sich gewonnen, sagte Falter der Passauer Neue Presse.

Dabei unterscheiden sich die Optionen für die Linken in Brandenburg und Sachsen gravierend. In Potsdam könnten sie als Teil einer rot-grün-roten Koalition wieder mitregieren. Allerdings ist noch offen, ob die Linke das auch will. „Das ist eine Diskussion, die wir jetzt in den Gremien dieser Woche in aller Intensität führen“, sagt Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg. „Wir können beides. Wir können regieren, wir können auch Oppositionsarbeit machen.“ Das Wahlergebnis - nur noch 10,7 Prozent - ordnet sich für ihn in eine schon länger andauernde gesellschaftliche Entwicklung ein.

Wahlen in Sachsen und Brandenburg: Linke schrumpft in Dresden wohl zur kleinsten Oppositionspartei

In Sachsen hatten die Linken seit 1990 noch nie Gelegenheit zum Mitregieren. Sollte hier eine sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen Realität werden, würden die Linken als langjähriger Oppositionsführer gar zur kleinsten Oppositionspartei schrumpfen. Im neuen Landtag stellte sie nur noch 14 Abgeordnete, die AfD kommt auf 38.

Hendrik Träger, Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig, sieht das schwache Abschneiden der sächsischen Linken im Kontext der fehlenden Machtoption. Für Rot-Rot-Grün gebe es im Freistaat einfach keine Mehrheit. „Insofern fehlte das mobilisierende Moment im Wahlkampf, weil die Linke als Oppositionspartei ohne reale Machtoption schlecht erklären konnte, wie sie ihre politischen Positionen umsetzen will“, sagt Träger. Allerdings: Die Ausgangslage der bei der Wahl erfolgreichen AfD war in dieser Hinsicht nicht viel anders.

Nach Wahl-Pleiten in Sachsen und Brandenburg: Forscher sieht Zukunft für Linke - aber nur als Nischenpartei

„Ich bin überzeugt: Unsere Zeit wird wieder kommen, die soziale Lage in unserem Land erfordert das“, sagt die sächsische Parteichefin Feiks und erinnert an wachsende Ungleichheit, nicht nur zwischen Arm und Reich, sondern auch zwischen Stadt und Land.

Parteienforscher Thieme attestiert den Linken, sich 30 Jahre nach der friedlichen Revolution strukturell und inhaltlich grundlegend gewandelt zu haben: „Aus der Partei als Sammelbecken der alten Regimeelite und der Wendeverlierer ist eine eher junge linksalternative Partei geworden.“ Deshalb werde die Linke auch nicht aussterben. Thieme sieht ihre Rolle aber eher als Nischenpartei links von den Grünen und der SPD.

Auch interessant: AfD im Dauerhöhenflug: Warum der Osten so anders wählt - eine Analyse. Wie das „ehrliche Wahlergebnis“ der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg ausfällt, das erfahren Sie in diesem Artikel.

dpa/fn

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