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Zwischen den Stühlen

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Von: Cornelie Barthelme

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Gemeinsamer Wahlkampf: Horst Seehofer und Julia Klöckner.
Gemeinsamer Wahlkampf: Horst Seehofer und Julia Klöckner. © Uwe Anspach (dpa)

Julia Klöckner will in die Mainzer Staatskanzlei. Auf dem Weg dahin mag sie sich nicht zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer entscheiden.

Das hier ist schwarzes Land, definitiv. Wer in Oggersheim in die Festhalle kommt, kehrt zurück in eine glorreiche Zeit der CDU. Helmut Kohl wohnt „gleich ums Eck“, erzählt die Taxifahrerin in dem singenden Ton, der zur Pfalz gehört wie der Saumagen und die Grumbeersupp’. „Da steht auch immer noch ein Polizeiwagen vorm Haus.“ Wenn hier die mögliche Nach-Nach-Nachfolgerin Wahlkampf macht, dann telefoniert der Kreisvorsitzende vorher mit Frau Richter-Kohl und richtet anschließend herzliche Grüße aus vom Altkanzler. Und der Applaus in der Festhalle ist dann beinahe so stark wie zuvor für den aktuell Längsten unter denen, die in der Union gerne die Größten sein wollen.

Riskante Nummer

„Heidewitzka, Herr Kapitän!“ schmettert die örtliche Kolpingkapelle Horst Seehofer und Julia Klöckner entgegen, und auch wenn das Lied aus dem Kölner Karneval nicht ganz an den Defiliermarsch herankommt, den sie in Bayern blasen, wenn der Ministerpräsident auf Besuch ist: Die Stimmung in Oggersheim ist mehr als ordentlich, und eventuell ist es eine brillante Idee, die fesche Julia und den selbstgefälligen Horst zusammenzuspannen für diesen Abend. Ganz sicher ist die Nummer riskant.

Falls nicht gelingt, was monatelang hochwahrscheinlich schien, falls also Julia Klöckner nicht die nächste Ministerpräsidentin in Mainz werden wird nach der Landtagswahl am 13. März: Dann werden ein paar sagen, Horst Seehofer sei schuld. Und viele, Angela Merkel. Einigen allerdings werden sie sich darauf, dass ohne die Flüchtlinge alles gut geworden wäre. Für die CDU.

Zwei Wochen vor dem Wahlsonntag sacken die Umfrage-Werte durch. Es reicht nicht für Schwarz-Gelb, nicht für Schwarz-Grün, eine sichere Mehrheit hätten allein Schwarz und Rot miteinander. Die Klöckner-CDU und die SPD der regierenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer trennen zwei bis vier Umfrage-Prozentpunkte; Anfang November waren es noch elf, ab da ging es bergab. Aber wichtiger als die Frage nach der Schuld ist jetzt eine andere. Was können sie tun?

Exakt drei Wochen vor dem Wahlsonntag hat die „Bild am Sonntag“ ein Doppelinterview mit Klöckner und Guido Wolf gedruckt, dem Parteifreund, der so wie sie der SPD nebenan in Baden-Württemberg den Grünen die Macht entreißen will.

Es ging um die Flüchtlinge, und Klöckners und Wolfs Idee ist, dass man täglich neu regeln solle, wie viele nach Deutschland hineindürfen; alle anderen müssten an der Grenze warten. „Ein Vorschlag“, sagt Klöckner, „dessen Punkte Angela Merkel vorher alle schon gutgeheißen hat.“

Das politische Berlin sieht das anders. Die Medien auch. „Völlig unverständlich“, heißt es nun aus dem Klöckner-Umfeld, „diese Panik-und-nackte-Verzweiflungs-Kommentierung“. Für so viel demonstrative Verwunderung muss man schon ignorieren, dass der Baden-Württemberger und Kanzlerin-Vertraute Volker Kauder seinen eigenen Spitzenkandidaten und dessen Nachbarin fernsehöffentlich erzürnt beschied, „jeden Tag neue Vorschläge führt nicht zum Ziel“.

Was aber dann? Und was ist mit den Ziel-Kollisionen? Merkel will nicht, was Seehofer will, Seehofer nicht, was sie – und dazwischen klemmt Klöckner und will vor allem anderen den Ministerpräsidentinnen-Job.

Es hätte ein Wahlkampf werden können wie keiner zuvor. Das erste Frauen-Duell. Allein das hätte gereicht, um die Republik auf Rheinland-Pfalz starren zu lassen. Und der Rest wäre Streit um Bildung, Infrastruktur, Arbeitsplätze gewesen.

Selbstlob und Attacken

Stattdessen sitzt Klöckner jetzt in der Oggersheimer Festhalle und muss sich überlegen, welchem Satz Seehofers sie wie stark applaudiert. Die ganze Rede eine Mischung aus Arroganz und Zündelei, aus Selbstlob und Attacken gegen die Kanzlerin – und das Publikum ist begeistert. Es dürfe nicht sein, ruft Seehofer, dass Polizisten sich nicht mehr in das Düsseldorfer Maghreb-Viertel trauten. „Das wäre nicht mehr mein Land!“ – und der Beifall brandet auf, und hinein mischt sich „Bravo!“.

Und da ist es schon egal, dass Oberbilk, wie der Stadtteil eigentlich heißt, nie eine No-Go-Area war und weit weg in Nordrhein-Westfalen liegt. Für die Oggersheimer zählt, dass Seehofer ruft „Deutschland muss Deutschland bleiben!“. Und für Seehofer, wie er sich den Angela-Merkel-Satz, dass Deutschland Flüchtlingen ein freundliches Gesicht zeigen will, aneignet und seine Botschaft verkehrt.

Und was zählt für Klöckner? Und vor allem: Was zahlt sich aus für sie?

Später am Abend, in Mutterstadt, keine zehn Auto-Minuten entfernt, sagt Bürgermeister Hans-Dieter Schneider, „das ist nicht seriös, wenn sich Landespolitiker stark machen für Dinge, die sie eigentlich gar nichts angehen“. Gleich wird Schneiders Genossin Malu Dreyer reden.

Der Saal im protestantischen Gemeindehaus ist so voll wie am Nachmittag der in Bad Waldsee, wo der Versicherungsmakler Karlheinz Gutfleisch der vielleicht kommenden Ministerpräsidentin Klöckner erzählt, wie er in Mannheim „plötzlich und unerwartet von einem Ausländer niedergeschlagen“ wurde und wie ihm die Polizei später gesagt habe, sie seien zu wenige, um derlei zu verhindern oder wenigstens erfolgversprechend zu verfolgen.

„Wenn die uns brauche, dann solle die zu uns komme, klar, CDU, christlich...“, sagt Gutfleisch, und das Sanfte im Pfälzisch nimmt dem, was noch kommt, vielleicht mehr Schärfe als ihm lieb ist, „aber wir brauche auch Sicherheit“. Die abends in Mutterstadt würden die CDU weglassen, natürlich – aber sonst jedes Wort unterschreiben.

Malu Dreyers Frage

Was ist das für ein Wahlkampf? Ist ja nicht so, dass die landeseigenen Aufreger fehlten. Rechtschreibung nach Gehör, Landesfamiliengeld, marode Brücken... Aber wenn Malu Dreyer in Mutterstadt sagt, „am 13. März entscheiden wir über eine einzige Frage: Wer regiert künftig?“ – dann meint sie Mainz. Und in Wahrheit geht es auch um Berlin.

Muss Dreyer die Staatskanzlei verlassen – wird die SPD Sigmar Gabriel die Hölle heiß machen. Zieht Klöckner nicht ein – die CDU der Kanzlerin.

In Oggersheim, zwei Wochen vor der Entscheidung, sagt Horst Seehofer, und grinst dazu, „dass nichts angezündet wurde“. Erst Julia Klöckner ins Ohr und dann, damit auch jeder seine letzte Stichelei an diesem Abend hört und sieht, in die Kameras. „Bitte der Kanzlerin mitteilen.“ „Wir haben das ordentlich gemacht“, lacht Klöckner.

Die Frage ist, ob das genügt.

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