Warnblinker auf der Autobahn: Ist das Einschalten am Stauende wirklich Pflicht?
Um auf der Autobahn andere Verkehrsteilnehmer vor einem Stauende zu warnen, schalten viele Autofahrer den Warnblinker ein. Ist das eigentlich Pflicht?
Es ist eine Situation, wie sie wohl schon die meisten Autofahrer erlebt haben dürften: Hinter einer Kurve oder einer Kuppe staut sich der Verkehr, weil sich, beispielsweise durch einen Reifenplatzer bei voller Fahrt, ein Unfall ereignet hat – man muss überraschend bremsen. Um den folgenden Verkehr zu warnen, schalten viele Autofahrer deshalb in so einer Situation den Warnblinker ein. Gerade wenn mehrere vorausfahrende Fahrzeuge gleichzeitig den Warnblinker anhaben, ist das für den nachfolgenden Verkehr ein deutliches Signal. Nur: Ist es eigentlich Vorschrift, den Warnblinker am Stauende einzuschalten?
Schwerer Unfall am Stauende: Hätte er mit Warnblinker verhindert werden können?
Das Landgericht Hagen hat sich genau mit dieser Frage beschäftigt – und ein Urteil (Az.: 1 O 44/22) gefällt. Folgendes war passiert: Ein Mann war auf der Autobahn mit seinem Lada mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf einen Lkw aufgefahren. Bei dem Unfall im Jahr 2019 wurde der Lada-Fahrer sehr schwer verletzt und lag anschließend im Koma. Auch nach mehreren Operationen erholte sich der Verunfallte nicht mehr vollständig, er wurde pflegebedürftig. In dem Gerichtsprozess ging es um die Übernahme der Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung (insgesamt rund 170.000 Euro).

„Eine kontinuierliche und gemächliche Reduzierung der Geschwindigkeit“ – laut Urteil kein Warnblinker nötig
Die Warnblinkanlage hatte der Lkw-Fahrer vor dem Unfall nicht eingeschaltet. Es ging nun darum, ob er dies hätte tun müssen – doch die Klage wurde abgewiesen. Laut Urteil hatte der Lkw-Fahrer vor dem Unfall von „nur“ 62 km/h innerhalb von 29 Sekunden auf 11 km/h heruntergebremst – bei erlaubten 100 km/h. Deshalb könne keine Rede von einer „abrupten und nicht vorhersehbaren Staubildung“ sein. Der Fahrtenschreiber zeige vielmehr „eine kontinuierliche und gemächliche Reduzierung der Geschwindigkeit“ des Lkw.
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Landgericht Hagen: Warnblinker am Stauende nur in Gefährdungslagen verpflichtend
Das Gericht ging von einem groben Verschulden des Lada-Fahrers aus. Aufgrund des Sichtfahrgebots müsse ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auch auf Autobahnen damit rechnen, seine Geschwindigkeit unter Umständen plötzlich bis hin zum Stillstand abbremsen zu müssen. Komme es, wie auf viel befahrenen Strecken häufig, regelmäßig aus dem stockenden bis zähfließenden Verkehr heraus zu einem Stau oder – wie in diesem Fall – zu einem Rückstau an einer Autobahnausfahrt, so sei in der Regel keine besondere Warnung nötig.
Es bestehe laut dem Landgericht also keine generelle Verpflichtung, am Ende eines Staus die Warnblinkanlage einzuschalten – dies sei nur dann nötig, wenn die Situation eine Gefährdungslage für den nachfolgenden Verkehr ergäbe. Eine Warnung könne demzufolge dort angebracht sein, wo das Stauende nicht gut zu erkennen sei – etwa hinter einer Kurve oder Kuppe – und wo mit hohen Geschwindigkeitsunterschieden zu rechnen sei.