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Von „Game of Thrones“ bis Kochbuch: Warum einige Bücher in US-Gefängnissen verboten sind

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Allein im US-Bundesstaat Florida stehen in Gefängnissen fast 23.000 Bücher auf dem Index. Das ergibt der Bericht eines Literaturverbands.

Bücher unterhalten, inspirieren und lehren uns neues Wissen. Genau diese Eigenschaften machen sie offenbar so gefährlich, dass zahlreiche Werke in US-amerikanischen Gefängnissen verboten sind. Ein Bericht des Literaturverbands PEN America zeigt, dass zehntausende Bücher von der Zensur betroffen sind. Demnach stellen Gefängnisse „die größten Zensoren in den Vereinigten Staaten“ dar. Einzelne Gefängnissysteme würden „mehr Bücher zensieren als alle Schulen und Bibliotheken zusammen“. Erstellt wurde die Analyse auf Grundlage von eingesehenen Akten, Berichten von Häftlingen sowie Interviews mit Mitarbeitern der Gefängnispoststelle. Kurios sind die ausgewählten Titel, die auf der schwarzen Liste stehen: Oft mutet die Auswahl willkürlich an.

Bücherverbot in US-Gefängnissen

Drei übereinander gestapelte rote Bücher sind in Ketten gelegt
Zehntausende Bücher dürfen in US-amerikanischen Gefängnissen nicht gelesen werden. © IMAGO

Laut dem Bericht „Reading between the Bars“ (Deutsch: „Lesen hinter Gittern“) ist ausgerechnet ein Kochbuch das am häufigsten verbotene Buch in US-amerikanischen Gefängnissen. Dabei handelt es sich um den Titel „Prison Ramen: Recipes and Stories from Behind Bars“ von Clifton Collins Jr. und Gustavo Alvarez. In dem Buch wird beschrieben, wie man verschiedene Rezepte in einer Zelle zubereitet.

An zweiter Stelle steht der Beststeller „Power: Die 48 Gesetze der Macht“ von Robert Greene. Auch Sun Tzus „Die Kunst des Krieges“ wird sehr häufig verboten. Außerdem auf der Liste sind die Memoiren von Schauspielerin Amy Schumer („The Girl with the Lower Back Tattoo“). Die Behörden in Florida stuften die Autobiografie wegen der sexuellen Inhalte als „Sicherheitsbedrohung“ ein. Ohne weitere Begründung landete dagegen das Zeichenbuch „Anyone Can Draw: Create Sensational Artwork in Easy Steps“ in Florida auf dem Index. Auch ein altes Handbuch zum Knüpfen von Knoten wird den Häftlingen explizit vorenthalten.

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Sicherheitsbedenken und sexuelle Inhalte sorgen für Zensur

Doch was steckt eigentlich hinter dem weit reichenden Bücherverbot? „Das gemeinsame Konzept, das der Zensur zugrunde liegt, ist, dass bestimmte Ideen und Informationen eine Bedrohung darstellen“, zitiert die Zeitung The Guardian Moira Marquis, die Hauptautorin des Berichts und Senior Managerin in der Gefängnis- und Justizabteilung des PEN.

Der häufigste Grund für ein Verbot der Bücher seien Sicherheitsbedenken und sexuelle Inhalte. Die Gefängnisse sind demnach der Ansicht, dass Häftlinge durch die Bücher auf gefährliche „Ideen“ kommen könnten. In Michigan wurde beispielsweise ein Spanischlehrbuch als Bedrohung eingestuft, weil die Inhaftierten eine Sprache lernen könnten, die die Mitarbeiter nicht verstehen. Außerdem wurden Ausgaben des „Cosmopolitan“- und „Rolling Stone“-Magazins verboten sowie Bücher über die Wechseljahre und die menschliche Geburt. All diese Publikationen seien als „sexuell explizit“ eingestuft worden.

Etwas offensichtlicher erscheint es, Bücher auf den Index zu setzen, die sich mit sexueller Gewalt beschäftigen. Dazu zählt beispielsweise das Werk „Men Unlearning Rape“, das in Connecticuts Justizvollzugsanstalten verboten ist.

Diese Bundesstaaten sind besonders streng bei der Zensur

In den US-Bundesstaaten Florida und Texas sind besonders viele Werke verboten. Schätzungen des PEN zufolge stehen in Florida fast 23.000 Bücher auf dem Index, in Texas über 10.000. Diese beiden Staaten verbieten auch außerhalb des Strafvollzugs die meisten Bücher in öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken. Andere Staaten führen dagegen gar keine Zentralregister der verbotenen Bücher. Stattdessen wird an den Poststellen entschieden, was die Häftlinge erreichen darf und was nicht. Umso willkürlicher sei dann die Auswahl, kritisiert der Literaturverband. Bestes Beispiel: In Virginia dürfen Inhaftierte die Romane der Fantasy-Reihe „Game of Thrones“ nicht lesen. Die Verfilmung wird dagegen nicht zensiert: Alle Folgen der HBO-Serien sind auf dem Gefängnisfernseher ungeschnitten zu sehen.

PEN-Verband übt heftige Kritik an Zensur

Die Doppelstandards und vagen Kriterien werden von der PEN America heftig kritisiert. Solche Verbote würden die Vorstellung bestärken, dass Lesen an sich gefährlich sei. „Wir werden Zeuge, wie viel Zeit, Mühe und Geld aufgewendet wird, um Menschen vom Lesen abzuhalten. Diese Zensur muss aufhören“, fordert die Organisation. Moira Marquis stellt im Gespräch mit der Nachrichtenwebsite Axios fest: „Die Zensur im Gefängnis stellt jede andere Art von Zensur in unserer Kultur in den Schatten. Sie ist wirklich massiv. Sie zielt nicht nur auf bestimmte Inhalte oder Titel ab, sondern auf das Medium des geschriebenen Wortes selbst.“

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