„Abschlepper-Eltern“ können Entwicklung ihrer Kindern schaden, sagt Psychotherapeut
Werden Eltern zu Abschlepper-Müttern und -Vätern, dann tun sie ihren Kindern keinen Gefallen: Sie erziehen sie zur Unselbständigkeit.
Helikopter-Eltern sollten inzwischen vielen Menschen ein Begriff sein. Dieser Erziehungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass Mütter und Väter wie Hubschrauber um ihren Nachwuchs kreisen – immer auf der Hut, dass dem Kind ja nichts passiert, selbst wenn gar keine konkrete Gefahr besteht. Meist steckt Angst dahinter, dem Kind könnte etwas zustoßen oder es könnte in der harten Gesellschaft nicht bestehen. Experten sind sich jedoch einig, dass diese Erziehung Kindern eher schadet und ihre Selbständigkeit untergräbt. Ähnlich gilt dies wohl auch für sogenannte Abschlepper-Eltern, so die Warnung eines Psychotherapeuten.
Wie erziehen Abschlepper-Eltern ihre Kinder?

Wie ein Abschleppwagen – der zur Stelle ist, sobald man Hilfe braucht – genauso funktionieren im Prinzip auch sogenannte Abschlepper-Eltern. Denn egal, was ihrem Kind passiert oder welchen Herausforderungen es gegenüber steht: Abschlepper-Mütter und -Väter eilen sofort herbei. Sie beseitigen für ihren Nachwuchs das Chaos, ziehen es aus dem Schlamassel und bieten laut dem australischen Psychotherapeuten Frank Zoumboulis dabei „unverhältnismäßige Unterstützung, anstatt ihrem Kind Freiraum zu geben“. Diesen Raum brauchen Kinder, um Erfahrungen machen zu können, die sie zu selbständigen Erwachsenen werden lassen. Auf diese Weise beeinflussen Eltern jedoch die emotionale Entwicklung und das Wohlbefinden junger Menschen negativ.
Psychotherapeut kritisiert Erziehungsstil von Abschlepper-Eltern
„Helikopter-Eltern interessieren sich übermäßig für das Leben ihres Kindes. Alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind, aber sie können zu sehr involviert, erstickend, anmaßend, sich einmischend und übermäßig kontrollierend werden. Ich nenne sie auch Abschleppwagen-Eltern, weil sie darauf warten, dass ein Unfall passiert, und dann hineinstürmen und das Chaos beseitigen“, erklärt Zoumboulis in einem Eltern-Blog. Zudem haben sie eine klare Meinung und Auffassung darüber, welcher Lehrer beispielsweise der beste für ihr Kind ist oder welche Sportart es treiben soll. Der Grund für dieses Elternverhalten ist eine für die Eltern nur schwer ertragbare Ungewissheit. Meist beaufsichtigen sie ihren Nachwuchs deshalb zu intensiv und nehmen ihm die Möglichkeit, etwas für sich selbst zu tun. So lernen Kinder nur schwer, mit den natürlichen Konsequenzen ihres Handelns umzugehen.
„In den 1940er und 1950er Jahren bestand der Erziehungsansatz nicht darin, ein Kind zu erdrücken oder zu verwöhnen. John Bowlby war ein zeitgenössischer britischer Psychiater und Spezialist für Kinderentwicklung, der Bindung als Ergänzung zur Erkundung betrachtete. Er sagte, ein Kind müsse sich sicher genug und gut genug fühlen, um etwas zu erkunden“, so Zoumboulis. Diese Erkundung würde jedoch von Helikopter- und Abschlepper-Eltern gestoppt werden – mit fatalen Folgen für ihre Kinder, deren Selbstvertrauen geschwächt würde. Außerdem beeinträchtigen sie die Fähigkeit ihrer Schützlinge, Widerstandskraft zu entwickeln und ihren eigenen Stand zu finden. „Kinder sind am Ende nicht in der Lage, grundlegende Dinge des Alltags zu bewältigen, sie können nicht mit emotionalen Reaktionen umgehen und sind stark von den Eltern abhängig. In meiner Praxis sehe ich einen 16-Jährigen mit seinen Eltern und die Eltern vervollständigen die Sätze des Kindes und beantworten Fragen für ihn“, berichtet der Psychotherapeut.
Abschlepper-Eltern möchten Kinder vor Misserfolgen schützen – dabei sind diese für die Entwicklung essentiell
Häufig möchten Abschlepper-Eltern nicht riskieren, dass ihr Kind an etwas teilnimmt, in dem es versagen könnte. Jedoch warnt der Experte davor, Kinder vor Misserfolgen zu schützen. Um erfolgreich sein, müssen sie nämlich auch solche Erfahrungen machen. „Sie müssen die Last der Aufregung tragen“, erklärt Zoumboulis. Abschlepper-Eltern würden diese Last jedoch lindern und ihre Kinder somit daran hindern, ihre eigenen Erfahrungen von Kampf und Erfolg oder von Kampf und Trauma und anschließender Genesung zu entwickeln.
Anstatt Helikopter- oder Abschlepper-Eltern brauchen junge Menschen vielmehr „anwesende Eltern“. Darunter versteht der Psychotherapeut ein Elternteil, das mit seinen eigenen Ängsten umgehen kann, sodass es nicht in einen Nervenzusammenbruch gerät, wenn sein Kind seine Autorität herausfordert oder Fragen stellt. Solche Eltern sind gegenwärtig und hören ihren Kindern zu. Auf diese Weise werden Kinder ermutigt, unabhängige Gedanken und kritische Denkfähigkeiten zu entwickeln. Sein Tipp lautet deshalb: „Geben Sie Ihrem Kind etwas Zeit für ein Problem, damit es versuchen kann, es selbst zu lösen. Machen Sie gleichzeitig deutlich, dass Sie für es da sind und erlauben Sie ihm, zu Ihnen zu kommen, wenn es Hilfe braucht.“
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion leider nicht beantwortet werden.