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Corona-Spätfolge chronische Erschöpfung: Das sollten die Betroffenen auf keinen Fall tun - Top-Arzt gibt Tipps

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Auch wenn die Corona-Infektion vorbei ist, fühlen sich viele Menschen nicht mehr so leistungsfähig wie zuvor.
Immer mehr Menschen leiden an Long-Covid © Mauritius Images / Alamy Stock Photos / Andriy Popov

Die meisten Menschen überstehen eine Covid-Infektion ohne langwierige Folgen. Doch es gibt Patienten, die die Krankheit völlig aus der Bahn wirft. Sie klagen über chronische Müdigkeit, vor allem nach körperlicher Belastung, sind depressiv, überempfindlich gegen Licht und Lärm und können sich schlecht konzentrieren. Wenn diese Symptome nach überstandener Krankheit Monate anhalten, sprechen Mediziner vom Long-Covid-Syndrom.

Dr. Bernhard Dickreiter identifiziert in seinem Buch „Raus aus der chronischen Erschöpfung – Long Covid und das Chronic-Fatigue-Syndrom verstehen und lindern“ die Ursache für diese Langzeitfolgen: ein ausgeprägter Zell-energie-Mangel. Die Therapie gehört in ärztliche Hände. Begleitend kann aber jeder selbst etwas zu seiner Genesung beitragen. Dr. Bernhard Dickreiter gibt Tipps, wie die Selbstheilung unterstützt werden kann. Sein Ansatz: eine ganzheitlich-systembiologische Therapie. „Wir müssen den Zellen alles zuführen, was sie zum Leben brauchen“, sagt er. „Von dieser Therapie kann jeder nur profitieren.“ Er gibt wichtige Tipps, damit die Betroffenen wieder mehr Lebensqualität zurückbekommen. 

In seinem Buch gibt Dr. Dickreiter einen Überblick über die in Frage kommende Diagnostik und erklärt, was Long-Covid-Patienten selbst tun können.
Das Buch mit 208 Seiten kostet 22 Euro. © Herbig

Anti-entzündliche Ernährung

Eine Ernährungsweise wie die traditionelle mediterrane Kost oder die Logi-Kost wirkt anti-entzündlich. Das heißt: frisches Obst, Gemüse und Salat aus biologischem Anbau, kalt gepresste Lein-, Raps-, Nuss- oder Olivenöle, Eiweiß aus qualitativ wertvollem Fleisch und Fisch, kein Schweinefleisch, kein Alkohol und möglichst wenig Zucker. Bei der Logi-Ernährung bilden Gemüse, Obst und wertvolle Pflanzenöle das Fundament der Pyramide. Auf der zweiten Stufe stehen Eiweiße – also Fisch, Milchprodukte, Eier und Fleisch. Auf der dritten Stufe stehen Kohlenhydrate wie Brot und Mais. Nur selten sollten Weißbrot und Süßes gegessen werden.

Am besten stilles Wasser trinken

Nicht nur die Menge macht’s, sondern auch die Qualität. Zwei bis drei Liter täglich sollten es sein, möglichst reines Wasser oder Kräutertees, das Erste warm am Morgen auf nüchternen Magen. Sprudelndes Mineralwasser ist nicht die beste Wahl, um den Durst zu stillen, sagt Dr. Dickreiter. Denn es bringt den Säure-Basen-Haushalt durcheinander.

Intervallfasten hilft bei der Regeneration

Wenn dem Körper keine Nahrung zugeführt wird, regt dies die Zellen an, sich zu reinigen, zu regenerieren und zu erneuern. Dr. Dickreiter empfiehlt etwa zwei- bis dreimal pro Woche Intervallfasten nach der 8/16-Methode: Nahrungsaufnahme über acht Stunden, 16 Stunden fasten. Und zum Entgiften empfiehlt Dr. Dickreiter Zeolith-Pulver, das ähnlich wirkt wie Heilerde. Zeolith ist ein mikroporöses Tuffgestein. Wie ein Schwamm kann es Schadstoffe aufnehmen, die von der Leber in den Darm ausgeschieden werden. Im Gegenzug gibt es wertvolle Mineralien an den Körper ab.

Tageslicht hilft gegen schlechte Stimmung

Patienten mit dem Long-Covid-Syndrom haben aufgrund ihrer Beschwerden und Probleme verständlicherweise oft depressive Verstimmungen. Tageslicht kann diese lindern. Also raus an die Sonne – auch zum Ausruhen oder Entspannen.

Bewegung bewusst dosieren

Spazierengehen oder Radfahren an der frischen Luft kann beim Long-Covid-Syndrom positiv wirken. Dr. Dickreiter verweist aber auf die Belastungsintoleranz, die ein Leitsymptom des LCS ist. Körperliche Belastung kann bei den Betroffenen auch eine schwere Erschöpfung auslösen, die möglicherweise Tage und sogar Wochen anhält. Dr. Dickreiter rät deshalb: „Körperliche Belastung nur mit angezogener Handbremse und immer individuell angepasst.“

Die Erkrankung ernst nehmen

Und seine wichtigste Botschaft lautet: Die Betroffenen sollten auf einer sorgfältigen Diagnose bestehen und das Long-Covid-Syndrom ernst nehmen. Der Gesellschaft gibt er den dringenden Rat, die Betroffenen nicht leichtfertig in die Psycho-Ecke abzuschieben.

Long-Covid-Experte Dr. Bernhard Dickreiter warnt davor, die Erschöpfungssymptome auf die leichte Schulter zu nehmen.
Dr. Bernhard Dickreiter, Facharzt für Innere Medizin © dr.b.dickreiter_CopyrightMarcPerino.jpg

„Wechseln Sie den Arzt, wenn Sie sich unverstanden fühlen“

Dr. Bernhard Dickreiter spricht mit seinem Buch Ärzte, Therapeuten und interessierte Laien an – vor allem auch Patienten, die am Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS) oder am Long-Covid-Syndrom (LCS) leiden und mehr darüber wissen wollen. Das sind zwei Namen für dieselbe Krankheit. Durch Covid 19 ist die Zahl der CFS- und LCS-Patienten in Deutschland auf 1,2 Millionen gestiegen.

Als Ursache von CFS und LCS gilt ein Zellenergie-Defizit-Syndrom. Wie dieses zustande kommt, erläutert Dr. Dickreiter im ersten Teil seines Buches. Detailliert geht er auf die Grundlagen der Zellbiologie ein – in auch für den Laien sehr verständlicher Sprache. Grafiken geben zusätzliche Einblicke.

In seinem Buch gibt Dr. Dickreiter dann im Folgenden einen Überblick über die in Frage kommende Diagnostik – und hier wird es für Patienten interessant, wenn sich die Betroffenen beispielsweise bei ihrem Arzt nicht in den richtigen Händen fühlen und sich über mögliche Blut- und andere Tests informieren wollen. Der Autor geht zudem auf Krankheiten ein, die ausgeschlossen werden müssen. Alles mit dem Hinweis, dass neue Forschungen und deren Ergebnisse zu berücksichtigen sind.

Die zweite Hälfte des Buches ist der ganzheitlich-systembiologischen Therapie gewidmet. Hier finden Patienten viele Tipps, was sie selbst für ihre Regeneration tun können. Funktionen beispielsweise von Vitaminen und Mikronährstoffen werden erläutert und wie diese dem Körper zugeführt werden können. Nicht zuletzt macht ein „Blick hinter die Kulissen“ den Ratgeber interessant: Fallbeispiele und Interviews mit der Leiterin einer Selbsthilfegruppe oder dem Psychologen in einer Reha-Klinik zeigen Missstände im Umgang mit CFS und LCS auf.

In seinem Buch geht Dr. Dickreiter außerdem auf Mikronährstoffe, Säure-Basen-Regulation, Darmsanierung, Sauerstoff- und Physiotherapie ein.

Herr Dr. Dickreiter, es gibt Menschen, die nach einer Covid-Infektion nicht mehr richtig auf die Beine kommen. Warum?

Wir müssen hier grob drei Gruppen unterscheiden. Bei der Ersten wurden durch die Infektion Organe geschädigt, zum Beispiel Lunge oder Herz. Das hat natürlich langwierige Folgen. In der zweiten Gruppe sind Menschen, die schon zuvor nicht ganz gesund waren. Sie brauchen folglich länger für die Regeneration. In Gruppe drei finden wir aber Patienten, die an einem Long-Covid-Syndrom (LCS) leiden, das einem postviralen Erschöpfungssyndrom entspricht. Dessen Symptomatik entspricht eins zu eins jener des Chronic-Fatigue-Syndroms (CFS).

Was bedeutet das für die Therapie?

Für die beiden ersten Gruppen ist die übliche Vorgehensweise in der Reha angemessen, also schrittweise Steigerung der Belastung. Aber bei der dritten Gruppe kann dies sogar gefährlich werden. Diese Patienten haben oft eine systemische Belastungsintoleranz. Eine zu hohe körperliche Belastung führt bei ihnen zu langwierige negativen Folgen, wie man vom Chronic-Fatigue-Syndrom weiß. Um richtig vorzugehen, muss der Arzt also dieses Krankheitsbild kennen und diagnostizieren. Das ist auch wichtig für die sozialmedizinische Beurteilung und für das Umfeld, denn beim Chronic-Fatigue-Syndrom können diese Menschen oft nie mehr das leisten, was sie zuvor leisten konnten.

Die Diagnose liegt in den Händen des Arztes. Welche Möglichkeiten aber hat der Patient?

Chronic-Fatigue-Syndrom oder Long-Covid-Syndrom sind zwei Namen für ein und dieselbe Krankheit. Die Betroffenen sagen oft: „Ich habe das Gefühl, mein Akku ist leer und lädt sich nicht mehr auf.“ Das sollte für den behandelnden Arzt ein Hinweis sein, dass hier ein Long-Covid-Syndrom beziehungsweise ein CFS vorliegen könnte. Wenn man als Patient das Gefühl hat, nicht verstanden zu werden, dann sollte man sich einen anderen Arzt suchen.

Ist das Long-Covid-Syndrom heilbar?

Es gibt dazu noch keine Zahlen, aber vom Chronic-Fatigue-Syndrom ist bekannt, dass die Fälle einer kompletten Heilung im unteren einstelligen Prozentbereich liegen. Aber diese wenigen Fälle zeigen, dass Selbstheilung möglich ist. Zumindest kann eine Verbesserung der Symptome erreicht werden. Dazu kann der Patient selbst mit seiner Lebensweise sehr viel beitragen.

In den Reha-Kliniken scheint man sich nicht immer dessen bewusst zu sein, dass unterschiedliche Therapien für die sogenannten Long-Covid-Patienten nötig sind.

Das ist eine traurige Tatsache. Denn wie gesagt, kann eine Steigerung der körperlichen Belastung richtig gefährlich werden. Wer sich in den falschen Händen fühlt, ob beim Arzt oder in der Reha, sollte sofort einen Stopp einlegen. Bei der Suche nach Informationen oder einem anderen Arzt können Selbsthilfegruppen Ansprechpartner sein – besonders solche für das Chronic-Fatigue-Syndrom.

Mit Ihrem Buch wenden Sie sich auch an Mediziner und Therapeuten. Was erhoffen Sie sich?

Das LCS und das CFS sind primär körperliche Erkrankungen und müssen als solche gesehen werden. Auch wir Ärzte haben die Symptome oft als psychosomatisch abgetan. CFS-Patienten berichten, dass die Diagnose ihrer Erkrankung bis zu sieben Jahre gedauert hat. Durch die falsche Therapie, bei der die Belastungsintoleranz nicht beachtet wurde, sind manche zu Pflegefällen geworden. Das ist erschütternd. Ich hoffe, dass Patienten mit dem Long-Covid-Syndrom differenzierter behandelt werden und durch den rasanten Anstieg der Patientenzahl mehr in die Erforschung dieser Krankheiten, ihrer Ursachen und möglichen Therapien gesteckt wird.

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