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Iss Popcorn und schau Belgrad!

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Belgrad passt in kein Genre. Zwischen Balkan-Nostalgie und Aufbruch drehen Kreative in der serbischen Hauptstadt ihren ganz eigenen Film. Popcorn und Soundtrack sind für die Zuschauer inklusive.

Platz in der Sonne: Die Aussicht über Belgrad von der Parkanlage Kalemegdan genießen auch viele junge Bewohner der Stadt. Foto: Laura Lewandowski
1 / 15Platz in der Sonne: Die Aussicht über Belgrad von der Parkanlage Kalemegdan genießen auch viele junge Bewohner der Stadt. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Belgrad statt Miami oder Mallorca - Beach-Feeling gibt es auf der Halbinsel Ada. Foto: Laura Lewandowski
2 / 15Belgrad statt Miami oder Mallorca - Beach-Feeling gibt es auf der Halbinsel Ada. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Willkommen Tristesse - Straße in Belgrad. Foto: Laura Lewandowski
3 / 15Willkommen Tristesse - Straße in Belgrad. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Hipster-Treff: Das gestalterische Konzept am Dorcol-Platz ist dem Berliner Holzmarkt nachempfunden. Foto: Laura Lewandowksi
4 / 15Hipster-Treff: Das gestalterische Konzept am Dorcol-Platz ist dem Berliner Holzmarkt nachempfunden. Foto: Laura Lewandowksi © Laura Lewandowski
Sozialistische Architektur ist nur ein Teil von Belgrad - an vielen Ecken waren clevere Architekten am Werk. Foto: Laura Lewandowksi
5 / 15Sozialistische Architektur ist nur ein Teil von Belgrad - an vielen Ecken waren clevere Architekten am Werk. Foto: Laura Lewandowksi © Laura Lewandowski
Teil der Universität von Belgrad - die Stadt ist an vielen Stellen durchaus nicht schön anzusehen. Foto: Laura Lewandowski
6 / 15Teil der Universität von Belgrad - die Stadt ist an vielen Stellen durchaus nicht schön anzusehen. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Stadtbild aus dem Zentrum von Belgrad - an vielen Orten springt dem Besucher nicht gerade Schönheit entgegen. Foto: Laura Lewandowski
7 / 15Stadtbild aus dem Zentrum von Belgrad - an vielen Orten springt dem Besucher nicht gerade Schönheit entgegen. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Trüffel mit Blattgold im Szenerestaurant «5 A Soba»: Belgrad gibt sich an manchen Orten mondän. Foto: Laura Lewandowski
8 / 15Trüffel mit Blattgold im Szenerestaurant «5 A Soba»: Belgrad gibt sich an manchen Orten mondän. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Kaffee und Kunst in Dorcol: Einst galt das Viertel als gefährlich, heute ist es hip. Foto: Laura Lewandowski
9 / 15Kaffee und Kunst in Dorcol: Einst galt das Viertel als gefährlich, heute ist es hip. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Radovan Pesic ist Besitzer des «Tropical Heat» auf Ada. Foto: Laura Lewandowksi
10 / 15Radovan Pesic ist Besitzer des «Tropical Heat» auf Ada. Foto: Laura Lewandowksi © Laura Lewandowski
Futter für den Film Belgrad: Popcorn-Buden sind in der Stadt immer wieder anzutreffen. Foto: Laura Lewandowski
11 / 15Futter für den Film Belgrad: Popcorn-Buden sind in der Stadt immer wieder anzutreffen. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Am künstlichen See Ada in Belgrad kommt ein wenig Beach-Feeling auf. Foto: Laura Lewandowski
12 / 15Am künstlichen See Ada in Belgrad kommt ein wenig Beach-Feeling auf. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Sonne über Belgrad: Die serbische Hauptstadt wird zum Trendziel unter jungen Travellern - vorläufig jedoch vor allem vom Balkan selbst. Foto: Laura Lewandowski
13 / 15Sonne über Belgrad: Die serbische Hauptstadt wird zum Trendziel unter jungen Travellern - vorläufig jedoch vor allem vom Balkan selbst. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski
Belgrad ist die Hauptstadt Serbiens - und wird bereits als Trendziel gefeiert. Foto: dpa-infografik
14 / 15Belgrad ist die Hauptstadt Serbiens - und wird bereits als Trendziel gefeiert. Foto: dpa-infografik
Graffiti am Dorcol-Platz: Das kreative Potential ist Belgrad an vielen Orten anzusehen. Foto: Laura Lewandowski
15 / 15Graffiti am Dorcol-Platz: Das kreative Potential ist Belgrad an vielen Orten anzusehen. Foto: Laura Lewandowski © Laura Lewandowski

Belgrad (dpa/tmn) - Was einem am Flughafen von Belgrad zuerst auffällt, ist der Geruch. Stickig, muffig. Wo kommt das her? Aus den Toilettenkabinen. Da stehen Frauen auf Pfennigabsätzen und mit viel Lippenstift und qualmen.

An anderen Flughäfen bekommen Reisende grüne Smoothies und vegane Snacks. In Serbiens Hauptstadt schlägt einem erst einmal Zigarettenrauch entgegen. Ist das die Metropole, die im Internet häufig als Geheimtipp gefeiert wird?

Das Berlin der Neunziger auf dem Balkan

Belgrad soll jetzt cool sein. Wild und billig wie Berlin nach der Wende, ein Insider-Tipp auf dem Balkan. Also schnell hin und sich ein eigenes Bild machen - oder am besten gleich einen ganzen Film.

Wer noch nie im früheren Jugoslawien war, kann die Reise nach Belgrad mit einem Kinobesuch vergleichen. Dabei geht es weniger um die Frage, was auf der Leinwand läuft, sondern was man sehen will. Von Dolce Vita im Balkan-Style bis zum serbischen Historiendrama ist vieles möglich. Popcorn inklusive. Dazu später mehr.

Stille Zeugen vergangener Zeiten

Erst einmal ist da Tristesse. Vor dem Flughafen wartet das Taxi. Die Fahrt ins Zentrum fühlt sich an wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Sie führt vorbei an gigantischen Betonkonstruktionen und schier endlosen Plattenbauten. Kalt wirken sie - Glanzstücke des Brutalismus, einem Architekturstil aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dazu zählt der Genex-Turm, das «Westtor von Belgrad». Es beschleicht einen das Gefühl, dass die Zeiten hier früher hart gewesen sein müssen.

Häufig wurde Belgrad zerstört und wieder aufgebaut. Übrig blieb ein Mix aus allem, was in den vergangenen Jahrhunderten gebaut wurde: Prachtwerke im neoklassizistischen Stil, Jugendstilvillen, Überreste des osmanischen Reichs. Belgrad ähnelt einer Filmkulisse.

Eine wilde Mixtur aus allem

Dazu passt, dass es an jeder Ecke Popcorn gibt. Alle paar Hundert Meter stehen kleine Buden, die vom Jahrmarkt stammen könnten. Auch die ausrangierten Klimaanlagen an den Hauswänden, die kreuz und quer hängenden Stromkabel und die bröckelnden Fassaden sind auf seltsame Art pittoresk. Als ob die Handwerker irgendwann keine Lust mehr hatten. Oder kein Geld. Das ist wahrscheinlicher. Wenn Berlin arm aber sexy ist, stellt sich die Frage, was Belgrad ist.

Spätestens an dieser Stelle ist es Zeit, über Ada zu reden, die künstliche Halbinsel, deren vollständige Bezeichnung Ada Ciganlija lautet. Einheimische empfehlen diesen Ort auf die Frage, wo der Eindruck vom Belgrader Leben möglichst authentisch sei.

Das Leben ist ein Hauch am Strand von Ada Ciganlija

Hier kannst Du am Strand sitzen und ein Glas Wein trinken, so lautete ein Tipp. Beach-Feeling in Serbien. Alkohol ist hier mindestens so im Trend wie Rauchen. Etwa zehn Minuten sind es mit dem Taxi vom Stadtzentrum zur Halbinsel. Ein Rundweg um den See führt an zahlreichen Buden und Restaurants vorbei. Wenn es einen Dresscode gibt, dann ist es dieser: Jogginghose und Turnschuhe.

«Im Sommer wird es richtig heiß, locker 35 Grad», sagt Radovan Pesic. Gemeinsam mit seinem Bruder betreibt er das «Tropical Heat», benannt nach der US-Krimiserie aus den Neunzigern. «Damals in Serbien der Hit schlechthin», sagt Pesic und schmeißt die Popcorn-Maschine an. Das Gefühl, tatsächlich in einem Neunziger-Film stecken geblieben zu sein, wird wieder stärker. Da muss etwas dran sein.

Belgrad soll zurück auf die Weltkarte

«Wenn ich ehrlich bin, viel hat sich nicht verändert», sagt Pesic. Seit mehr als 20 Jahren ist er schon auf Ada, zwischendrin war er sechs Jahre weg. Russland, Südafrika, Zypern. Irgendwann habe es ihn wieder zurückgezogen, sagt er. So wie viele andere auch, die nach dem Krieg das Weite suchten. «Belgrad hat eine seltsame Anziehungskraft.»

«Immer mehr Menschen wollen die Stadt zurück auf die Weltkarte bringen», sagt Luka Lazukic und zieht an seiner Zigarette. Seine Stimme ist rauchig, die Haare sind nach hinten gegelt. Seine Müdigkeit versteckt der IT-Unternehmer hinter einer XXL-Sonnenbrille.

Wohin die coolen Leute gehen

«In die Szene kommst du nicht einfach so rein. Aber wenn du einmal drin bist, entdeckst du ein anderes Belgrad unter der Oberfläche», sagt Lazukic im Szene-Restaurant «5A Soba». Viele hätten die Stadt nach dem Krieg verlassen, um ihr Geld in New York und anderen Metropolen zu verdienen. «Jetzt bringen sie die Trends zurück.» Unter die einheimischen Unternehmer mischen sich Geschäftstüchtige aus den umliegenden Staaten wie Bosnien und Montenegro, die Belgrad zum kreativen Schmelztiegel des Balkans machen.

Wer Geld hat, ist in Belgrad König. Doch jene, die keines haben, kommen auch. Internationaler Flughafen, bezahlbare Mieten und Inspiration an jeder Hauswand: Die Balkan-Metropole zieht gerade wegen ihrer Kontraste Kreative aus aller Welt an. Der älteste Stadtteil Dorcol sei vergleichbar mit Williamsburg in New York, sagt Lazukic. «Früher war es die gefährlichsten Ecke, jetzt ist es cool.»

New York, Berlin und Belgrad

Wer einmal weiß, dass es coole Plätze in Belgrad gibt, sieht sie plötzlich überall: Concept-Stores, Vintage-Läden, Co-Working-Spaces. Im Beogradski Market sitzen junge Digitalarbeiter mit aufgeklappten Laptops. In der 1000 Quadratmeter großen Industriehalle finden sich Designer-Läden, Floristen, eine Craft-Bier-Destillerie und vegane Imbisse. Von Tristesse keine Spur. Läuft hier ein anderer Film?

In einem Land, in dem auf der politischen Bühne oft ein absurdes Theater aufgeführt wird, fangen viele Zuschauer an, ihre eigenen Stücke zu schreiben. «Die Politik benimmt sich so, als ob die Menschen dumm wären», sagt die Sängerin Maja Louis. Ihr Vater «Louis» war bis zu seinem Tod ein gefeierter Musiker auf dem Balkan. Inzwischen ist auch Maja Louis ein bekannter Name in der Szene. Was die Künstlerwelt betrifft, sei die serbische Hauptstadt vergleichbar mit Berlin, sagt sie.

Ist dies nun also der Ort, den Reisende im Internet als Geheimtipp Europas feiern? In gewisser Weise ja. Doch Belgrad muss niemand feiern. Die Stadt feiert sich selbst. «24 Stunden, von Montag bis Sonntag», sagt Louis. Vielleicht ist Belgrad doch kein Melodram, sondern ein Liebesfilm. Aber eben auf den zweiten Blick.

National Tourism Organisation of Serbia (Englisch)

Belgrad

Anreise und Formalitäten: Nonstopflüge nach Belgrad bieten etwa Air Serbia und Lufthansa an, beispielsweise von Berlin, Frankfurt/Main oder München aus. Über Wien, Budapest und Zagreb gibt es alternativ auch Bahn- und Nachtzugverbindungen. Die Einreise ist mit Reisepass oder Personalausweis möglich. Ein Visum ist nicht nötig.

Informationen: National Tourism Organisation of Serbia, Cika Ljubina Straße 8, Belgrad 11000, Tel.: +381/11/6557 100, E-Mail: info@serbia.travel.

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