Extremismus-Forscher: „Der Hessische Staat hat im Fall Lübcke kläglich versagt“

Der Berliner Professor Hajo Funke ist sich sicher: „Der Mord hätte verhindert werden können.“
Frankfurt am Main - Der Berliner Politikwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte Prof. Dr. Hajo Funke übt im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) harsche Kritik an Hessens Regierung und Justizbehörden: „Man hätte den Mord an Lübcke verhindern können, wenn man gut aufgestellt wäre“, sagte Funke der Frankfurter Neuen Presse.

„Der hessische Staat hat leider kläglich versagt. Schließlich sind Sicherheit und Polizei zum großen Teil Ländersache“, so Funke. „Da hat nicht nur Hessens Innenminister Peter Beuth versagt, dessen Schwäche notorisch ist. Auch dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier sind Versäumnisse anzukreiden“, so der Extremismus-Forscher.
Die Informationen, die den mutmaßlichen Täter Stephan E. als ernstzunehmenden Gefährder entlarvten, hätten vorgelegen. Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zu den NSU-Morden, in dem er als Sachverständiger fungierte, habe Stephan E. schon 2016 erfasst, sagte Funke, der früher an der Freien Universität Berlin lehrte gegenüber fnp.de*
Rechten Terror befeuert? Schwere Vorwürfe gegen Steinbach
Schwere Vorwürfe erhebt Funke gegen Erika Steinbach, die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete: Mit ihren Postings zu Lübcke im Februar dieses Jahres habe sie Lübcke zur Zielscheibe rechten Terrors gemacht. Sie habe in terroraffinen Netzwerken den Eindruck vermittelt, dass der Regierungspräsident gefährlich für die rechten Kreise sei. Die Mordaufrufe, die daraufhin auf Steinbachs Facebook-Seite laut geworden seien, habe sie nicht gelöscht.
Funke: "Frau Steinbach ist zwar nicht verantwortlich für die unmittelbare Tat. Aber sie ist mitverantwortlich dafür, dass Lübcke Opfer einer Hetzkampagne geworden ist.“ Erika Steinbach sagte der Frankfurter Neuen Presse dazu: „Ich habe ausdrücklich meine Abscheu über den Mord ausgedrückt. Meine Twitter-Meldung im Februar 2019 war in keiner Hinsicht problematisch“, betonte Steinbach. Sie habe in den sozialen Netzwerken 80.000 Follower. „Ich kann nicht alles aussortieren, und ich habe im Internet nicht verfolgt, was es für Hassmails gegen Herrn Lübcke gab.“
red.
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