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Streit über Schulden eskaliert: 3000 Mieter ohne Warmwasser – Demo vor dem Rathaus

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Auf dem Rücken des Bürgermeisters: Damit Eigentümerin Ebru Yanmaz ihre Unterschrift setzen kann, bietet der Rathauschef seinen Rücken als Schreibunterlage an.
Auf dem Rücken des Bürgermeisters: Damit Eigentümerin Ebru Yanmaz ihre Unterschrift setzen kann, bietet der Rathauschef seinen Rücken als Schreibunterlage an. © Schmedemann, Lisa

Bewohner des Spessartviertels in Dietzenbach sind weiterhin ohne Warmwasser. Sie demonstrieren vor dem Rathaus gegen die Abschaltung der Fernwärme in ihren Wohnungen.

Dietzenbach – Tag zwei ohne warmes Wasser. Die Bewohner des Spessartviertels, das seit Mittwochmorgen von der Fernwärme gekappt ist, setzen ihr Vorhaben in die Tat um und versammeln sich vor dem Rathaus. Wie berichtet, hatte die Energieversorgung Dietzenbach (EVD) den Bewohnern von fünf Hochhäusern wegen nicht bezahlter Rechnungen die Fernwärme abgestellt.

„Schade, dass wir nicht mehr Leute sind“, sagt Jeton Krasniqi, einer der betroffenen Anwohner. Die Zettel, die einige engagierte Bewohner ins Treppenhaus gehängt haben, um zur Demo aufzurufen, seien „nach zehn Minuten schon weg“ gewesen. „Vermutlich haben uns die Hausmeister über die Überwachungskameras gesehen“, meint Ebru Yanmaz, ebenfalls Eigentümerin einer Wohnung in den betroffenen Hochhäusern.

Dietzenbach: Protest vor dem Rathaus

Dennoch sind es rund 40 Menschen, die sich auf dem Europaplatz Gehör verschaffen wollen. „Wir wollen warmes Wasser, was ist das für eine Schweinerei, warum macht ihr nichts?“, ruft Yanmaz Bürgermeister Dieter Lang und Erstem Stadtrat René Bacher entgegen, die sich inzwischen mit Mikrofon und Lautsprecher vor dem Rathauseingang positioniert haben – bereit zu reden, aber nicht zu antworten.

„Wisst ihr, wer schuld ist an dieser Lage?“, fragt Lang laut übers Mikrofon. „Die Hausverwaltung“, heißt es aus der Menge. Das bestätigt der Bürgermeister und erklärt damit die Immobilienverwaltung FFM GmbH zum gemeinsamen Feind. „Wenn Sie kein Gehalt bekommen, hören Sie doch auch auf zu arbeiten“, zieht Lang den Vergleich, „und so haben wir es auch gemacht.“ Damit entschuldigt und rechtfertigt er den Schritt der Energieversorgung Dietzenbach (EVD), die Fernwärme eingestellt zu haben. Er untermauert das mit einer Auflistung der ausstehenden Beträge, die er bereitwillig auf Zetteln austeilt. Auf der Liste ist nachzulesen, dass manche Beträge nur teilweise, andere gar nicht bezahlt worden sind. Die Demonstrierenden stecken die Köpfe über den Listen zusammen. Auf Ratenzahlungen habe sich der Verwalter auch nicht eingelassen, erklärt der Bürgermeister.

SPD-Landtagskandidat will Staatsanwaltschaft einschalten

Die Frage, wann wieder warmes Wasser fließt, übergehen die Politiker und betonen: „Die Hausverwaltung muss wechseln.“ Zu erreichen wäre das über einen Beschluss in der Eigentümerversammlung  – um diese außerordentlich einzuberufen, schlagen Bürgermeister und Stadtrat eine Unterschriftenaktion vor. Die sie selbstverständlich schon vorbereitet haben.

So werden Klemmbretter mit Tabellen und Stiften weitergereicht, auf denen sich die Anwesenden eintragen. Halil Öztas, Landtagskandidat der SPD und Rechtsanwalt, sieht einen Lösungsansatz: die Staatsanwaltschaft einschalten. „Wenn der Verwalter nicht zahlen kann, muss er Insolvenz beantragen“, sagt er. Und da die EVD nun schon länger auf die Begleichung der Beträge warte, könne man sogar an Insolvenzverschleppung denken.

Spessartviertel in Dietzenbach: Hausverwalter weist Vorwürfe zurück

Dem widerspricht Marcel Haufschild, Geschäftsführer der Immobilienverwaltung FFM GmbH, auf Nachfrage der Redaktion: Seine Firma sei zahlungsfähig, Schuldner seien die Besitzer. „Die Eigentümergemeinschaft wäre schon lange insolvent, wenn sie eine GmbH wäre.“

Auch die – von mehreren Eigentümern zum wiederholten Male geäußerten – Vorwürfe über intransparente, unsaubere und nicht gerechtfertigte Nebenkosten- und Umlagen-Abrechnungen weist Haufschild zurück. „Das erledigt eine externe Firma, die machen das schon ordentlich“, beteuert er.

Dietzenbacher Fernwärme-Sperre: Verhandlung am Landgericht Darmstadt

Vor dem Rathaus macht René Bacher derweil auf die Ausländerbeiratssitzung am Abend aufmerksam, während er weitere Blanko-Tabellen verteilt: „Nehmen Sie es mit und sagen Sie es weiter und kommen Sie zur Sitzung.“ Dort soll auch Guido Schick, Geschäftsführer der EVD, zu Wort kommen. Betroffene können sich, so Bacher weiter, heute von 10 bis 14 Uhr im Bildungshaus (Rodgaustraße 9) Rat holen.

Nach zwei Monologen ziehen sich die Magistratsmitglieder ins Rathaus zurück. Die Bewohner haben zwar mit den Unterschriftenlisten einen neuen Hoffnungsschimmer erhalten, doch die Frage, wann wieder Wasser fließt, hat der Bürgermeister nur vage beantwortet: „Das kommt drauf an, an uns soll es nicht scheitern.“

Auch bis zum gestrigen Redaktionsschluss war noch keine Lösung des Streits in Sicht, der nun auch die Gerichte beschäftigen wird: Die Immobilienverwaltung FFM GmbH hat Rechtsmittel gegen die Fernwärme-Sperre eingelegt, für den 14. September ist eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Darmstadt anberaumt. (Lisa Schmedemann & Niels Britsch)

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