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Schlechte Performance der deutschen Fußballerinnen

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Martina Voss-Tecklenburg
Keine Lösung: Martina Voss-Tecklenburg. © dpa

Im Viertelfinale gegen Schweden erwischt auch Martina Voss-Tecklenburg keinen guten Tag – und so wirkt ihre Mannschaft auf einmal seltsam einfältig

Erst vor wenigen Tagen, kurz bevor Martina Voss-Tecklenburg einen Abstecher an die bretonische Küste nach Saint-Melo unternahm, hatte die Bundestrainerin ihren Spielerinnen noch geraten, doch an dem freien Tag in Rennes mal wieder den Kulturbeutel aufzufüllen. Dem Hinweis lag der Glauben zugrunde, dass die deutsche Frauen-Nationalmannschaft noch eine weitere WM-Woche in Lyon verbringen würde. Und da kann ein bisschen Puder und Schminke nicht schaden, um die Strapazen in den Gesichtern zu kaschieren. Es ist anders gekommen.

Selbstkritische Reflexion der Cheftrainerin fehlt

Voss-Tecklenburg hat danach im Roazhon Park von Rennes zum ersten Mal maskenhaft gewirkt. Manche Sätze hatten Phrasenhaftes. „Es darf für uns kein Rückschlag sein, wir müssen uns neue Ziele setzen. Vor allem müssen wir aus dieser Niederlage wachsen und Stärken gewinnen. Das muss uns helfen.“ Was fehlte, war die selbstkritische Reflexion der Cheftrainerin. Zwar hatten sich ihre Prognosen für ihr erstes WM-Viertelfinale auf der Trainerbank – mit der Schweiz war die gebürtige Duisburgerin bei der WM in Kanada im Achtelfinale am Gastgeber gescheitert - allesamt bewahrheitet: „Wer weniger Fehler macht, wer es mehr erzwingt, wird gewinnen.“ Aber am Ende waren es dummerweise die Schwedinnen, die genau mit jenen Umschaltmomenten die Wende erzwang, vor der sie ausdrücklich gewarnt hatte. Wie konnte das passieren? Weil auch die 51-Jährige nicht ihren besten Tag erwischt hatte. Weder fruchteten die Umstellungen vor dem Spiel noch brachten die Wechsel im Spiel etwas ein: Da hat auch die Trainerbank schon eine bessere Performance hinbekommen.

Zahlen wichtiger als Erfahrung 

Entscheidungen über die Ausrichtung und Aufstellung bespricht Voss-Tecklenburg gemeinsam mit ihren Assistenten Patrik Grolimund, Britta Carlson und Thomas Nörenberg. In taktischen Fragen spielt ihr Weggefährte aus der Schweiz, der Basler Grolimund, eine wichtige Rolle. Der 38-Jährige hat beispielsweise auf Laufwerte und Laufwege, Sprintgeschwindigkeiten und Tempoläufe ein Auge. Ihn hatten zuletzt die 31,3 Stundenkilometer beeindruckt, mit denen Lea Schüller gegen Nigeria gesprintet war. „Leas Wert ist Wahnsinn.“ Gegen Schweden stand die 21-Jährige prompt von Anfang an im Sturmzentrum anstelle von Alexandra Popp. Aber weder ist das Talent körperlich so gefestigt noch charakterlich so robust, um eine von der ausgebufften Nilla Fischer organisierte schwedische Abwehr mit allen Mitteln zu beschäftigen, wie es die deutsche Kapitänin in allen vier WM-Spielen zuvor getan hatte.

Gleich mehrere fragwürdige Personalentscheidungen

Die nach zwei WM-Toren vor Selbstbewusstsein strotzende 28-Jährige begann genau wie oft beim VfL Wolfsburg im defensiven Mittelfeld anstelle der offenbar in Ungnade gefallenen Melanie Leupolz. Der erste Trugschluss. Der zweite Irrglaube sollte das Vertrauen in Linda Dallmann (erste Halbzeit) und Leonie Maier (zweite Halbzeit) sein. Dass beide nie in diese schwierige Partie bei noch schwierigeren Bedingungen fanden, verwunderte kaum, weil beide bei diesem Turnier bis dahin Randfiguren waren. Der dritte Fehleinschätzung führte zu jener Spielerin, um die sich im Vorlauf viel zu viel gedreht hatte: Die Hereinnahme von Dzsenifer Marozsan zur Halbzeit half genauso viel wie ein Kübel Wasser, der auf dem Marktplatz voller schwitzender Menschen zur Abkühlung vergossen wird. Der Effekt verpufft in wenigen Minuten. Die Starspielerin von Olympique Lyon konnte mit ihrem vor drei Wochen gebrochenen Mittelzeh abgesehen von den Standardsituationen kaum Akzente setzen. Ob Marozsan die Erwartungen erfüllt habe, lautete eine Frage auf der Pressekonferenz. „Ja, hat sie“, schnitt die Trainerin das Thema ab. 

Desolate Innenverteidigung

Ein vierter Aspekt bedarf einer ausgiebigeren Erörterung, denn es erwies sich als Irrglaube, dass Marina Hegering (29 Jahre) und Sara Doorsoun (27) in kürzester Zeit zu einer Innenverteidigung von internationaler Klasse zusammenwachsen würden. Hegerings Fehleinschätzung beim 1:1 war der Anfang vom Ende. Und Doorsoun macht mit ihrer mangelhaften Spieleröffnung vieles wieder kaputt, was sie sich mit ihrer enormen Schnelligkeit aufbaut. Schon im Auftaktspiel gegen China (1:0) hätten ihre hanebüchenen Querpässe schlimm ausgehen können.

Voss-Tecklenburg weiß selbst aus 125 Länderspielen, dass Deutschlands Frauen nur dann zu Ehren kamen, wenn vor einer überragenden Torhüterin noch eine Abwehr stand, die sich keine entscheidenden Fehler leistete. Die letzten Titel bei der EM 2013 und Olympia 2016 haben in der Abwehrzentrale Annike Krahn und Saskia Bartusiak abgesichert. Hegering und Doorsoun werden nicht ihre Erben sein. Vielleicht aber Lena Sophie Oberdorf. Die 17-Jährige hatte Voss-Tecklenburg gemeint, als sie vor dem Schweden-Spiel sagte: „Wir haben welche dabei, die noch zehn, zwölf Jahre in der Nationalmannschaft spielen. Da weiß ich gar nicht, ob ich dann noch dabei bin.“ 

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