„Eishockey ist eine Form von Schönheit“

Headcoach Gerry Fleming über Frankfurter Ziele für die DEL-Rückkehr, sein Löwen-Rezept und die Poesie seines Lieblingssports.
Gerry Fleming ist der neue Mann hinter der Löwen-Bände: Als Headcoach soll der 55-jährige Kanadier, gebürtig aus Montreal, maßgeblich dazu beitragen, den Standort Frankfurt nach zwölf Jahren Abwesenheit wieder in der ersten Klasse des deutschen Eishockeys zu etablieren. Vor dem Löwen-Start in die Saison an diesem Wochenende sprach Fleming mit unserem Redakteur Markus Katzenbach.
Die Vorbereitung ist beendet, die Saison beginnt. Sind die Löwen gerüstet?
Ja, die Jungs sind bereit. Es war eine lange Vorbereitung. Ich denke, sie war gut, um zu sehen, wie die Spieler skaten, wie sie spielen, wie sie interagieren. Da kamen eine Menge gute Dinge dabei heraus. Und wir wissen, woran wir noch zu arbeiten haben.
Sie haben Ihr Team jetzt kennengelernt. Wie würden Sie es beschreiben?
Groß, physisch stark, eine eingeschworene Gruppe. Um unsere Identität herauszufinden, was für eine Mannschaft wir sind und was für eine Mannschaft wir sein wollen, wird es noch ein paar Spiele brauchen. Aber wir haben die richtige Richtung.
Als Aufsteiger haben die Löwen naturgemäß nicht den höchsten Etat und werden auf besser besetzte Teams treffen. Worauf kommt es an, um sich in der Liga zu behaupten?
Das Thema Nummer eins ist, dass wir auf täglicher Basis versuchen, besser zu werden, nicht zu viel an die Vergangenheit oder Zukunft denken, sondern uns darauf fokussieren, was wir an diesem Tag tun müssen, um besser zu werden. Dazu setzen wir uns angemessene Ziele: Unter die besten sechs zu kommen, halte ich für ein erreichbares Ziel, oder: Drei von fünf Spielen zu gewinnen. Dafür müssen wir als Gruppe sehr gut zusammenhalten. Wenn wir jeden Abend im Kollektiv stark spielen, geben wir uns die Chance, jeden Abend zu gewinnen. Ein wichtiger Schlüssel für unseren Erfolg wird auch sein, ob wir die richtige Balance finden und ein Gespür dafür, wann es Zeit ist zu attackieren oder eher die neutrale Zone zu verdichten.
Sie kennen die DEL aus drei Jahren als Assistenzcoach bei den Eisbären Berlin. Wir schätzen Sie die Liga ein?
Die Dichte zwischen den Teams ist sehr groß., dieses Jahr noch mehr. Es wird mehr Spiele auf Augenhöhe geben, in denen auch die Spitzenteams wirklich hart arbeiten müssen, um drei Punkte zu holen. Sie wissen, dass es von unten her hochkocht, dass es sich weiter verdichtet. Wer sich nicht jeden Abend konzentriert, den wird das Punkte kosten und am Ende vielleicht die Play-offs.
Im Eishockey fallen Entscheidungen sonst in Play-offs oder Play-downs. Für diesen Klassenerhalt zählt aber allein die Tabelle. Eine spezielle Herausforderung?
Ja, das ist schon ein besonderer Druck. Zwei Mannschaften steigen ab. Jedes Spiel, jeder Punkt zählt, von Anfang an.
Was wussten Sie aus Ihrer Eisbären-Zeit schon über Frankfurt und die Löwen?
Ich wusste, dass sie früher in der DEL waren und die Meisterschaft gewonnen haben und dann in die vierte Liga gehen mussten. Sie haben sich zurück nach oben gearbeitet und wissen, wie hart dieser Weg ist. Jetzt wollen wir nicht wieder nach unten. Wir wollen uns weiter nach vorne entwickeln. Ich kannte auch die Stadt schon. Ich habe ein paar Freunde, die hier leben und mir viel Gutes berichtet haben. Als sich die Möglichkeit ergab, hierher zu kommen und für die Löwen zu arbeiten, bin ich darauf angesprungen.
Wie hat Sportdirektor Franz-David Fritzmeier Sie von den Löwen überzeugt?
Ich hatte eigentlich meinen Vertrag in Iowa (bei den Iowa Heartlanders, ein Farmteam des NHL-Clubs Minnesota Wild, Anm. d. Red.) um drei Jahre verlängert. Aber ich liebe Deutschland und diese Liga. Ich wollte die Möglichkeit, mit Franz und den Leuten hier zu arbeiten, nicht auslassen. Er hat mir eine Textnachricht geschickt, ob wir uns mal unterhalten wollen, daran war ich definitiv interessiert. Wir haben gleich ein paar Stunden gesprochen. Am nächsten Tag habe ich mit Jan (Barta, Co-Trainer, Anm. d. Red.) gesprochen, dann hatte ich noch einmal gute Gespräche mit Franz, und ein paar Tage später haben sie mir den Job angeboten.
Was ist Ihre Vorstellung von Eishockey, was ist für Sie perfektes Eishockey?
Erst einmal muss es mit Leidenschaft gespielt werden. Man muss immer sein Bestes geben wollen. Das ideale Eishockey muss schnell gespielt sein, nicht nur schnell im Skating, auch schnell mit dem Puck, gut ausgeführt. Jeder weiß, wo der andere ist und was man voneinander zu erwarten hat, verbunden in allen drei Zonen. Das ist eine Form von Schönheit: Eishockey ist wie Poesie, wenn es gut gespielt ist. Das Tempo, die Schnelligkeit und Beweglichkeit, Kerle, die ineinander rauschen und aufeinander hängen und dabei noch fähig sind, mit dem Puck ordentlich umzugehen - es ist ein schönes Spiel, um es sich anzuschauen, vor allem, wenn es keine Pfiffe und Unterbrechungen gibt.
Wenn Sie als Trainer Ihr Team bauen, ist Eishockey auch eine Art Puzzle.
Ich spreche immer von einem Eintopf, es ist das gleiche Prinzip für mich. Du kannst nicht nur ein paar Kartoffeln nehmen, du brauchst lauter verschiedene Zutaten, um einen Eintopf schmackhaft und herzhaft zuzubereiten.
Was ist Ihr Löwen-Rezept?
Eine gute Kombination aus Fleisch und Gemüse mit ein paar guten Gewürzen (lacht, Anm. d. Red.). Mein Rezept für diese Mannschaft sind junge Spieler, die mit einigen älteren, erfahrenen Spielern zusammenarbeiten, die in Harmonie auf dem Eis zusammenarbeiten.
Wie stellen Sie Ihre Reihen zusammen?
Man sucht Jungs, die zusammenpassen. Einer hat vielleicht einen guten Schuss, einer einen guten Pass, einer hält den anderen den Rücken frei, einer spielt besser auf der linken Seite, der andere auf der rechten. Da gibt es viele Faktoren, um drei Jungs zusammenzustellen. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Man muss diese Chemie zwischen den Reihen schnell finden. Hier haben viele schon zusammen gespielt, auch deshalb klappt das schon gut. Es ist gut, da eine gewisse Kontinuität zu haben. Aber da ist auch nichts in Stein gemeißelt.
Zum Start gibt es in Wolfsburg gleich einen echten Härtetest, danach kommt Bremerhaven als Gast zum ersten Heimspiel ...
Wolfsburg hat aus gutem Grund die Liga in der letzten Saison unter den besten Vier abgeschlossen. Sie spielen schnell und sind physisch stark, sie haben auch gute Special Teams, das hat man jetzt gerade schon in ihren Spielen in der Hockey Champions League gesehen. Das wird eine gute Aufgabe für unser erstes DEL-Spiel. Aber wenn wir das spielen, wozu wir in der Lage sind, bin ich zuversichtlich. Bremerhaven ist ein smartes, erfahrenes Team, das sehr kompakt spielt, wie wir. Jedes Spiel in dieser Liga ist eine Herausforderung, Aber wir wissen um diese Herausforderungen, und wir sind bereit dafür.
Mit Carter Rowney im Löwen-Bus auf die erste DEL-Reise
Der prominente Neuzugang saß mit im Mannschaftsbus, als sich die Frankfurter Löwen am Donnerstagmittag auf ihre erste Reise in der ersten Klasse des deutschen Eishockeys begaben. Ob Carter Rowney an diesem Freitag (19.30 Uhr/Magenta-TV) auch auf dem Eis steht, wenn der Aufsteiger mit dem schweren Auswärtsspiel bei den Grizzlys Wolfsburg in die DEL-Saison startet? „Das werden wir nach dem Pre-Game-Skate sehen“, sagte Sportdirektor Franz-David Fritzmeier.
Am Mittwochmorgen erst war der 33-jährige Kanadier Rowney mit seiner Familie nach einem transatlantischen Flug in Frankfurt gelandet und hatte nach den medizinischen Untersuchungen seine neuen Kollegen kennengelernt, mit denen er gestern immerhin einmal trainierte. Gut möglich, dass der Stürmer, der die Erfahrung von 272 Spielen in der nordamerikanischen Superstar-Liga NHL mitbringt, auch in Wolfsburg mit von der Partie ist, wenn es gleich gegen ein Spitzenteam geht. „Wolfsburg ist für mich der Favoriten-Außenseiter: Wenn nicht München, Mannheim oder Berlin Meister werden, dann sie“, meint Fritzmeier, indes: „Unschlagbar sind sie auch nicht.“ So oder so ist in Frankfurt die Euphorie riesig vor der Rückkehr in die DEL, zwölf Jahre nach der Pleite der Lions-Vorgänger. Besonders fiebert man dem ersten Heimspiel am Sonntag (14 Uhr/Magenta-TV) entgegen, gegen die Pinguins aus Bremerhaven. Eine Selbstverständlichkeit wird die Mission Klassenerhalt gewiss nicht, Bange machen gilt aber auch nicht. „Wir wollten da sein, wo wir jetzt sind“, sagt Fritzmeier. „Es darf sich nicht schwer anfühlen, und wir müssen es genießen.“ mka