Mathieu Tousignant ist ein Mann für besondere Momente, aber gewiss kein Selbstdarsteller

So einen Löwen wie Mathieu Tousignant hat man eigentlich lieber in eigenen Reihen. Das weiß man vor dem DEL-2-Spitzentreffen auch in Ravensburg.
Die üblichen Aufforderungen verhallten ungehört. Ahnungslos schickte sich Ilya Andryukhov an, das Eis am Ratsweg zu verlassen, die Rufe ebbten langsam ab. Schon drohte gar ein Bruch mit einer lustigen Tradition, mitten im Dezember, ein paar Minuten nach dem Ende eines mitreißend gewonnenen Spitzenspiels gegen den ESV Kaufbeuren – doch dann nahte Rettung in Gestalt von Mathieu Tousignant, bereits ein paar Monate länger in Löwen-Diensten und vertraut mit dem speziellen Ritual der Frankfurter Fans, zur Feier des Tages den eigenen Torhüter zum Tänzchen vor der Kurve zu bitten.
„Ilya, wir müssen tanzen. Mach’ ein paar russische Moves“, versuchte der kanadische Stürmer dem neuen russischen Goalie auf Englisch die regionale Besonderheit begreiflich zu machen und ging vorbildlich voran. Nach bester Kosakenart schlenkerte Tousignant die Schlittschuhe nach links und rechts, Andryukhov tat es ihm nach, schließlich tanzten beide Hand in Hand, ehe sie sich lachend vom Eis trollten, unter donnerndem Applaus. Situation gerettet, Tradition gewahrt, zur allgemeinen Begeisterung. Mittlerweile tanzt Andryukhov alleine, als Kosake mit Kultpotenzial. „Die Fans lieben ihn“, strahlt Integrationshelfer Tousignant übers ganze Gesicht.
Für ihn ist die Szene doppelt typisch: Die Anliegen der Anhänger sind ihm wichtig, und einen Kollegen lässt er nicht einfach hängen. „Er ist hundertprozentig für das Team da und eine Stimmungskanone“, nennt Sportdirektor Franz-David Fritzmeier Tousignants besondere Talente. Dieser definiert sein Selbstverständnis als Eishockey-Profi auch über die Fans. Hart, aber herzlich, polarisierend, auf dem Eis manchmal eine echte Nervensäge – für die anderen: „Ich will der Spieler sein, den die eigenen Fans lieben, aber die gegnerischen Fans hassen“, sagte er im Oktober dem Magazin „Eishockey News“.
Was am Sonntag (18.30 Uhr) schwierig werden könnte, wenn zweitplatzierte Löwen die Tabellenführer von den Ravensburg Towerstars zum Spitzentreffen der DEL 2 empfangen. Zwischen 2015 und 2017 war Tousignant schließlich auch schon in Ravensburg Publikumsliebling und Leistungsträger. Noch immer schreiben ihm viele Fans, hat er viele Freunde im Club – nicht mehr auf dem Eis, aber hinter der Bande und in den Büros.
Im verschneiten Bad Tölz
„Sie haben ein großartiges Team, schnell, gefährlich, mit vielen guten Spielern und einem breiten Kader“, warnt der Center. Das letzte Duell in Ravensburg gewannen die Löwen dank Matt Pistillis 2:1 in allerletzter Sekunde. Das werde nun wieder eine schwere Schlacht, meint Tousignant und sieht so aus, als freue er sich schon darauf.
Die letzte dieser Art ist am Sonntagabend gerade ein paar Minuten her, als er das sagt. Ersatzgeschwächte Löwen haben gegen den aufstrebenden Nachbarn EC Bad Nauheim in der Verlängerung verloren. Ärgerlich, aber Tousignants Augen leuchten trotzdem, wenn er von dem heftigen Ringen spricht, am Ende der Terminhatz mit acht Spielen in 17 Tagen. Heute (19.30 Uhr) steht zudem noch der Besuch in Bad Tölz an. Die Löwen wollen rechtzeitig losfahren, um die Kreisstadt im verschneiten Oberbayern rechtzeitig zu erreichen.
Die Löwen haben das insgesamt gut hinter sich gebracht. Besser als vorher schon schwächelnde Ravensburger, ebenso von den zu dieser Zeit üblichen Ausfällen geplagt, zuletzt indes wieder mit Anführer Andreas Driendl. „Das ist ein hartes Programm. Aber das ist Eishockey, deshalb bin ich hier“, sagt Tousignant und strahlt wieder. „Ich genieße Eishockey.“ Kein anderer jubelt so leidenschaftlich, kaum ein anderer landet so verrückte Treffer – wie den Hechtsprung gegen Dresden, das erste Löwen-Tor 2019. Am Anfang der Saison traf er regelmäßig, nun wieder sechs Mal in fünf Spielen, zwischendrin wichtige Tore in Verlängerungen in Bad Nauheim und gegen Weißwasser, die vorübergehende Flaute ist abgehakt.
Hilfe durch Headcoach
„Es gibt immer Aufs und Abs“, erklärt er und bedankt sich bei Headcoach Matti Tiilikainen: „Er hat mir vertraut und geholfen, mein Spiel wiederzufinden“, sagt Tousignant: „Ich bin ein intensiver Spieler, der über harte Arbeit kommt. Ich gebe alles, was ich habe, blocke einen Schuss, nehme den Check, werfe mich in alles rein.“ Fritzmeier war das bereits zu Tousignants Ravensburger Zeiten aufgefallen. Vorige Saison sah er den 29-Jährigen auf Scoutingtrips zwei Mal beim schwedischen Zweitligisten Tingsryds AIF. Als er hörte, dass Tousignant auf dem Markt ist, zog er noch ein paar Erkundigungen in Schweden ein und schlug zu.
Tousignant mag als Mann für besondere Momente manchmal auf die ihm eigene Art herausstechen, eines ist Fritzmeier aber wichtig: „Er ist kein Selbstdarsteller, er macht das alles im Dienst des Teams“, betont der Sportdirektor. Und weiß auch: „Er ist mit seiner Härte einer, den du lieber im eigenen Team hast als im gegnerischen.“ Da ergeht es den Spielern nicht anders als den Fans. Möglicherweise wird man das am Sonntag auch im Ravensburger Lager denken, mit etwas Wehmut.