Löwen-Zauber wie am Anfang

Die Frankfurter DEL-Aufsteiger feiern ein spektakuläres Comeback gegen Wolfsburg - und die Aussicht auf ein weiteres Löwen-Jahr mit Carter Rowney. Statt sich langsam aus dem Play-off-Rennen zu verabschieden, ist man so wieder mittendrin. An einem Tag, der mit schlechten Frankfurter Nachrichten beginnt und mit lauter guten endet.
Frankfurt -Callum Booth legte einige gekonnte Schritte aufs Eis, warf die Arme in die Höhe, eine flotte Drehung, auch diese Zugabe glückte ihm, was sonst? Dabei war es früher am Sonntagnachmittag kaum zu erwarten gewesen, dass dem neuen Goalie der Löwen Frankfurt ein solches Solo zuteil werden würde. Der hiesigen Tradition, ihren Torwart nach gewonnenen Heimspielen zum Tanz aufzufordern, hatten die Anhänger in diesem Kalenderjahr erstens noch nicht nachkommen können, weil die bisherigen fünf allesamt verloren wurden. Zweitens stand Booth erst einmal gar nicht zwischen den Pfosten, sondern saß auf der Bank. Und als er es dann tat, erschien drittens und vor allem die Lage wieder einmal schon recht hoffnungslos.
Bis er seinen Teil zu einem kleinen Wunder beitrug, wie sie in der an Wendungen reichen Welt des Eishockeys gar nicht selten vorkommen, in diesem Fall aber genau zum richtigen Zeitpunkt, an einem doch noch berauschenden Löwen-Sonntag, der mit schlechten Nachrichten begonnen hatte und lauter guten endete. Die Bekanntgabe, dass der herausragende Carter Rowney auch in der nächsten Saison für die Löwen stürmen wird, passte da perfekt in die Siegesfeiern - und die mit 6990 Zuschauern ausverkaufte Eissporthalle am Ratsweg erbebte noch einmal vor Beifall, als Rowney mit Söhnchen auf dem Arm kurz nach vorne trat, um sich gewohnt bescheiden rasch wieder einzureihen.
Dass „die Spieler diesen Sieg unbedingt wollten“, machte Headcoach Gerry Fleming hinterher als Schüssel für den Erfolg aus. Mit dem 4:3 (0:3, 1:0, 3:0) hatte der DEL-Aufsteiger die Partie gegen die Grizzlys Wolfsburg noch umgebogen, in einem spannenden Schlussakt mit endlich wieder einmal glücklichem Löwen-Ende. „Das war Nervenkitzel pur“, atmete Sportdirektor Franz-David Fritzmeier auf, nach 60 wechselhaften Minuten, die sinnbildlich für die bisherige Löwen-Saison standen: das ernüchternde erste Drittel für den Frankfurter Frust der letzten Wochen, das letzte Drittel für die vielen Hochgefühle des erfolgreichen ersten Hauptrunden-Abschnitts, das ganze Spiel für den ständigen Löwen-Wahnsinn mit regelmäßigen Wechselbädern der Gefühle und Last-Minute-Entscheidungen bei den allermeisten Terminen.
Dabei hatte dieser Sonntag gar nicht gut angefangen. Noch vor dem ersten Bully hatte Fritzmeier berichten müssen, dass Topscorer Dominik Bokk wegen seiner beim 1:2 am Freitag in Bremerhaven nach einem heftigen Einschlag in die Bande erlittenen Schulterverletzung „heute definitiv nicht spielen wird und die nächsten Spiele wahrscheinlich auch nicht“. Und dann geriet man rasch schwer ins Hintertreffen, nach Wolfsburger Toren durch Tyler Morley (6. Minute), Trevor Mingoia (8) und Nolan Zajac (18.) - bemüht und gar nicht schlecht, aber wie so oft in den vergangenen Wochen eben nicht gut genug, für vermeidbare Defensivfehler bestraft, diesmal von einem abgeklärten Halbfinalanwärter und Champions-League-Teilnehmer. Statt der Fortsetzung des Abwärtstrends, eines einsetzenden Abgesangs auf langsam zerfasernde Hoffnungen, mit den Play-offs eine lange begeisternde und ja auch so sehr zufriedenstellende Runde zu krönen, entwickelte sich aus diesem 47. von 56 Hauptrundenspielen aber noch ein Stimmungswandel, der über den Tag hinaus wirken könnte.
„Die Mannschaft hat dann zusammengehalten, Charakter gezeigt und sich belohnt“, lobte Fritzmeier. Brett Breitkreuz (31.) nutzte ein Powerplay, nachdem der erst am Donnerstag verpflichtete und seinen Job sehr gut erledigende Booth zum zweiten Drittel den am Zwischenstand ziemlich schuldlosen Stammtorhüter Jake Hildebrand abgelöst hatte. „Manchmal hilft ein Torwartwechsel einfach. Hildi war dieses Jahr meistens unser Mann, das nächste Mal müssen wir wieder besser für ihn spielen“, sagte der bärenstarke Carson McMillan, sonst eher fleißiger Helfer als Highscorer, diesmal aber selbst in einer Hauptrolle, über den so oft schon in der Not rettenden Hildebrand. Der 25-jährige Kanadier Booth, später von den Fans auch noch zum Spieler des Spiels gewählt und als solcher vor seinem Tänzchen mit der großen Heimsiegfahne durch die Halle sausend, hatte da mehr Beistand, und obendrein mehr Fortune.
Zuletzt waren die Ergebnisse ebenfalls stets knapp gewesen, aber eben doch allzu oft zu Frankfurter Ungunsten, anders als zwischen September und Dezember, als man trotz zwischenzeitlicher Widrigkeiten regelmäßig Punkte sammelte. Die für Erfolge gegen meist höher dotierte Gegner nötigen paar Prozent mehr, die im Januar möglicherweise an überdurchschnittlichem Einsatz und Entschlossenheit, an Löwen-Mut, Miteinander oder was auch immer gefehlt hatten, fanden die DEL-Neulinge nun wieder, sie erzwangen auch schlicht wieder ihr Scheibenglück. Chad Nehring (51.) verkürzte, die Halle bebte, „die Stimmung war gigantisch“, schwärmte Fritzmeier: „Die Spieler und die Fans zusammen, das brauchen wir, wenn wir Spiele gewinnen wollen.“
Natürlich hatte auch dieses Aufeinandertreffen wieder andersherum ausgehen können. Jetzt aber machte auch Wolfsburg Fehler oder traf nur den Pfosten, McMillan (53.) dafür zum Ausgleich und 44 Sekunden vor dem Ende tatsächlich noch einmal zu einer spektakulären Schlusspointe und vollen drei Punkten, da explodierten die Ränge am Ratsweg, wie früher in der Saison öfter. Zurück auf Start, mit passendem Gegner: Ein Sieg in Wolfsburg nach 0:2-Rückstand am ersten Spieltag war der Auftakt für das starke erste Saisondrittel gewesen. Neun Hauptrundenspielen vor Schluss, das nächste am nächsten Sonntag (19 Uhr) daheim gegen Düsseldorf, ist man mit einem neuerlichen Löwen-Lebenszeichen als Tabellenelfter wieder ganz nah dran an den für die Play-offs nötigen Top Ten. Nach einem Nachmittag mit dem Zauber des Hauptrunden-Anfangs. Und vollem Löwen-Programm, nicht nur für Callum Booth.
