„Wir müssen besser spielen, um Gleiches zu erreichen“

Headcoach Matti Tiilikainen und Sportdirektor Franz David Fritzmeier im Interview über Entwicklungsarbeit, Balanceakte und die neuen Löwen-Herausforderungen.
Herr Tiilikainen, Sie kennen die Atmosphäre am Ratsweg ja gut. Haben Sie schon eine Idee, wie Sie sich am 15. September gegen halb acht fühlen könnten?
TIILIKAINEN: Für mich war das Testspiel gegen Kassel schon etwas besonderes, obwohl wir verloren haben. Aber schon vor dem Spiel war es ein großartiges Gefühl zurückzukommen. Da ist dieser Lärm, der Geruch, der Sound, das ist einzigartig, da kommen sofort wieder Erinnerungen. Es ist auch schön, dass das Team und die vielen Neuen das schon einmal erlebt haben vor dem Start. Und das erste Spiel der Saison, das erste Heimspiel, ist dann sowieso etwas Spezielles.
Werden Sie sich auch gut vorbereitet fühlen?
TIILIKAINEN: Ich denke ja, auf jeden Fall. Es gab Aufs und Abs in der Vorbereitung, aber das ist normal, und es ist wichtig, dass wir diese Erfahrungen zusammen machen. Das Team ist neu, die Löwen sind auch erst in der zweiten Saison in der DEL. Wir sind noch dabei, die Teile zusammenzusetzen und etwas Großes aufzubauen. Dabei müssen wir bescheiden bleiben und darauf achten, dass wir jeden Tag unsere Arbeit machen.
Was ist das Wichtigste in derVorbereitung?
TIILIKAINEN: Das Erste ist immer die Kommunikation. Du musst das Team kennenlernen, das Team muss den Coaching Staff kennenlernen: Wie gehen wir das Training an, wie sind die Abläufe, was ist unser Spiel und so weiter. Dann fängst du an, an deinem Spiel zu arbeiten, in dem es dann verschiedene Rollen gibt. Die Teile fügen sich schon immer besser zusammen.
Da Sie Ihr Team jetzt besser kennen: Wie würden Sie es beschreiben?
TIILIKAINEN: Es ist auf jeden Fall ein Team mit viel Herz. Den Spielern liegen die Löwen sehr am Herzen, sie sind bereit, die Arbeit anzunehmen, sie wollen besser werden und sie haben viel Talent. Es ist noch viel Potenzial da, bei dem wir daran arbeiten müssen, es freizusetzen, aber es kommt schon mehr und mehr zum Vorschein.
Worauf wird es zum Beginn der Saison ankommen?
TIILIKAINEN: Bereit zu sein. Und dem Prozess zu vertrauen, den Dingen, an denen wir arbeiten. Über die Saison wird nicht immer alles perfekt sein, aber wir müssen sicherstellen, dass wir demütig bleiben und möglichst jeden Tag eine Verbesserung sehen. Damit wir am Ende die Resultate bekommen, die wir anstreben.
Haben Sie feste Ziele mit Sportdirektor Franz-David Fritzmeier und dem Team definiert?
TIILIKAINEN: Natürlich haben wir Ziele. Intern haben wir uns hohe Ziele gesetzt, wir wollen das Bestmögliche erreichen. Aber wir müssen auch realistisch bleiben, daran müssen wir uns jeden Tag erinnern: Wenn wir nicht die Arbeit reinstecken, werden wir niemals Erfolg haben. Für uns ist es enorm wichtig, in jedem Spiel, in jedem Training Beständigkeit zu zeigen. Wir müssen uns immer auf den gegenwärtigen Moment fokussieren mit der neuen Mannschaft.
FRITZMEIER: Letztes Jahr haben wir gesagt: Wir sind gekommen, um zu bleiben. Im Grunde gilt das auch weiterhin. Wir wollen natürlich nach vorne schauen. Aber grundlegend gilt für uns: Alles ist möglich, aber jeder Punkt zählt für uns. Jede Kleinigkeit, jede Arbeit an Details. Wir bleiben bescheiden, bei allem Ehrgeiz. Ein zehnter Platz wäre auch jetzt wieder ein Erfolg. Die Konkurrenz hat genauso nachgelegt, keiner will ganz unten reinrutschen. Da müssen wir besser spielen, um Gleiches zu erreichen. Wir wissen auch, wo wir herkommen. Alle anderen sind schon lange etabliert in der Liga, wir sind immer noch das neueste Team. Wir sprechen nicht über den Abstieg, wir sprechen nicht über Play-offs. Wir wollen jeden Tag besser werden. Dann ist wirklich alles möglich. Viele Mannschaften sind unterhalb der Top sechs nah beieinander, da wird jeder die Krallen ausfahren. Wir freuen uns auf die Herausforderung.
In der letzten Saison hatten die Löwen nie etwas mit dem Abstieg zu tun. Der zehnte Platz war aller Ehren wert, es fehlte aber die Entwicklung. Was war nach dieser Runde notwendig?
FRITZMEIER: Letztes Jahr mussten wir erst einmal einfach überleben. Das haben wir etwa bis Weihnachten sehr gut gemacht und hatten da schon die Punkte beisammen. Auf der einen Seite haben wir dann aber nicht wirklich genug gemacht, um uns zu entwickeln, auf der anderen Seite gab es aber auch nicht so viel Potenzial zu entwickeln, das war begrenzt. Deshalb war es nötig, dem Team mehr Qualität zuzuführen, auch mehr Professionalität. Wir haben auch einen anderen Headcoach, um mit ihm den nächsten Schritt zu machen. Wir haben schon sehr schnell, nach der Pause im November, gesehen, dass wir so nicht weitermachen können. Wir müssen das Team so bauen, dass es sich in der Liga stabilisiert, in allen Bereichen.
Ist das die große Herausforderung für die neue Saison: Sich in der Liga zu stabilisieren?
FRITZMEIER: Ja. Das wird ein hartes Rennen. Wir wissen, dass es in dieser Liga keine Auszeiten geben kann, du musst jede Woche deine Leistung bringen. Was uns dieses Jahr hoffentlich hilft ist, dass es nicht mehr 56 Spiele und viele Dienstagstermine sind und wir mehr Zeit zum Trainieren haben. Das Training ist ein wichtiger Teil der Entwicklungsarbeit, gerade nach dem Umbruch, den wir jetzt hatten. Wir wollten das Team etwas jünger haben. Wir haben und brauchen mehr Zeit zu arbeiten, und wir brauchen Typen, die arbeiten und trainieren wollen. Spieler aus europäischen Topligen wie Mathuskin sind das gewohnt, und sie gehen mit der richtigen Mentalität voran.
Welchen Eindruck haben Sie von Ihren Jungen, Herr Tiilikainen?
TIILIKAINEN: Sie sind sehr talentiert. Wir haben über den Sommer gesehen, dass sie hart arbeiten können. Es gibt einen Grund, warum sie hier sind. Wir geben ihnen die Gelegenheit, sich zu bewähren, und begleiten sie, aber den Job müssen sie selbst erledigen. Das geht alles Hand in Hand. Ich bin sehr froh, dass wir sie haben. Aber es geht nicht nur um fünf Junge. Du kannst dich immer verbessern, auch die Spieler über 23, selbst die ganz Erfahrenen. Und auch wir Trainer.
FRITZMEIER: Selbst wenn du 32 bist oder die Champions League gewonnen hast, willst du besser werden. Die Jungen brauchen vielleicht ein bisschen mehr Hilfe, mehr Zeit oder Extra-Training. Aber am Ende muss es das Team gemeinsam schaffen, sich zu entwickeln.
TIILIKAINEN: Wir als Coaches wollen diesen Prozess natürlich leiten. Aber um ehrlich zu sein, passiert der größte Teil so einer Erziehung innerhalb des Teams. Wie man sich in der Kabine verhält, wie man trainiert, welche Verhaltensweisen die Anführer vorleben: Das sind Dinge, die die Jungen die ganze Zeit aufnehmen. Es ist auch wichtig, dass das Management und der Club zeigen, dass das eine Rolle spielt. Wir beurteilen die Spieler nicht nur nach Punkten, sondern auch danach, wie sie trainieren und wie sie sich verhalten, ob sie wie Profis leben. Das gilt für uns alle, auch für uns als Coaches: Wir wollen auch zeigen, dass wir hart arbeiten und mit einem guten Beispiel vorangehen.
FRITZMEIER: Dazu gehört auch, dass die Spieler merken, dass sich der Club für sie bemüht, um eine bessere Infrastruktur, wie jetzt mit der Kabine, mit neuen Wohnungen, mit einem noch einmal breiter und besser aufgestellten Trainerteam. Am Ende zählt das Ergebnis auf dem Eis. Aber das Ergebnis wird von vielen Dingen auch abseits des Eises beeinflusst. Wenn das Hand in Hand geht, ist die Chance auf Erfolg größer.
In Deutschland ist das immer ein Thema: Sind die jungen Spieler wirklich schon bereit, in der DEL zu spielen?
TIILIKAINEN: Ich mag diese Diskussion nicht. In anderen Top-Ligen der Welt ist es völlig normal, selbst in der NHL spielen 18-Jährige. Sie sind Spieler wie die anderen auch. Wir glauben an sie und hoffen, dass sie eines Tages Top-Spieler in der DEL und international sein werden. Das ist unsere Vision. Natürlich werden sie manchmal mehr Zeit brauchen. Und Fehler machen, das machen wir alle. Natürlich muss auch jeder um seinen Platz kämpfen. Aber wir müssen ihnen die Chance geben, die besten Spieler zu sein, die sie sein können.
FRITZMEIER: Für mich besteht ein Team immer aus älteren, mittleren und jüngeren Spielern. Das ist sportlich und auch wirtschaftlich sinnvoll. Die jüngeren sind erst einmal preiswerter. Auch deshalb war es uns möglich, mehr in der Spitze zu investieren.
Angeleitet wird die Mannschaft vom jüngsten Headcoach der DEL. Auch das wird hier und da als ein Risiko gesehen.
TIILIKAINEN:Ich verstehe das. Aber ich sehe es so, dass ich schon 15 Jahre als Coach arbeite. Natürlich kann ich mein Alter nicht von jetzt auf gleich in 55 ändern. Für mich ist das in Ordnung. Ich will mich auch selbst entwickeln. Und ich hoffe, dass ich diese Einstellung über meine gesamte Karriere behalten werde.
FRITZMEIER: Ich sehe das nicht als Problem, sondern als Chance. Wichtig ist, dass du einen klaren Plan hast - und Leute, die dazu passen. Du musst auch immer die Situation sehen. Vor fünf Jahren wäre Matti sicher nicht der richtige gewesen, um uns in der jetzigen Situation zu helfen. Aber damals war er es, wie er es jetzt wieder ist. So wie letztes Jahr Gerry Fleming, oder vor zwei Jahren Bo Subr. Das gilt natürlich auch für die Spieler: Auch sie müssen zu dem Club passen, in seiner jeweils aktuellen Situation.
Sind Sie zufrieden damit, wie der neue Mix an Spielern zu den Löwen passt? Auf dem Papier sieht das ja ganz gut aus.
FRITZMEIER: Ja, auf dem Papier sieht es gut aus, aber das sollte dann auch auf dem Eis so sein. Wir wussten, dass wir etwas ändern mussten. Zum Beispiel haben wir einen Powerplay-Verteidiger gebraucht und zwei bekommen. Wir wussten auch, dass wir einen etwas anderen Mix haben wollten. Spieler, die einen etwas anderen Touch reinbringen. Wir haben die Spieler bekommen, die wir wollten, und jetzt müssen wir zeigen, dass es funktioniert.
Was sind Ihre Erwartungen an das Team, als Manager?
FRITZMEIER: Dass wir uns weiterentwickeln. Dass wir den Spirit zeigen. Dass wir wissen, wo wir herkommen, was unsere Basis und dass gleichzeitig alles möglich ist. Dass wir ein hart arbeitendes Team sind. Und wir wollen mehr Qualität aufs Eis bringen. Das heißt nicht, dass wir lauter Tore des Jahres schießen, sondern dass wir unser gesamtes Spiel auf ein anderes Level heben, in unserer täglichen Arbeit. Wir wollen uns stabilisieren, verbessern und das Beste aus uns herausholen.
Gibt es aus Trainer-Sicht da etwas zu ergänzen?
TIILIKAINEN: Für uns als Trainerteam kommen die Erwartungen Tag für Tag. Wie verhalten wir uns im Training, wie in den Spielen? Wir werden sicher Fehler machen, keine Frage. Aber die Frage ist: Lernen wir daraus, und sind wir bereit, uns die Arbeit zu machen, um besser zu werden? Es ist eine Liga mit sehr starkem Wettbewerb, und natürlich geht es darum zu gewinnen. Wir erwarten alle, dass dieses Team alles tut, um zu gewinnen. Meine Erwartungen drehen sich eher um die tägliche Arbeit. Aber am Ende bekommen wir unsere Beurteilungen freitags und sonntags, dafür machen wir die Arbeit. Und natürlich wollen wir gut starten, das Bestmögliche erreichen und unseren fantastischen Fans viel Freude bereiten.
Eine Mannschaft braucht klare Strukturen, um stabil zu sein, aber bisweilen auch Freiheiten, um selbst gefährlich zu werden. Wie weit ist es mit der Arbeit an dem Balanceakt?
TIILIKAINEN: Diese Balance ist für einen Coach immer das Schwerste. In der Vorbereitung haben wir schon unsere Grenzen gesehen, aber auch unser Talent angedeutet. Hockey ist ein sehr komplexer, kompetitiver Sport, in dem du hart kämpfst, viel arbeitest. Aber du brauchst auch die Fähigkeiten, um etwas kreieren zu können. Ich denke, wir kommen immer mehr auf einen besseren Weg. Das hängt auch damit zusammen, dass die Spieler mehr und mehr wissen, was zu tun ist. Das macht es für sie einfacher, ihr Bestes zu spielen, wenn sie wissen, was die anderen Spieler machen und was wir als Trainerteam wollen. Das geht nur mit gemeinsamen Erfahrungen und mit der Zeit. Im letzten Test gegen Iserlohn haben wir gesehen, dass wir das Potenzial haben.
Sie haben in ihrer ersten Amtszeit öfter von dem großen Bild gesprochen. Im Lauf der Saison setzt es sich zusammen, am Ende soll es fertig sein, mit dem bestmöglichen Löwen-Eishockey. Wenn Sie das Bild als Puzzle betrachten: Wie weit sind Sie jetzt?
TIILIKAINEN: Wir setzen gerade die Randstücke zusammen (lacht, Anmerkung der Redaktion). Und dann fangen wir an, weiter nach innen zu bauen. Aber was immer wir machen: Wir müssen sichergehen, dass der Rand stabil ist und nicht auseinander fällt.
Es ist noch ein weiter Weg. Aber haben Sie auch schon eine Idee, wie sich am Ende der Saison fühlen könnten?
TIILIKAINEN: Als Trainer ist man froh, wenn du im Rückblick sagen kannst, du hast in dieser Zeit alles gemacht, was du kannst. Das versuchen wir. Dazu gehört, dass es auf jeden Fall auch Fehler geben wird bei dem, was ich mache oder was wir als Trainerteam machen. Aber wir als Trainerteam wollen mit unserer Arbeit zeigen, dass uns das Team, die Spieler, die Organisation und die Fans am Herzen liegen und dass wir alles tun, damit wir erfolgreich sind.