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Abenddämmerung

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Hat mit dem Wetzlarer Team in der Bundesliga-Rückrunde noch viel Arbeit vor sich: Neu-Trainer Hrvoje Horvat. © Red

(ra). Die Aufgabe, die Hrvoje Horvat jr., der neue Trainer der HSG Wetzlar, zu bewältigen hat, ist in etwa so beschwerlich, als müsste er die Dinara erklimmen. Das ist der höchste Berg seines Heimtlandes Kroatien.

Schon von 12.30 Uhr an strömten die 4400 Zuschauer in die erstmals seit Jahren wieder ausverkaufte Buderus-Arena zum Bundesliga-Heimspiel der HSG Wetzlar gegen die Rhein-Neckar Löwen. Hoffnungsvoll eineinhalb Stunden vor Spielbeginn, bei frostiger Kälte zwar, aber die Sonne ließ sich sehen. Ein gutes Zeichen? Nein! Dreieinhalb Stunden später hatte sich die Sonne verabschiedet, auf dem Heimweg setzte die Abenddämmerung ein. Gegen 16 Uhr die winterliche, aber nach der 23:29 (10:16)-Niederlage vor allem die sportliche.

Die HSG Wetzlar schwebt in akuter Abstiegsgefahr. Ausgerechnet im Jahr des 25-jährigen Erstliga-Jubiläums wird es zusehends dunkler. Bei so viel Melancholie nach dem über Jahre hinweg eigentlich immer Mut machenden Weihnachtspiels - 2019 sogar der 27:20-Triumph auswärts beim THW Kiel (!) - wollte kaum noch jemand einen Blick in die im Foyer zum Verkauf angebotene Jubiläumschronik werfen. Da wäre nur noch mehr Wehmut aufgekommen.

Was aber ist passiert zwischen dem überzeugenden 30:27-Coup der HSG Wetzlar am 27. Februar im Erstliga-Auswärtsspiel bei den Rhein-Neckar Löwen und dem Sonntag-23:29 zu Hause gegen den personell nahezu gleich aufgestellten Kontrahenten? Der Umbruch im Sommer mit 14 (!) personellen Wechseln. Ja. Die nunmehr durchschlagene mangelhafte Trainer-Philosophie nach den zuvor noch vorhandenen Wandschneider-Mechanismen. Okay. Der Verlust an immenser Bundesliga-Erfahrung (Mirkulovski, Danner, Holst). Sicher. Die verloren gegangene Qualität (Forsell-Schefvert). Klar. Die aktuelle Verletztenliste (Cavor, Fredriksen, Schmidt). Keine Frage.

Der als Retter verpflichtete Neu-Trainer und Nachfolger von Benjamin Matschke, Hrvoje Horvat jr., hat in den 60 Minuten vom Sonntag ob der aktuellen Qualitätsprobleme und Erfahrungsdefizite brutalst die Augen geöffnet bekommen. Die bei der Kaderplanung überschätzte Qualität einzelner Akteure einerseits, die zugleich unterschätzte fehlende Erfahrung vieler Spieler andererseits. In keiner der unzähligen Halbserien-Statistiken schaffen es die Wetzlarer - ob als Team oder individuell - unter die Top Ten. Der Vorteil von Horvat jr. gegenüber Kai Wandschneider zu Beginn des gleichen Himmelfahrtskommandos 2011/12 ist zum Glück der, dass er eine komplette Rückrunde Zeit hat, um den Nicht-Abstieg zu realisieren.

Wenn Spieler zu oft mit den Schiedsrichtern diskutieren, ist das Ausdruck der Unzufriedenheit über eigene Unzulänglichkeiten. Wenn der neue Trainer analog wie der alte Moral und Kampfgeist lobt, weiß dieser nur zu gut, dass allein das für den Bundesliga-Erhalt nicht reicht. »Wir haben im Angriff kaum Eins-gegen-eins-Situationen für uns entschieden«, sagte der 45-jährige Kroate und sprach die vielen anderen Defizite (u. a. in Überzahl) erst gar nicht an. Entgangen dürften sie ihm nicht sein.

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