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»Danke schööööön!«

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Zu einer Einheit verschmolzen: Spieler und Anhänger der Gießen 46ers. © SCHEPP

Die Gießen 46ers sind aus den Playoffs in der 2. Basketball-Bundesliga ProA ausgeschieden. Mit 1:3 endete die Serie am vergangenen Freitag. Coach Ignjatovic sprach von der »Wiedergeburt« des Basketballs in Gießen. Dem Serben ist klar: Die eigentliche Arbeit geht erst los.

Irgendwann spielte es am Freitag keine Rolle mehr, dass Rasta Vechta die Partie dominierte. Das 112:87 bescherte den Niedersachsen den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Für die über 3000 Fans in der Osthalle war das längst nur ein Nebenrauschen.

Die Emotionen kannten keine Grenzen. Beginnend beim emotional gerührten Team über die Hardcore-Fans im Stehblock, die in Dauerschleife eine erfolgreiche Saison besangen. Bis hin zu Coach »Frenki« Ignjatovic, der in der Pressekonferenz zum Mann der ganz großen Worte wurde und beschrieb, was man in dieser Saison zu sehen bekam: »Ich traue mich zu sagen: eine Wiedergeburt vom Gießener Basketball.«

Der Serbe stellte auch in den Raum, wie die Serie wohl verlaufen wäre, hätte man innerhalb von zehn Tagen nicht drei Leistungsträger verloren. Allen voran der Ausfall von Stefan Fundic (Meniskus) war nicht zu verkraften. Aber es ist ein offenes Geheimnis: Der Aufstieg wäre für die Hessen wohl zu früh gekommen. »Wir haben hier endlich Licht am Ende des Tunnels«, würdigte Ignjatovic die Leistung des Office und allen voran Jonathan Kollmar, der den Club zu Saisonbeginn in einer sehr schwierigen Lage übernommen hatte.

Das Bekanntwerden der finanziellen Probleme vor einigen Wochen fiel zeitlich zusammen mit der Beantragung einer Bundesligalizenz, die die BBL dem Club auch mit Auflagen erteilte. Was damals ein Schnellschuss war, auch um die Motivation in der Mannschaft aufrechtzuerhalten - mit Erfolg - wurde seither zum Selbstläufer. Die Zuschauerzahlen explodierten, gegen Vechta wurde ein Saisonrekord aufgestellt. Selbst Fußballlegende Alex Meier mischte sich Freitag unters Volk. Ein neuer Sponsor wurde gewonnen. Bei alten wurde das Basketballfeuer neuentfacht. Diesen Rückenwind gilt es zu nutzen.

Was also bleibt vom Playoff-Halbfinaleinzug? Da wäre zunächst ein Team, das trauriger über das Saisonende zu sein schien als die Fans, die mit einem solchen Resultat gerechnet hatten. Enosch Wolf ist beispielhaft zu nennen. Der vertraglich gesperrte Center, der seine Karriere jetzt beendet, blickte lange verträumt in den Block, als das Team sich schon in die Kabine verabschiedet hatte.

Sportlich mag es unterm Strich nicht die erfolgreichste Saison der letzten Jahrzehnte gewesen sein. Die emotionale Verbindung zwischen Fans und Team nach zermürbenden Spielzeiten aber ist unvergleichbar mit (fast) allem, was man von den 46ers seit langem geboten bekam. Kein Drehbuchschreiber hätte sich eine idealere Saison ausdenken können, um zu kitten, was an Leidenschaft verloren gegangen war. Und genau das ist die Wiedergeburt des Gießener Basketballs, die Ignjatovic meint.

Vor der Osthalle fand am Abend dann noch eine Party statt. Bei Freibier wurde jeder Spieler, der langsam aus der Traditionsstätte tröpfelte, gefeiert. Auch Justin Martin, der im Winter nach Querelen fast entlassen worden wäre, mit seinem Dreier in Spiel zwei die Serie aber nochmal nach Gießen zurückbrachte. Als die Fans seinen Namen skandierten, kehrte er um - Frau und Sohn mussten warten. Er bat auf dem obersten Treppenabsatz um Ruhe. Ein durchdringendes »Psst« ging durch die Menge. Als es endlich still war, rief er in seiner Muttersprache: »Im Namen meiner Familie möchte ich mich bei den 46ers und ihren Fans bedanken.« Und auf Deutsch: »Danke schööööön!« Die Fans klatschten und sangen.

»Nach der Saison ist vor der Saison«, blickte Ignjatovic indes schon in die Zukunft. »Die richtige Arbeit geht jetzt los.« Der 56-Jährige hat in Gießen noch ein Jahr Vertrag und würde selbigen gerne verlängern. Der Verein ist überdies in Gesprächen mit den Leistungsträgern der Mannschaft. Einer davon soll signalisiert haben, auch im Fall des Nicht-Aufstiegs bleiben zu wollen. Ob man sich einig wird, wird die Zeit zeigen.

Fundic, der Zwei-Meter-Center, der durch seine kompromisslose Art Basketball zu spielen so etwas wie die Symbolfigur der Gießener Auferstehung wurde, sieht einer langen Reha entgegen. In der Adria-League hätte der Serbe schon letztes Jahr mehr Geld verdienen können. Sein Ziel aber ist die Bundesliga. Ob er das in Angriff nimmt durch einen sportlichen Aufstieg mit Gießen im nächsten Jahr? Unklar. Aber wenn ihn ein Mann auf dieser Erde überzeugt bekommt, dann wohl ein Ignjatovic. Dieser und das gesamte Team werden sich am heutigen Dienstagabend (18:46 Uhr) in der VIP-Lounge der Osthalle von allen Fans im Rahmen einer öffentlichen Abschlussfeier verabschieden. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Abschied bei möglichst vielen »Geburtshelfern« dieser Gießener »Wiedergeburt« nur vorläufig ist.

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