EC Bad Nauheim: Live-Stream in Kurstadt-Kneipen

Eishockey statt Fußball-Bundesliga: Drei Kneipen übertragen die Auswärtsspiele des EC Bad Nauheim. Wir haben bei einem Rundgang erfahren, wo was los ist und wie das Angebot ankommt.
Eishockey statt Fußball. Zweite Liga statt Champions League. SpradeTV statt Sky, DAZN oder Amazon. Die Auswärtsspiele des EC Bad Nauheim werden in drei Kurstadt-Kneipen live gezeigt. Warum die Gastronomen auf die Roten Teufel setzen, wie das Angebot angenommen wird und was die Fans am »Public Viewing« schätzen: Wir haben das Spiel am vergangenen Freitag zu einem Rundgang genutzt.
Willy’s Pub, Burgplatz / 1. Drittel : Die rund 30 Plätze im Bereich der Cocktailbar sind reserviert. Zu jedem Spiel. Quasi als Pub-Dauerkarte. Seit September vergangenen Jahres werden die Spiele hier gezeigt. Gastronom Stefan Ott, der vor gut einem Jahr das Pub übernommen hat, ist selbst EC-Fan, 15 Jahre lang hatte er einst bei Heimspielen im Catering unterstützt, in der »Südkurven«-Bude gestanden. »Das Angebot wird sehr gut angenommen. Es kommen stetig mehr Anfragen«, sagt Ott. Bei Bedarf können die Spiele auf einem zweiten TV in der Nichtraucher-Location gezeigt werden. Mit SpradeTV werde nach Quadratmetern abgerechnet. Fußball-Pay-TV sei aus wirtschaftlichen Gründen unrealistisch. »Mit dem EC erreiche ich Gäste, die sonst um diese Uhrzeit nicht bei mir sind«, sagt Ott mit Blick auf die Spieltermine freitags und sonntagsabends. Gäste wie Markus Schlüppmann, Dauerkarten-Inhaber der Roten Teufel und dessen Frau Nicole, trifft man hier. »Man kennt sich, wie man seinen Sitznachbarn aus dem Stadion kennt. Man kann sich austauschen, zusammen jubeln, sich zusammen ärgern, zusammen kritisieren«, sagt er. Das Spiel der Teufel in Regensburg an diesem Abend soll dazu reichlich Anlass geben. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn füllt sich Bar-Bereich im Pub, auch der eine oder andere Zufallsgast sei hier schon vom Stadionbesuch zum nächsten Heimspiel überzeugt worden, heißt es.
Am Freitagnachmittag hatte der EC einen Neuzugang verpflichtet. Was ist von ihm zu erwarten? Wo wird der wohl eingesetzt? Und: Muss in der Tabelle nach Platz vier, sechs oder acht geschaut werden? Fragen wie diese beschäftigen während der Vorberichterstattung. Schnell liegt der EC Bad Nauheim zurück. Mehr Körperspiel, mehr Zweikampfhärte wird in den Dialogen an den Tischen gefordert. Das obligatorische Torgetränk, je nach Tisch ein Likör 43, ein Pfeffi oder Ramazotti, bleibt hinter den Tresen. Mit einem 0:1-Rückstand geht’s in die Kabine.
So sieht‘s der EC Bad Nauheim
Dag Heydecker (Leiter Strategie und Öffentlichkeitsarbeit beim EC): »Bad Nauheim ist und bleibt ein außergewöhnlicher wie grandioser Eishockey-Standort. Dass unsere Auswärtsspiele gleich in drei Lokalen übertragen werden und die Fans dort mitfiebern, das ist einfach nur großartig und macht uns stolz.«
P 13, Marktplatz / 2. Drittel: Gastronom Tobias Mohr hatte als Erster in Bad Nauheim übertragen. Seit SpradeTV die Partien streamt sind hier die Auswärtsspiele der Roten Teufel auf einem TV im Eingangsbereich und einer Leinwand im hinteren Bereich der Location zu sehen. »Die Leute waren von Anfang an begeistert und haben das Angebot angenommen«, sagt Mohr. Rund 30 bis 40 Eishockey-Fans, darunter einige VIP-Dauerkarten-Inhaber der Roten Teufel, auch einige mit Fan-Shirts oder -Schal, kann er regelmäßig begrüßen. Viele haben vorab reserviert. Die ersten 20 Minuten an diesem Freitag haben spürbar auf die Stimmung geschlagen. »Die Gemeinschaft hier macht’s aus. Ich brauche einfach den Austausch, muss auch mal Emotionen zeigen können. Und wenn ein Wirt das Angebot liefert, dann muss man das auch unterstützen«, sagt Thomas Nau, der dem Eissport seit mehr als drei Jahrzehnten verbunden ist. Fünf Jahre lang hatte er als Stadionsprecher unterstützt, viele weitere Jahre im Ordnungsdient geholfen. Ob denn ein Jerry Pollastrone oder ein Taylor Vause an diesem Tag überhaupt mitspiele, wird angesichts der unscheinbaren Auftritte der beiden Schlüsselspieler gefragt. Die Frage, ob Trainer Harry Lange seine Leistungsträger angesichts der vergangenen Wochen öffentlich schützen müsse, wird am Tisch kontrovers diskutiert. Bad Nauheim ist noch immer ohne Treffer. Auf Verdacht wird ein »Tor-Schnaps« bestellt. Schließlich hatte das in der Vergangenheit funktioniert. An diesem Abend geht die Rechnung nicht auf. 0:3 heißt’s nach 40 Minuten. Getrunken wird dennoch.
Postwagen, Stresemannstraße / 3. Drittel: In der Fußgängerzone ist um diese Uhrzeit wenig Betrieb. Vereinzelt bleiben Passanten vor dem Postwagen stehen. Einer von fünf Bildschirmen überträgt die Partie nach draußen, wo im Sommer die Fußball-Fans mit ihren Mannschaften mitfiebern. Über Jahrzehnte hinweg wurde die Kneipe von ehemaligen Eishockeyspielern betrieben, beispielhaft seien »Pilo« Knihs, Carsten Greb und Martin Prada genannt. Eishockey- und Fußball-Trikots schmücken die Wände. Der Postwagen, inzwischen von Deniz Can und seiner Lebenspartnerin Chiara Summerauer geleitet, ist für seine Fußball-Übertragungen auf insgesamt fünf Bildschirmen geschätzt, gerade bei Kurgästen. Jetzt könnte Eishockey hinzukommen, Parallel-Übertragungen von Bundesliga und DEL2 sind technisch möglich. »Wir wollen schauen, wie es bei den Gästen ankommt«, sagt Can. Nach dem Bundesliga-Kick zwischen dem FC Schalke 04 und dem VfL Wolfsburg hat am Freitag niemand gefragt. Auf allen Monitoren laufen die Roten Teufel (ihrem Rückstand hinterher). Im Schlussabschnitt ist aber auch das Eishockey-Spiel bei den 20 bis 30 Gästen längst nebensächlich geworden. »Pilo« Knihs, inzwischen Markenbotschafter des EC Bad Nauheim, schüttelt am hintern Tisch enttäuscht den Kopf. »Heute will einfach nichts gelingen. Das muss besser werden.« 0:3 steht’s da zehn Minuten vor dem Ende, 0:3 ist auch der Endstand des Spiel in Regensburg.