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Josi Neumann: Mit Medaillen-Hoffnung zur EM

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Ausnahmetalent Josi Neumann aus Petterweil spielt in diesen Tagen bei den Jugend-Europameisterschaften. © Red

Josephina Neumann aus Petterweil will bei den Tischtennis-Europameisterschaften der Jugend an das Vorjahr anknüpfen.

(mka). Vor dem Abflug galt es noch, eine besondere Partie zu spielen, Josephina Neumann hatte sich schon darauf gefreut. »Dann zerstören wir die so richtig, und das gibt uns dann ein gutes Gefühl«, sagte die 13-Jährige und grinste ein bisschen frech, und so kam es dann ja auch, wie immer. »Keine Chance«, wusste Mutter Cornelia, obwohl: »Diesmal waren die Alten ganz gut drauf.« Es ist jetzt eine Tradition bei Familie Neumann aus dem Karbener Ortsteil Petterweil: Wenn die Tochter und Koharu Itagaki auf Tischtennis-Reisen gehen, wie praktisch jeden Monat, kommt die gute Freundin und bewährte Doppelpartnerin tags zuvor schon aus Bayern angereist, das bietet sich an bei der Nähe zum Frankfurter Flughafen. Und dann wird ein Doppel gespielt, Josephina, genannt »Josi«, mit Koharu gegen ihre Eltern Cornelia und Sven - mit meist eindeutigem Ausgang.

Keine Schande, gegen diese beiden Mädchen zu verlieren, das ist auch schon anderen passiert, selbst den Besten. Bei den deutschen Meisterschaften - der Erwachsenen - kam das außergewöhnliche Duo unlängst bis ins Finale, sensationell. Silber gewannen sie auch voriges Jahr bei den Jugend-Europameisterschaften, die nun wieder anstehen: Am Mittwoch flog man ins polnische Gliwice, am Freitag ging es los. Mit welchen Zielen? Ein oder zwei Medaillen wären schön, aber vor allem, sagt Josephina Neumann: »Ich versuche einfach, mein Bestes zu geben. Wenn das klappt, bin ich zufrieden.« Edelmetall hat sie bei der EM der Unter-15-Jährigen ja auch schon einiges gesammelt. 2021 Gold mit dem Team, gegen bis zu vier Jahre Ältere. 2022 neben dem Doppel-Silber auch Bronze im Team und Einzel.

Leichter wird es nicht, meint sie. Ihr 2010er-Jahrgang sei in Europa »unfassbar stark«, sagt Mutter Cornelia. Und jetzt könnten auch andere Nationen ihre Jüngeren von der Leine lassen. Josephina Neumann hingegen war immer schon früh dabei, überall die Erste, überall die Jüngste. Auch in der Bundesliga, wo sie der Vorzeigeverein TTC Eastside Berlin vor der nun absolvierten Saison unter Vertrag genommen hat. Mit zwölf Jahren, unter Stars wie Nina Mittelham. Mit denen sie prompt Meister und Pokalsieger geworden ist. Wie Cornelia Neumann-Reckziegel vor rund 35 Jahren mit der FTG Frankfurt, die Inschrift auf dem Pokal haben sie gemeinsam entziffert.

»Sie hat viel mehr Einsätze gehabt als gedacht und richtig gespielt, nicht nur als Statistin«, sagt Josis Mutter. Dabei war es erst einmal vor allem darum gegangen, durch die Unterschrift in Berlin Trainingspartnerinnen der Kategorie Mittelham zu gewinnen, für die Weltranglistenerste der U13, auf ihrem bemerkenswerten Weg. Von Geld ist da keine Rede, Aufwand aber betreibt sie schon wie ein Profi: Vier bis viereinhalb Stunden Training am Tag an der Platte, dazu regelmäßig Kraft und neuerdings auch Mentaltraining.

Wie das alles angefangen hat? »Meine Mutter und mein Vater haben Tischtennis gespielt, das wollte ich irgendwann auch probieren«, sagt sie. Und hat nicht mehr aufgehört. »Du hast einfach den Schläger in die Hand genommen und konntest spielen«, sagt Cornelia Neumann-Reckziegel zur Tochter.

Das HR-Fernsehen hat sie drei Jahre begleitet, für eine Dokumentation, abrufbar in der ARD-Mediathek: »Supertalent Josi«. Darin sind Familienvideos zu sehen: Wie sie als Vierjährige, Fünfjährige, Sechsjährige in der Garage die Kugeln über den Tisch drischt, mit herausragender Begabung für Bewegung und Ballgefühl und unendlicher Begeisterung. So wie das auch jetzt noch macht, nicht mehr in der Garage, sondern in der kleinen Tischtennishalle, die ihre Eltern in den Garten gebaut haben. Nur dass sie viel seltener zu Hause ist, das bringt die Entwicklung mit sich.

Slowenien, Kroatien, Portugal, Kairo, Schweden, Tschechien, Slowakei. Frankreich, Mazedonien. Montenegro, jetzt Polen - eine unvollständige Aufzählung der sportlichen Reiseziele übers Jahr. In der Landessportschule an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise oder in der Carl-von-Weinberg-Schule, der Sportschule im Stadtteil Goldstein, sieht man sie daher auch nicht so oft. »Im letzten halben Jahr war ich vielleicht vier Wochen in der Schule«, meint sie, der Rest wird online gelernt. Zwischen Trainingslagern, Spielen, Turnieren, Meisterschaften.

Wie den nationalen Titelkämpfen, mit dem Silber-Coup, vor 3000 Zuschauern. »Zu merken, dass so viele Leute für einen klatschen, ist schon cool«, sagt sie und strahlt. »Und dass wir da gegen welche gespielt und sogar gewonnen haben, die schon bei Euros mitgespielt haben.« Autogrammschreiben gehört inzwischen dazu, ebenso wie Kinder, die mit Plakaten auf der Tribüne sitzen und ihren Namen schreien. In der Doku wird sie an einer Stelle gefragt, was sie werden will, wenn sie groß ist, das ist schon zwei, drei Jahre her. »Weltmeisterin«; antwortet Josi Neumann und grinst, heute sagt sie: »Das ist natürlich ein Traum. Aber den hat wahrscheinlich jeder, der richtig Tischtennis spielt.«

So wie sie. »Für ihr Alter hat sie eine sehr gute Technik und trainiert große Umfänge. Sie zeigt, dass sie Motivation hat im Training und Spaß«, urteilt Jie Schöpp, frühere Spitzenspielerin, ehemalige Damen-Bundestrainerin und jetzt die zuständige Auswahltrainerin. Man kann nicht alles hundertprozentig voraussagen, was sie in zehn Jahren ist. Aber wir haben große Hoffnung, dass sie weiterspielt und zum Schluss wirklich als Profi für Deutschland spielt.«

Nach der EM ist eine Woche Urlaub in Italien geplant, der Tischtennisschläger natürlich im Gepäck. »Dann spielt sie wieder auf dem Terrassentisch oder dem Steintisch am Strand«, sagte die Mutter und schüttelt lachend den Kopf: »Die ist crazy.«

Wobei das natürlich ein ernstes Thema berührt: Ist das nicht alles zu viel für ein immer noch junges Mädchen? Auch für Neumanns ist das wichtig. Sie versuchen, die Balance zu halten, ohne die Begeisterung zu unterbinden, Josi dabei bestmöglich zu unterstützen, ganz zu bremsen ist sie ohnehin kaum. Wobei: Nach dem Italien-Urlaub stehen drei Wochen Turniere und Training in Hongkong und Taiwan an, und danach, sagt Cornelia Neumann-Reckziegel sei definitiv eine Woche Pause: »Man muss schon schauen, dass es nicht zu viel wird, dass man auch mal die Bremse reinhaut und sagt: Jetzt hat dieses Kind Ferien. Aber das sehen auch die Trainer so.«

Wichtig ist der Mutter, dass die Tochter auch die Verabredungen mit Freundinnen außerhalb des Tischtennis nicht vernachlässigt, manchmal macht sie schon selbst die Termine aus. Ab und zu gibt es auch Fragen, ob das nicht alles viel zu viel Aufwand ist, sie sieht das anders. Durch den Sport hätten sie als Eltern viel mehr gemeinsam mit Josi unternommen als es mit den älteren Brüdern war.

»Selbst wenn sie mit 16 auf einmal etwas ganz anders machen will: Alles gut«, meint Cornelia Neumann-Reckziegel. Diese Erfahrungen kann den Neumanns niemand mehr nehmen. Der Weg wird weitergehen - und ab und zu auch noch Zeit sein, in der eigenen kleinen Halle im Garten, luftig und hübsch mit Holz verkleidet, zusammen zu spielen, die Mutter mit der Tochter. »Das«, sagt Cornelia Neumann-Reckziegel, »ist für mich eigentlich das Schönste«. Und da kann man auch mit gewohnheitsmäßigen Niederlagen im Doppel gut leben.

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