Karbener Freshman am US-College

Viele NBA-Stars spielten in ihrer College-Zeit an der University of Florida in Gainesville. Die elitäre Hochschule genießt hohes Ansehen bei den Sportlern. Nun hat ein Karbener den Fuß in der Tür.
Aleksander Szymczyk landet hin und wieder in den Instagram- und Snapchat-Storys fremder Menschen. Die fotografieren ihn mitunter, wenn er gerade im Restaurant steht und zahlen will. Sicher, mit 2,10 Meter und 110 Kilogramm ist der 20-Jährige ein echter Blickfang. Aber die körperliche Erscheinung ist nicht der eigentliche Grund für das Interesse an seiner Person. Aleks Szymczyk ist Sport-Stipendiat am US-College in Gainesville und spielt im ersten Jahr für das Basketball-Team der Florida Gators. Er kommt aus der Wetterau und genoss den ersten Teil seiner sportlichen Ausbildung beim TV Okarben.
»Ich habe einen langen Weg hinter mir und einen langen Weg vor mir«, sagt der Freshman, wie man die Studenten im ersten Jahr nennt. »Ich will Plan A zur Realität machen.« Professioneller Basketball in der NBA oder bei einem europäischen Euroleague-Club soll es werden. Nur wenn das nicht klappt, will Szymczyk als Spielerberater, Scout oder Trainer arbeiten. Er studiert Sports Management.
Für ihn und seine Gators ist die Saison seit einigen Tagen beendet. Die South Eastern Conference schloss das Team von Headcoach Todd Golden mit neun Siegen und neun Niederlagen auf einem Mittelfeldplatz als Achter ab. Beim Playoff-Turnier war nach einer Runde Schluss. »Unsere Erwartungen waren höher, aber nach der Verletzung von Colin Castleton war zu erwarten, dass es schwer wird«, blickt der Wetterauer zurück. Mit Castleton verletzte sich der beste Gators-Akteur, quasi der Go-to-Guy des Teams, im Februar an der Hand. Die Saison für den Center war vorzeitig beendet.
Zweifellos ein Schock für alle Teamkameraden, dennoch war es für Big Man Szymczyk die Chance auf erhöhte Spielzeiten. Anstatt Kurzeinsätze erhielt er zum Ende der Hauptrunde plötzlich 20, 15, 17 oder 19 Minuten pro Partie.
In der kommenden Spielzeit soll der Durchbruch folgen. Castleton wird dann nicht mehr im Team sein. Seine College-Zeit ist vorbei. Dennoch muss Szymczyk weiter hart arbeiten, um seine Chance nutzen zu können. Besonders im Defensivverhalten muss und will er sich verbessern. In der Offense hat er einen für Center nicht alltäglichen Vorteil. »Ich habe gute Werferfähigkeiten aus der Distanz und einen starken Drei-Punkte-Wurf«, schätzt der gebürtige Pole seine Qualitäten ein.
Dabei deutete bei Szymczyk früher nichts auf eine Basketball-Laufbahn hin. Seine Kindheit in der Wetterau führte ihn als Fußballer zum SV Gronau, nach dem Umzug der Familie nach Karben dann zum 1. FC Rendel und schließlich zum KSV Klein-Karben. »Ich habe oft im Tor gespielt, weil ich damals schon recht groß war.« Eines Tages nahm ihn sein Nachbar Markus Marburg mit in die Halle des TV Okarben. Dort entdeckte er seine Passion für das Spiel mit dem Korb und nervte seine Mutter fortan mit Ballkontroll-Übungen im Wohnzimmer. Wann immer der Kobe-Bryant-Fan nicht in die Halle konnte, war er am Rendeler Freiplatz mit Korbanlage anzutreffen.
Max Krug entdeckt schnell das Talent
Sein damaliger Trainer Max Krug erinnert sich: »Er war extrem ehrgeizig, hat viel gearbeitet, war wissbegierig und hat alles aufgesaugt. Für seine Größe hatte er ein tolles Händchen.« Um das Talent weiter zu fördern, brachte ihn der TVO-Coach mit einer Doppellizenz nach Kronberg in die U18-Oberliga. Von da ging es weiter zur Frankfurter Eintracht, die dem Karbener in der Skyliners-U19 schon Bundesliga-Einsätze ermöglichte. Mit 16 Jahren avancierte Szymczyk für die Eintracht in der Regionalliga-Partie der Herren gegen Trier zum Top-Scorer.
Nach einem mehrmonatigen US-Aufenthalt an der High School entschied er sich dafür, sein letztes U19-Jahr in München zu verbringen, spielte dort in der dritten Liga für den TSV Oberhaching und machte Abitur. Der Kontakt an die University of Florida kam durch einen Bekannten zustande, der als Agent arbeitet. So flog der frisch gebackene Abiturient im vergangenen Jahr mit seinen Eltern zu Todd Golden nach Gainesville - und entschied sich blitzartig für dieses College.
Die Umstellung fiel Szymczyk nicht schwer, auch mit der englischen Sprache hatte er keine Schwierigkeiten. »Natürlich vermisse ich meine Familie, aber mit zwei Klicks kann ich sie immer erreichen«, erzählt der 20-Jährige. Zum Nachdenken ist ohnehin nicht viel Zeit. Sein Alltag ist durchgetaktet und besteht neben den Kursen beinahe täglich aus Training - mit dem Team, im Kraftraum oder freiwillig bei Wurfübungen. Abends bleibt ein bisschen Raum für Hausaufgaben, um Freunde zu treffen oder ein Buch zu lesen.
Im Sommer kehrt der Stipendiat in die Wetterau zurück und dürfte auch in der Okarbener Halle wieder ein paar Körbe werfen. Im neuen Semester will er angreifen und eine größere Rolle im Team übernehmen. Am Heim-Campus läuft er dann vor etwa 10 000 Zuschauern auf, auswärts in größeren Hallen sind es zum Teil sogar mehr. Dann könnte es sein, dass sich noch mehr Menschen ein Foto mit dem 2,10-Hünen wünschen. »Das ist auch kein Problem. Ich mache gerne ein Foto mit jedem, aber ich möchte, dass mich die Leute vorher fragen«, sagt der Big Man aus Karben.