Nach AHL-Titel: Warum Julian Napravnik in Hershey verlängert

Julian Napravnik hat seine Profi-Debüt-Saison mit dem Titelgewinn in der American Hockey League gekrönt. DEL-Klubs wollten den 26-Jährigen verpflichten. Hier erzählt der Ilbenstädter, warum er bei den Hershey Bears verlängert hat.
Im Frühjahr 2022 hatte der Deutsche Eishockey-Bund ihm die Perspektive einer Nominierung zur WM aufgezeigt. Nun, im Juni 2023, hat Julian Napravnik seine Profi-Debüt Saison mit dem Titelgewinn in der American Hockey League gekrönt. Der 26-jährige Ilbenstädter will sich in Nordamerika durchbeißen. Großes Ziel bleibt die NHL.
21. Juni, Acrisure Arena in Coachella Valley, Kalifornien: In der 17. Minute der Verlängerung von Spiel sieben der Playoff-Finalserie trifft Mike Vecchione zum 3:2-Sieg für Hershy. Die Bears aus der 14 000 Einwohner-Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania gewinnen den Calder Cup, wie die Trophäe in der American Hockey League (AHL), der zweitstärksten Liga in Nordamerika, genannt wird. Mittendrin: Julian Napravnik aus Ilbenstadt. Der 26-Jährige hatte von 2008 bis 2012 im Nachwuchs der Roten Teufel gespielt und war über Mannheim schließlich in die Vereinigten Staaten gewechselt (2016). Der AHL-Titel macht Napravnik zu einem der erfolgreichsten Spieler, die Bad Nauheim je hervorgebracht hat.
Wenige Tage nach dem Titelgewinn hat der Flügelstürmer dann seinen Flirt mit Klubs der Deutschen Eishockey-Liga beendet und seinen Vertrag mit den Hershey Bears um eine Saison verlängert. »Ich hatte gute Gespräche und weiß, dass ich es schaffen kann, mich durchzusetzen. Mein Ehrgeiz ist nach den Eindrücken und den Erfahrungen der vergangenen Saison nur noch größer geworden«, sagt er nach seiner Debüt-Saison, die ihm neben schönen auch die knallharten Seiten des Profi-Geschäfts aufgezeigt hat.
Napravnik wurde in nur 18 der 72 Spiele während der regulären Saison eingesetzt. Er erzielte fünf Treffer, konnte zwei weitere Tore vorbereiten, bekam Eiszeit in Schlüsselsituationen; im Powerplay, in Overtime. Trotz des zumeist positiven Feedbacks der Coaches: Weite Teile der Saison und die kompletten Playoffs musste er als Zuschauer verfolgen; erst recht, da die mit den Bears kooperierenden Washington Capitals die NHL-Playoffs verpasst und Profis mit sogenannten Zwei-Wege-Verträge ins Farmteam nach Hershey abgestellt hatten, die entsprechend berücksichtigt werden mussten. »So ist das Business. Es ist schwer, in solchen Momenten positiv zu bleiben, sich weiter in jedem Training anzubieten«, sagt Napravnik.
Ein Wechsel innerhalb der Liga (»Es hat sich abgezeichnet, dass Hershey eine starke Saison spielt), nach Europa (»Dann wäre ich erstmal raus dem Fokus der NHL-Klubs) oder eine Stufe tiefer in die East Coast Hockey League (»Ich weiß, dass ich oben mithaltern kann und wollte deshalb nicht nach unten«) schloss er recht schnell für sich aus. »Ich hatte wenig Wettkampfzeit. Aber ich habe in dem Winter viel gelernt, auch über mich selbst. Ich arbeite an mir, will mich durchboxen und anbieten, so dass der Trainer nicht an mir vorbei kommt; egal, wer aus der NHL runterkommt«, sagt der Linksschütze.
Der Puck, mit dem er im November 2022 gegen Hartford Wolf Pack seinen ersten AHL-Treffer erzielt hatte, hat er aufgehoben. »Ich stand allein vor dem Torwart, bekam den Puck, hab kurz angetäuscht und oben links getroffen.« So etwas vergisst man nicht.«
Im Frühjahr 2022 ist er nach Hershey gekommen. Die Chance auf Eiszeiten und Playoff-Minuten in der AHL reizte ihn mehr als die Möglichkeit, sich im Camp der Nationalmannschaft für eine Nominierung zur WM zu empfehlen, die ihm der damalige Bundestrainer Toni Söderholm aufgezeigt hatte. Letztlich bestritt Napravnik nur noch vier AHL-Spiele. Nach einem üblen Check von hinten in die Bande war die Saison gelaufen. Diagnose: Gehirnerschütterung, Nasenbeinfraktur. »Dennoch: Es war schon eine coole Erfahrung, bei den Profis hineinschnuppern zu können.«
Mit einem Teamkollegen lebt Napravnik inzwischen in einer Zweier-WG, nur wenige Minuten von der Hershey Arena und dem benachbarten Entertainment-Park, entfernt. Dieses Areal ist der Anziehungspunkt in der Region. Ansonsten sei dort alles recht überschaubar, erzählt er. Zu den Heimspielen kommen im Schnitt aber mehr als 8000 Zuschauer.
Der Kontakt nach Deutschland hat sich außerhalb der Familie in den nun acht Jahren in Nordamerika auf ein Minimum reduziert. Mit Colin Ugbekile (künftig Iserlohn Roosters) spielte er in der Saison 2017/18 für die Des Moines Buccaners in der USHL, zusammen verbrachten die beiden nun einige Tage in Amsterdam. Sylt, wo Bruder Kevin seine Hochzeit gefeiert hat, und Mallorca waren die weiteren Sommer-Ziele von Julian Napravnik, der sich inzwischen in Minnesota, wo er studiert hatte, wo seine Lebensgefährtin Zuhause ist, auf den Trainingsauftakt Mitte September vorbereitet. Zwei Wochen vor dem Start mit den Hershey Bears geht er wieder mit dem NHL-Kader der Washington Capitals auf’s Eis, mit Weltstars wie Alexander Owetschkin. Dessen Avatar hatte er als Teenager noch auf der Playstation gesteuert.