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Sommer-Serie (I): Der Titel, der Streit und das Schlupfloch

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Der Matchwinner: Ein Treffer von Brad Miller hat das alles entscheidende Spiel in Kassel in der Verlängerung entschieden. Der US-Amerikaner aus den Reihen des EC Bad Nauheim konnte den Pokal in die Höhe recken. © Joachim Storch

Am 21. April 2013 begann für den EC Bad Nauheim eine neue Zeitrechnung. Zum Start unserer »Sommer-Serie« blicken zurück auf Zwist, Liquiditätsengpässe, Titel und ein juristisches Schlupfloch.

Sportlich glich die Saison 2012/13 einem wunderschönen Märchen. Frank Carnevale, der 13 Jahre zuvor in Bad Nauheim auf dem Weg zum Zweitliga-Titel ausgebremst und wenige Wochen vor dem Playoff-Start entlassen worden war, kam zurück in die Wetterau, um seine »Mission zu beenden« und der »Stadt den Titel zu schenken, den diese schon so lange verdient hat«, wie er es pathetisch beschrieb. Mit der ihm eigenen Mischung aus Entertainment, Psychologie und Provokation konnte der Italo-Kanadier Mannschaft und Fans erneut mitreißen; in der krassen Außenseiterrolle im Dreikampf mit Frankfurt und Kassel. Der EHC Klostersee wurde im Viertelfinale besiegt, gegen Selb im Halbfinale ein 1:2-Rückstand in der Serie gedreht und schließlich im Finale gegen Kassel überrascht. Die Story um das Siegtor von Brad Miller in der Verlängerung ist x-fach erzählt.

Carnevale und der Mannschaft war es gelungen, trotz sportlich ungleicher Duelle mit Mannschaften aus Neuwied, Ratingen oder Herford, den Fokus zu halten und die turbulenten Winter-Wochen auf Funktionsebene auszublenden. Ende November 2012 nämlich waren die Unstimmigkeiten zwischen Wolfgang Kurz als Alleingesellschafter und Andreas Ortwein als Geschäftsführer eskaliert. Die Diskussion und die differierenden Sichtweisen bezüglich der künftigen strukturellen Ausrichtung der GmbH hatte das Duo Kurz/Ortwein entzweiht. Die Zweckgemeinschaft im Sinne des Profi-Eishockeys in Bad Nauheim zerbrach, nachdem auch Gespräche im erweiterten Kreis mit Werbepartnern, Ehrenamtlern sowie Vorständen von Nachwuchs- und Förderverein keine gemeinsame Linie aufgezeigt hatten. Ortwein pochte - Abhänigkeiten von Hans Bernd Koal und der Familie Grünewald aus der jüngeren Vergangenheit im Hinterkopf - auf eine breitere Gesellschafter-Basis und trat schließlich zurück.

Hinter den Kulissen wurden da bereits die Weichen für dessen Rückkehr gestellt. Lizenzhalter für den Spielbetrieb der Profi-Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt der Nachwuchsverein unter dem Vorsstandstrio Uwe Gericke, Martin Schöer und Martin Flemming. Rasch wurde der Kooperationsvertrag mit der »Kurz-GmbH« zum Saisonende gekündigt, ebenso schnell eine neue GmbH gegründet, die ab der Saison 2013/14 den Spielbetriebs übernehmen sollte.

Gesellschafter waren Thomas Korff, Jörg Semmler, der Nachwuchs- und der Förderverein. Die Strippen im Hintergrund zog allerdings Ortwein. Ihm vertrauten die Werbepartner, er war als als künftiger Geschäftsführer vorgesehen und in sämtliche Prozesse eingebunden. Einen Titelgewinn hatte zu diesem Zeitpunkt niemand auf der Rechnung.

Ein Schlupfloch in den Statuten hatte dem Klub die Option eines solchen Übergangs überhaupt ermöglicht. Inzwischen wurde diese Lücke geschlossen. Heute kann sich nur die GmbH um eine Lizenz bemühen, die auch den Aufstieg geschafft hat. Wirtschaftliches Harakiri, um gegebenenfalls nach einer Insolvenz unter neuem Namen einen neuen Anlauf in Richtung Titel starten zu können, soll ausgeschlossen werden.

Kurz und seine GmbH waren in diesen Wochen weitgehend isoliert, die Tage gezählt, ein Übergang für Mai geplant. Im Februar, wenige Wochen vor dem Playoff-Start, stieg allerdings der wirtschaftliche Druck. Gleich fünf Winter-Neuzugänge hatte Carnevale durchgedrückt, um sein ehrgeiziges Ziel zu erreichen. Kurzfristig stellten Sponsoren - im Vorgriff auf die kommende Saison - nach intensiven Verhandlungen der alten GmbH eine Summe von 80 000 Euro bereit, um den laufenden Spielbetrieb zu stabilisieren. Eine Playoff-Teilnahme war aufgrund kurzfristig-fälliger Zahlungen gefährdet.

Weitere Unterstützung folgte in den kommenden Wochen, um einen geräuscharmen, geordneten Übergang zu ermöglichen. Hinter den Kulissen wurde die neue GmbH derweil auf ein breites Fundament gestellt. Ein Sponsoren-Beirat wurde installiert, ein Instrument, das den großen Werbepartnern Einblicke in die wirtschaftliche Situation ermöglicht, beratend bei strategischen Entscheidungen einbindet, Möglichkeiten zur Einflussnahme gewährt und auch heute noch existent ist.

Die Rechnung ist aufgegangen; sportlich (mit dem Aufstieg, der die neue GmbH vor unerwartete Herausforderungen gestellt hat), wirtschaftlich (mit der verhinderten Insolvenz). Am Ende hatten alle ihren Anteil am Aufstieg: Zum einen die Mannschaft, zum andren Wolfgang Kurz, der mit Nachverplichtungen quasi All-in gegangen war, aber auch die neue GmbH, die für Liquidität gesorgt hatte. Die Hypothek, mit einer fünfstelligen Minus in die erste DEL2-Saison zu starten, wurde gerne in Kauf genommen. »Rückblickend betrachtet war diese Entwicklung ein Glücksfall für den Standort«, sagt Ortwein, der noch heute die Geschäfte führt.

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