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Sommer-Serie (III): Wie Marcel Brandt die Fans elektisieren konnte

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Emotional, mitreißend: Marcel Brandt begeisterte im Frühjahr 2018 das Publikum im Colonel-Knight-Stadion mit seiner Spielweise. © Agentur Andreas Chuc

Er hatte so richtig Bock, er hatte Herz, und er hatte Qualität. Marcel Brandt drückte dem EC Bad Nauheim während eines Sieben-Wochen-Gastspiels im Frühjahr 2018 seinen Stempel auf.

Die Roten Teufel hatten in ihrer langen Historie Nationalspieler im Kader. Natürlich: Allen voran Rainer Philipp, den Bronzemedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen. Sie hatten auch Spieler, die sich durch individuelle Klasse, besondere Vita oder außergewöhnliche Momente von anderen abhoben. Und dann gab es da Marcel Brandt. Schon lange Zeit vor ihm (und auch danach nicht mehr) war es keinem anderen Profi gelungen, dem EC Bad Nauheim derart seinen Stempel aufzudrücken - und dies in kürzester Zeit. Vom 1. Februar 2018 bis zum Playoff-Aus in der zweiten März-Hälfte hatte er bei den Hessen unter Vertrag gestanden. »Ich hätte damals keine bessere Entscheidung treffen können. Gerade von der mentalen Seite hat mich diese Zeit als Mensch im positiven Sinne verändert. Manchmal ist’s besser, einen Schritt zurückzugehen, um dann zwei Schritte nach vorne machen zu können.«

In Düsseldorf hatte er sich in den Kader von Bundestrainer Marco Sturm gespielt, bei der DEG hatte er in der Saison 2017/18 unter Mike Pellegrims allerdings auch die Lust auf Eishockey verloren. »Es hat nicht mehr gepasst. Da kamen auch Gedanken, komplett mit Eishockey aufzuhören«, räumt er rückblickend ehrlich ein.

»Marcel war nicht nur durch die Dinge, die er auf dem Eis gemacht hat, ein Gewinn für das Team. Er hat auch die Kabine positiv beeinflusst.«

Cody Sylvester

In Bad Nauheim war seine Freude am Sport zurückgekehrt. Brandt wirkte befreit, blühte auf. »Das waren zwei der besten Monate, die ich je hatte. Ich hatte das Gefühl: Hier bin ich richtig. Alles war herzlich, familiär. Die Last der vorangegangenen Wochen, all das Negative war weg. Natürlich fällt alles leichter, wenn man Erfolg hat«, sagt der gebürtige Dingolfinger. Neun von elf Hauptrunden-Spielen haben die Roten Teufel nach dem Transfer-Coup gewonnen. Die Mannschaft war am Ende direkt in das Playoff-Viertelfinale eingezogen. Brandt erzielte neun Tore, konnte acht weitere Treffer vorbereiten, wurde zum DEL2-Spieler des Monats gewählt.

»Marcel war nicht nur durch die Dinge, die er auf dem Eis gemacht hat, ein Gewinn für das Team. Er hat auch die Kabine positiv beeinflusst«, sagte der damalige Topscorer Cody Sylvester.

Auf der Tribüne erkannte Manfred »Tiger« Müller, VfL-Legende aus den 1970er Jahren und heute Markenbotschafter: »Marcel Brandt war der Chef, hat gesagt, wo es langgeht. Das war bei den Mitspielern akzeptiert.« Es habe einfach vom Typ her gepasst. »Er hat Emotionen reingebracht und sich so in die Herzen gespielt«, meint Andreas Ortwein, der Geschäftsführer. Krachende Checks, spektakuläre Alleingänge, ein siebter Sinn, Volksnähe - Brandt vereinte das komplette Repertoire eines Publikumslieblings, ist vorangegangen, hat sich nie geschont, obwohl er den DEL-Anschlussvertrag in Straubing längst unterzeichnet hatte.

Hängen bleibt begleitend zum unglücklichen Playoff-Aus gegen den ESV Kaufbeuren (drei Niederlagen mit nur einem Treffer Unterschied) auch die Anekdote rund um das letzte Spiel. Während die Mannschaft bereits am Vortag ins Allgäu gefahren war, ist Brandt mit dem privaten PKW mitten in der Nacht nachgereist. Eine dringende private Fahrt nach Düsseldorf am Vortag hatte der Allrounder kurzhand mit einem Einsatz in der Skaterhockey-Bundesliga verknüpft. »Der Trainer hat mich auf der Fahrt gefühlt 800-mal angerufen. Irgendwann konnte ich nicht mehr Nein sagen«, erzählt Brandt. Tags darauf zeigte er beim Playoff-Aus in Kaufbeuren seine wohl unauffälligste Leistung im Dress der Roten Teufel. »Marcel ist ein Typ mit Ecken und Kanten. Wenn man solche Spieler wie ihn in Bad Nauheim haben will, muss man gewisse Dinge akzeptieren«, hatte Matthias Baldys, damals der Sportliche Leiter, versucht, den sportart-übergreifenden, unprofessionellen Ausflug diplomatisch auszudrücken.

In Straubing konnte sich Marcel Brandt in den folgenden Jahren wieder für die Nationalmannschaft empfehlen. Mit seiner Ehefrau, zwei Töchtern und zwei Hunden lebt er heute »in einem kleinen Dorf« und werkelt im Sommer an Haus und Garten. In Bad Nauheim erinnert man sich derweil dankbar für das Feuerwerk, das Brandt im Frühjahr 2018 gezündet hatte.

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