Sommer-Serie (IV): Das größte Spiel

Am Anfang war es eine Schnapsidee. Am Ende wurde ein Eishockey-Fest gefeiert. Das »Winter Derby« des EC Bad Nauheim im Fußball-Stadion von Offenbach wird als ein Rekord-Event in Erinnerung bleiben.
Nie zuvor war ein Spiel der Roten Teufel aufwändiger inszeniert worden. Nie zuvor war die mediale Aufmerksamkeit größer. Nie zuvor hatte eine Eishockey-Mannschaft aus Bad Nauheim mehr Zuschauer bei einem einzigen Spiel! 13 Monate lagen zwischen Idee und Umsetzung des 400 000 Euro-Projekts, das zuvor nur von DEL-Branchenriesen wie Mannheim, Nürnberg, Köln oder Düsseldorf ausgerichtet worden war. »Dieses Spiel hat gezeigt, welches Potzenzial der Standort Bad Nauheim hat«, sagt Geschäftsführer Andreas Ortwein.
Für vier Wochen hatte sich das traditionsreiche Fußball-Stadion am Bieberer Berg in eine Eissport-Arena verwandelt. Mit neun Sattelzügen war das Material nach Offenbach gebracht worden, unter anderem drei Kühlaggregate (mit 1,5 Mega Watt-Leistung), zwei Eismaschinen, die Bande (zerlegt in mehr als 90 Module), Hochdruckpumpen, Isoliervlies, 16 000 Liter Kühlmittel, Plexiglasscheiben, Tore - das Komplettpaket eben. Mit 400 Tonnen Brechsand musste der Fußballrasen eingeebnet werden.
Kurstadt gegen Metropole
Kurstadt gegen Metropole war zum Spiel gegen die Löwen Frankfurt das Motto. Passend zum Spektakel passte der sportliche Abschluss. Die Entscheidung fiel erst mit dem zehnten Penaltyschuss. Roope Ranta wurde für den EC Bad Nauheim zum Party-Crasher, der zuvor zweimal einen Rückstand ausgeglichen hatte. Mit einer Vorlage, zwei verwandelten Penaltys und einem Traumtor drückte der Finne dem Spiel seinen Stempel auf, führte die Löwen zum 3:2-Erfolg. Ein Feuerwerk beendete einen unvergesslichen Abend, der von den Punkrockern »Donots«, den Eisakrobaten Sergej Yakemenko und Violetta Afanaseva mit irren Flugeinlagen und waghalsigen Sprüngen sowie dem »Team Berlin 1«, dem 20-fachen deutscher Meister im Synchron-Eiskunstlaufen, mit eindrucksvollen Bildern umrahmt worden war.
Eine richtige Karawane ist aus der Wetterau losgezogen. Das zeigt die Identifikation der Menschen mit diesem Sport.
Jan Weckler, der Landrat des Wetteraukreises, hatte von einem »Event der Superlative gesprochen. Eine richtige Karawane ist aus der Wetterau losgezogen. Das zeigt die Identifikation der Menschen mit diesem Sport«. Peter Beuth, der Hessischer Minister des Innern und für Sport, lobte: »Ein tolles Event. Eine tolle Präsentation des Sports«. Und Klaus Kreß, der Bürgermeister der Stadt Bad Nauhein, meinte: »Die Stimmung ist der Hammer. Man merkt, welches Potenzial Eishockey hat und was dieser Sport für Bad Nauheim bedeutet.«

Für Missmut, der das Verhältnis beider Klubs im Anschluss auch lange Zeit prägen sollte, hatte lediglich das Desinteresse der Fans der Löwen Frankfurt gesorgt. Nur etwa 4000 klassische Löwen-Fans wollten das Auswärtsspiel vor der eigenen Haustür verfolgen (Zuschauerschnitt bei deren Heimspielen in dieser Zeit: 4600, DEL2-Bestwert). Der »Hessischen Rundfunk«, der mehr als drei Stunden live übertragen hatte, meldete rund 60 000 Zuschauer und einem Marktanteil von 2,9 Prozent.
Sei’s drum: Die Roten Teufel hatten die Plattform Winter-Derby zur Imagewerbung nutzen können, die Kraft ihrer Tradition, ihren Zusammenhalt als Eishockey-Familie und ihre Leistungsfähigkeit demonstriert; registriert von führenden Köpfen der Stadt, Kreis- und Landesregierung, hinausgetragen durch Live-Bilder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ein unbezahlbares Puzzleteil im Gesamtbild EC Bad Nauheim. Mehr als 10 000 Menschen aus der Wetterau und Mittelhessen konnten für einen »Heimspiel«-Besuch in Offenbach mobilisiert werden, um dort ein Eishockey-Fest zu feiern. Das gelingt abseits des Fußball wohl keinem anderen Zweitliga-Klub und wohl keinem Handball- oder Basketball-Erstligisten. Es unterstreicht eindrucksvoll, welche enorme Bedeutung Eishockey in der Region genießt.