Sommer-Serie (VII): Sie sind von Anfang an dabei

Andreas Ortwein und Harry Lange sind von Anfang an dabei. Der eine als Geschäftsführer, der andere zunächst als Spieler, heute als Trainer. Ortwein und Lange haben den EC Bad Nauheim und dessen Entwicklung in der Deutschen Eishockey-Liga 2 geprägt.
Der eine sitzt in der Geschäftsstelle. Für den anderen ist die Kabine das zweite Zuhause. Andreas Ortwein und Harry Lange prägen - jeder auf seine Weise - den EC Bad Nauheim seit mehr als einem Jahrzehnt; nach innen wie nach außen. Sie stehen für Identifikation, Konstanz und Leidenschaft und personifizieren die Roten Teufel wie dies über einen solch langen Zeitraum in der mehr als 75-jährigen Eissport-Historie nur wenigen Menschen vor ihnen gelungen ist.
»Eigentlich«, sagt Lange rückblickend, »hatte ich mit meiner aktiven Zeit quasi schon abgeschlossen, bevor ich nach Bad Nauheim gekommen bin«. In Graz, wo er acht Jahre lang gespielt und die 99ers unter anderem als Kapitän geführt hatte, wollte er ins Berufsleben einsteigen. Im Rathaus, ein klassischer Bürojob, »irgendetwas im Sport-Ressort, für die Stadt oder das Land.« Seinem Berater hatte er im Sommer 2012 signalisiert, keine Angebote einholen zu müssen, Anfragen abgelehnt. Auch dem EC Bad Nauheim, konkret dem damaligen Trainer Frank Carnevale sowie Patrick Strauch, seinem Freund aus einem dreimonatigem Intermezzo in Dresden, hatte er zunächst »sieben oder acht Mal« abgesagt, ehe es den gebürtigen Klagenfurther doch noch einmal aus Kärnten wegzog.
Heute steht Harry Lange in Bad Nauheim als Trainer für die sportlich erfolgreichsten Momente seit mehr als zwei Jahrzehnten, ist der Symphatieträger des Klubs und hat in der Wetterau privat sein Glück gefunden. Hier hat er seine Lebenspartnerin kennengelernt, hier wurde seine Tochter geboren.
Mit der »Nähe zu Köln« hatte Strauch bei Lange im Sommer 2012 um dessen Unterschrift bei den Roten Teufeln geworben. Letzlich war es gelungen, ihn zu überzeugen. Der Österreicher wohnte anfangs in Altenstadt, später fünf Jahre in Butzbach-Ostheim, ehe es nach Bad Nauheim zog. 290 DEL2-Spiele (42 Tore, 93 Vorlagen) hat der Stürmer für die Roten Teufel bestritten und nicht eine einzige Partie vor seinem Abschied im März 2018 gefehlt.
Die Nachwuchsarbeit hatte Lange da bereits unterstützt. Zunächst die U20 - damals als Assistent von Daniel Heinrizi - später die U9, an der Seite von Thomas Barczikowski. 2018 standen die Zeichen dann auf Abschied. »Ich wollte selbstbesimmt meine aktive Zeit beenden, und in Bad Nauheim hatte es keine Option auf einen Einstieg in das Trainer-Business gegeben.« Oberligist Herne hatte ihm hingegen Perspektiven im Senioren-Bereich aufgezeigt.
Die überraschenende Entscheidung vom damaligen EC-Coach Petri Kujala, Bad Nauheim nach vier Jahren zu verlassen, öffente Lange aber die Tür, in der Kurstadt zu bleiben. Der Österreicher assistierte zunächst also Christof Kreutzer zwei Jahre lang, stand im Anschluss auch dessen Nachfolger Hannu Järvenpää loyal zur Seite, ehe ihm selbst während der »Corona«-Saison die Verantwortung als »Chef« übertragen wurde; als Assistent an seiner Seite: Patrick Strauch.
Nach sieben sieglosen Spielen und inzwischen auf den letzten Tabellenplatz zurückgefallen, konnte der erste Sieg gefeiert werden; eine Trendwende. Für die Playoff-Teilnahme hat es nicht mehr gereicht, Lange hatte dennoch binnen weniger Wochen überzeugen können.
In seiner ersten Saison als Chef-Coach führte er Bad Nauheim ins Halbfinale, zuletzt ins Finale. Zweimal mussten sich die Roten Teufel gegen Ravensburg geschlagen geben.

Von Verantwortung und Klimmzügen
Andreas Ortwein engagiert sich seit 2008 bei den Roten Teufeln; als Tausendsassa. Keiner ist tiefer in allen Themen involviert; angefangen bei der Spielbetriebs KG, über den Nachwuchs, das Projekt Stadion-Neubau, aber auch als Kommissions-Mitglied die Entwicklung der DEL2 betreffend. Ortwein geht in der Fülle der Tätigkeiten auf. Früh hatte er Führungsaufgaben übernommen. Im Alter von nur 21 Jahren führte er eine Abteilung mit rund 40 Mitarbeitern, zum Hessentag 2007 in Butzbach war er in der Projektleitung tätig. In 16 Vereinen ist Ortwein aktives oder passives Mitglied, politisch unter anderem im Ortsbeirat seiner Heimat aktiv. »Verantwortung zu übernehmen war für mich Ende 2007 nichts Neues«, erinnert er sich an die Anfänge, damals unter Alleingesellschafter Wolfgang Kurz. »Der EC war schon immer Herzblut für mich. Über meinen Bruder Michael bin ich dann direkt in Kontakt gekommen«, sagt Ortwein.
Rund 550 000 Euro betrug der Etat in der Saison 2007/2008. Nach dem DEL2-Aufstieg 2013 waren 1,8 Millionen Euro zu stemmen, bis 2025 wird sich die Summe wohl verdoppelt haben. So mancher, egal, ob Ehrenamtler oder Werbepartner, hat den Weg bis heute begleitet.
Den Konflikt mit Wolfgang Kurz im Herbst 2012, als die unterschiedlichen Auffassungen zur Entwicklung der GmbH zum Zerwürfnis geführt hatte, die verbalen Attacken nach der Trennung von Frank Carnevale, sowie die Corona-Zeit, »die viel Kraft gekostet haben«, bezeichnet er als die schwierigsten Momente.
Als Höhepunkt nennt er »all das, was wir mit unseren Rahmenbedingungen im Laufe der Jahre gemeinsam im Team entwickelt haben«. Drei Projekte (Crowdfunding,, Winter-Game, Gründung der GmbH & Co KG) in den Jahren 2018 und 2019 hätten der Spielbetriebs KG einen Push gegeben und sie in der Breite deutlich besser aufgestellt. »Wir hatten in meiner Anfangszeit ein Eigenkapital von 30 000 Euro. Es ist heute unvorstellbar, was wir für Klimmzüge haben machen müssen.« Heute hat die GmbH das Eigenkapital mehr als verzehnfacht.
Aus dem regulären Tagesgeschäft für Themen wie Sponsoring, Ticketing und Catering hat sich Ortwein nach der Rückkehr von Tim Talhoff als gleichberechtigter Geschäftsführer und dem Engagement von Dag Heydecker, zuständig für Strategie und Öffentlchkeitsarbeit, zurückgezogen. Heute konzentriert sich Ortwein auf seine verbliebene Verantwortung für den Sport- und Spielbetrieb und das Neubau-Projekt. Dass er auf dem langen Weg Kritiker hatte und hat, ist ihm bewusst. »Die große Mehrheit weiß, dass ich über 15 Jahre hinweg jede Minute meiner Freizeit für die Roten Teufel geopfert und immer alles im Sinne des Klubs gegeben habe. Dass ich rückblickend auch mal die eine oder anderen falsche Entscheidungen getroffen habe, gehört dazu. Ich denke aber, dass die meisten Entscheidungen richtig waren und heute die Basis bilden durch die wir nun mit einem starken Aufsichtsrat, einer breiten Kommandit-Struktur und Beiräten, der geteilten Geschäftsleitung und einer gut aufgestellten Geschäftsstelle in einem großen Team für den EC wirken können.« Wann sein persönliches Engagement für die Roten Teufel mal endet, lässt Ortwein offen. »Solange es Spaß macht, die Gesundheit mitspielt und das Vertrauen des Aufsichtsrates da ist werde ich den Weg des EC weiter unterstützen«