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Temporeicher Nostalgie-Trip

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Wilhelm Nagelschmidt aus Büdingen bringt seine beiden Yamaha-Modelle RD 250 und XJ 650 als Fahrer der »neueren« Modelle an den Start. © Oliver Potengowski

(ten/aw). Ein großer Erfolg war der 33. ADAC/VFV Schottenring Historic Grand Prix des MSC Rund um Schotten am vergangenen Wochenende. Rund 5500 Zuschauer sahen bei strahlendem Sonnenschein zwei Tage lang packende Renn- und Sonderläufe mit Motorrädern und Gespannen aus mehr als 120 Jahren. Den Gesamtsieg holte sich in diesem Jahr Ulrich Schmidt aus Felsberg mit einer 1948er Gilera Sanremo.

Im Rahmen der Gleichmäßigkeitsläufe spielt es keine Rolle, war als Erster beim Schottenring Grand Prix die schwarz-weiß karierte Zielflagge sieht. Kontinuierliche Rundenzeiten werden honoriert. Aber die Protagonisten, die stets auf der letzten Rille um den Schottener Stadtkurs düsen, sind eben auch gleichmäßig unterwegs.

Dabei erwiesen sich die Sommerhitze und die Schwüle als besondere Belastung für Publikum, Fahrer und Material. »Schweißtreibend«, kommentierte Reinhold Kaiser (Gedern), der zusammen mit Beifahrer Patrick Schupp (Kefenrod) den siebten Platz in den Gespannklassen N+Q belegte, die Verhältnisse. Besonders in der Leder-Kombi machte sich die Hitze bemerkbar. Aber »das Hauptproblem ist das Ausziehen«, erläutert Kaiser. Denn am Ende der Fahrt klebt die Lederkleidung förmlich am Körper.

Dafür sei das BMW-Gespann perfekt gelaufen, stellte Schupp fest. Und angesichts des Dauerregens noch vor wenigen Tagen konnte er sogar der Hitze etwas Positives abgewinnen. »Lieber nass geschwitzt, als nass geregnet«, erklärte er, während er mit Kaiser ein kühles Fußbad nahm. Zwei Plätze hinter dem Gespann von Kaiser/Schupp wurde Bernd Albert (Laubach) mit Jann Philipp Wagner (Schotten) gewertet. Damit lag das Team drei Plätze vor dem dritten Team aus der Region. Stephan Hilberg und Marcel Kämmer (beide Schotten) erreichten den zwölften Platz.

Wagner, der als Schriftführer auch Vorstandsverantwortung trägt, war einer der meistbeschäftigten Sportler des Wochenendes. Außer in der Klasse N startete er auch gemeinsam mit Albert in der Klasse Z. Dazu trat er mit einer BMW-Solo-Maschine in der Klasse K an, in der Klaus Jung (Gießen) souverän siegte.

Attraktive Gespann-Rennen

Als wären diese zwölf Rennläufe noch nicht genug, verstärkte Jann Philipp Wagner auch noch als Beifahrer André Kretzer in seinem Suzuki IDM-Gespann. Dadurch eröffneten sich ihm Vergleichsmöglichkeiten. »Von der Beschleunigung ist das schon beeindruckend«, kommentierte Wagner Kreters Maschine. »Aber bei den alten Gespannen kannst du mehr arbeiten.«

Seit vier Jahren fährt der Stammbeifahrer von Bernd Albert am Schottenring auch mit einer Solo-Maschine. Dass das auch eine BMW ist, ist maßgeblich auf Alberts Einfluss zurückzuführen, räumt Wagner ein. »Das ist Entspannung«, bewertet er die geringere Anstrengung im Vergleich zum Beifahrer im Gespann. Trotzdem erreichte er in der Wertung der Klassen J+K den sechsten Platz.

Stellvertretend für die Verjüngung des Schottenring Historic Grand Prix steht Wilhelm Nagelschmidt aus Büdingen. Er ging am Wochenende mit einer Yamaha RD 250 (Platz 7 Klasse U) und einer XJ 650 (Platz 20 Klasse M, S, F) an den Start. Vor zehn Jahren war er das erste Mal mit der RD 250 angetreten. Vorher habe die Maschine, die er in desolatem Zustand von einem Freund übernommen hatte, mindestens zehn Jahre in der Garage gelegen. »2009 habe ich beim Bergrennen in Schotten eine umgebaute RD gesehen«, beschreibt Nagelschmidt den Impuls, in den historischen Rennsport einzusteigen. »Da wusste ich, was ich zu tun habe.« Drei Tage später stand er mit seiner umgebauten RD 250 selbst am Start. »Der Einstieg wurde auch gleich mit dem Gesamtsieg gekrönt«, lacht sein Freund Jürgen Heidt. »Man merkt, dass die Organisation, auch was die Anlieger betrifft, ausreift«, lobt Heidt den MSC. Dazu sei das Fahrerlager auf der Wiese eine Besonderheit des Schottenrings. »Das hat was, man kann jeden ansprechen.«

Nagelschmidt hat beobachtet, dass die Zuschauer- wie auch die Starterzahlen seit den Hochzeiten um die Jahrtausendwende rückläufig seien. Ein Grund könnten die gestiegenen Kosten sein, merkt er an. So seien die Startgelder merklich teurer geworden.

Doch viele, die in den frühen Jahren des Schottenring Grand Prix gefahren sind, können Jahrzehnte später aus Altersgründen nicht mehr antreten. Eine natürliche Entwicklung, der der MSC rund um Schotten durch mehr Attraktivität der Veranstaltung für jüngere Fahrer und das dazugehörige Publikum erfolgreich begegnet.

Der Vorsitzende Wolfgang Wagner-Sachs betonte dazu den Zusammenhalt in der Region als Grundlage für den Schottenring Grand Prix. So habe sich ein Landwirt etwa extra eine Presse gekauft, um die mehreren Tausend Strohballen, die für die Streckensicherung notwendig sind, liefern zu können. »In Frankfurt oder einer anderen großen Stadt wäre das nicht möglich«, dankte Wagner-Sachs der Region. »Ich bin überglücklich, dass ich der Vorsitzende eines solchen Vereins bin, der zusammenhält, der etwas bringt in die Region.«

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Reinhold Kaiser aus Gedern zirkelt das BMW-Kneeler-Gespann (rechts) aus dem Jahr 1964 um den Schottener Stadtkurs. Artistisch sorgt sein Enkel Patrick Schupp (Kefenrod) im »Boot« für die Balance. © Ralph Lehmberg

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