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Türk Gücü Friedberg: Projekte, Motivation und Ziele

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Von: Michael Nickolaus

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Ramazan Kaplan zählt zu den Gründungsmitgliedern von Türk Gücü Friedberg. Heute ist er Vorsitzender des Fußball-Hessenligisten. © Michael Nickolaus

Ramazan Kaplan, der Vorsitzende von Fußball-Hessenligist Türk Gücü Friedberg spricht im Interview über Ehrenamt, Mäzenatentum und seine Motivation.

(mn). Ramazan Kaplan ist Vorsitzender von Türk Gücü Friedberg. Und das seit 14 Jahren schon. Die öffentliche Bühne überlässt der 55-Jährige aber gerne anderen; dem Sportlichen Leiter oder auch dem Trainer des Fußball-Hessenligisten. Bei TGF-Heimspielen steht der Unternehmer (Textilreinigungen), der sich politisch einst im Ausländerbeirat der Kreisstadt sowie in der Türkisch-Islamischen Union und dem Deutsch-Türkischen Kulturverein engagiert hatte, lieber im Hintergrund. Er grillt, sammelt nach Spielende auch mal die Pfandflaschen auf dem Sportgelände ein. Im Interview mit unserer Redaktion spricht Kaplan, der vor mehr als drei Jahrzehnten zu den Gründern des Klubs zählte, erstmals über Mäzenatentum, Ehrenamt, Motivation und die Ziele des Vereins.

Ramazan Kaplan, in der Fußball-Szene werden Sie als Klub-Mäzen betrachtet, der die Hessenliga-Teilnahme quasi alleine finanziert.

Ich bin seit mehr als 30 Jahren im Klub und anderen Bereichen ehrenamtlich aktiv, ebenso ist das ehrenamtliche Engagement meiner Kollegen im Verein sehr groß. Ich weiß, dass viele denken, ohne den Kaplan würde Türk Gücü nicht in der Hessenliga spielen. Das stimmt so nicht. Wir haben derzeit 35 Sponsoren. Einige sind vielleicht wegen mir gekommen, aber die würden auch ohne mich weitermachen. Andere Werbepartner haben aus der Vergangenheit eine Vorgeschichte und deshalb eine Beziehung zum Verein. Vielleicht würden wir ohne mich nicht eine Top-Fünf-Platzierung anstreben können, aber Hessenliga könnte man definitiv spielen. Wir sind so aufgestellt, dass wir nicht von einem Unterstützer abhängig sind.

Türk Gücü hat 2018 als erster Klub mit türkischen Wurzeln den Aufstieg in die Hessenliga geschafft. Was treibt Sie nun weiter an, obwohl die Zuschauerzahlen doch ernüchternd sind?

Natürlich machen wir uns nach jedem Heimspiel Gedanken, woran es liegen könnte, dass wir bislang weder eine türkische Community aus der Region noch weitere Zuschauer in größerer Zahl für uns gewinnen konnten. Liegt das am Eintrittsgeld? Lag das am Standort Rosbach? Ich denke, viele Außenstehende sehen nicht die Qualität, die der Kader hat. Ich bin zugleich überzeugt, dass wir auf dem Burgfeld mehr Zuschauer haben werden. Das Hessenpokalspiel gegen Wehen Wiesbaden hat gezeigt, was möglich ist (800 Zuschauer waren gekommen/Anm. d. Red.), auch sportlich.

Viele Klubs mit südosteuropäischen Wurzeln sind oft recht schnell, gerade nach sportlichen Erfolgen, wieder verschwunden.

Der Verein wurde zwar von Migranten gegründet, aber mittlerweile ist die dritte Generation in der Vorstandsarbeit aktiv. Bei uns im Verein wird deutsch gesprochen. Das zeigt schon ein Blick auf den Kader, in dem deutsche Spieler in der Mehrheit sind. Insgesamt stehen wir auf einem soliden Fundament und wollen auch deutsche Fußball-Freunde auf unserem Weg mitnehmen.

Wann ist im Klub die Entscheidung gereift, das Abenteuer Hessenliga einzugehen?

Beim Aufstieg in die Gruppenliga haben wir geschaut, wo wir stehen, ob wir mithalten können und haben uns im Winter verstärkt. Ein späterer Durchmarsch war so nicht geplant. Dann sind wir abgestiegen, wollten aber wieder zurück. Wir haben wieder geschaut, wo wir stehen und uns verstärkt. Die Hessenliga hatten wir gar nicht im Sinn. Und viele dachten, wir steigen direkt wieder ab. Jetzt wollen wir uns dort etablieren.

Nach dem Start der Saison 2020/21 mit fünf Siegen aus fünf Spielen war kurzzeitig gar die Regionalliga ein Thema!

Ja, natürlich könnten wir jetzt überlegen, ob wir das angehen wollen. Aber Regionalliga-Fußball gibt die Infrastruktur in Friedberg nicht her. Und ich will keine Heimspiele in Frankfurt austragen. Ich bin Friedberger und möchte die Mannschaft in Friedberg sehen.

Dann ist das sportlich Machbare nun ausgereizt? Wo sehen sie den Klub in drei bis fünf Jahren?

In der Hessenliga, als etablierten Klub, der für den einen oder anderen Spieler als Sprungbrett in die Regionalliga dient. Als Klub, dem vielleicht die eine oder andere weitere Überraschung im Hessenpokal gelingt, der im Nachwuchs gemeinsam mit anderen Klubs Talente entwickelt. Wir sind uns auch bewusst, dass wir keine klassische Fanbase haben und wollen das Drumherum aufbauen. Der Klub ist mehr als 90 Minuten Fußball.

Über viele Jahre hinweg war Jugendarbeit quasi nicht existent. Zur Vorsaison waren nun von den E- zu den G-Junioren drei Nachwuchsmannschaften gemeldet worden. Kritiker werfen Ihrem Klub vor, lange die eigene Jugendarbeit vernachlässigt und sich stattdessen bei anderen Klubs bedient zu haben.

Wir haben in der Vergangenheit den kurzfristigen Weg gewählt, haben auf A- und B-Jugendliche gesetzt, um diese schnell in den Seniorenbereich integrieren zu können. Jedoch kam von unten nichts nach. Die jetzige Vorstands-Generation geht den umgekehrten Weg, will Spieler entwickeln, steckt mehr Engagement in die jüngeren Jahrgänge und möchte den Verein langfristig durch Jugendarbeit etablieren. Unter unserem Motto »Wir spielen für Friedberg« hatten wir ein Jugend-Konzept entwickelt und es zwei Friedberger Vereinen auch vorgestellt, um hier vor Ort - auch mit Unterstützung von Hessenliga-Spielern als lizenzierten Jugendtrainern - die Qualität zu erhöhen und Jugendlichen vielleicht einmal eine Alternative zu Standorten wie Karben oder sogar Wieseck anbieten zu können. Leider kam von der JSG Friedberg eine Absage bezüglich einer Kooperation..

Insbesondere beim VfB ist man auf Ihren Klub und dessen Handlungsweisen in der Vergangenheit nicht gut zu sprechen.

Spielerwechsel sind im Amateurbereich nun mal gang und gäbe. Manchmal verlassen uns viele Spieler, manchmal sind es wenige, die gehen. Die Spieler kommen zu uns, weil sie von uns überzeugt sind und verlassen uns, wenn es nicht mehr passt. Damals waren bei beiden Vereinen andere Vorstände aktiv als heute, und beide Seiten schildern die Handlungsweisen unterschiedlich. Was jedoch feststeht ist, dass diese Geschichte fast 15 Jahre zurückliegt. Und es bringt nun nichts, nur in die Vergangenheit zu blicken. Wir müssen uns auf heute und die Zukunft konzentrieren. Wir haben inzwischen eine neue Generation im Vorstand, die für einen Neustart steht und auf die Friedberger Vereine zugehen wird.

Sie hatten Ideen, das Sportgelände in Ossenheim - teils mit eigenen finanziellen Mitteln - mit einem Vereinsheim und einem Kunstrasenplatz aufzupeppen. Woran sind diese Projekte gescheitert?

Für einen Kunstrasenplatz ist das Areal wegen der Nässe nicht geeignet. Ein alternatives Grundstück für dieses Vorhaben konnte uns nicht zur Verfügung gestellt werden. Zudem wurde uns wurde schon vor vielen Jahren seitens der Stadt signalisiert, dass die Entwicklung des Kasernengeländes vorangetrieben werde. Da wollten wir warten, statt vorschnell in Ossenheim in den Bau eins Vereinsheim zu investieren. Beim Umzug nach Rosbach war es für uns darum gegangen, Zeit zu überbrücken. Zum Hessenliga-Aufstieg war uns dann bereits von der Stadt signalisiert worden, auf dem Burgfeld spielen und eine Trainingseinheit bestreiten zu können. Wir waren aber Neuling, wussten nicht so recht, was in dieser Liga auf uns zukommt und haben diese Option deshalb nicht forciert. Jetzt sind wir froh, auf dem Burgfeld spielen zu können. 32 Jahre ohne echte Heimat - das hätte sicher nicht jeder Verein durchgehalten. Wir wollen dort aber nicht für immer bleiben, wollen auch niemanden etwas wegnehmen, sondern wünschen uns eine Heimspielstätte in der Kaserne.

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