Türk Gücü Friedberg und die fehlende Konstanz

Türk Gücü Friedberg landete in der Hessenliga (Gruppe B) nur auf dem neunten von elf Plätzen. Das Etappenziel Aufstiegsrunde verpasste man. Warum das so war, erklären wir in der Zwischenbilanz.
(ace). Ein mit höherklassig erprobten Fußballern gut aufgestellter Kader sollte den Wetterauer Fußball-Hessenligisten Türk Gücü Friedberg eigentlich auf einen der ersten fünf Plätze in der Gruppe B führen. Doch es kam völlig anders: Die hoch gesteckten Erwartungen konnten unter dem Strich in keinster Weise erfüllt werden. Zumindest was den Ligabetrieb angeht, denn in den Pokalwettbewerben sorgten die Kreisstädter vor allem mit der Sensation gegen Drittligist SV Wehen Wiesbaden für Furore. Anders in der Hessenliga, denn Rang neun von elf Mannschaften war sicher nicht das erklärte Ziel. Was bleibt, ist Enttäuschung, aber auch das Vorhaben und die Überzeugung, aus der im Frühjahr beginnenden Abstiegsrunde unbeschadet herauszukommen.
So lief die Runde - Platz fünf sollte es also für den am Ober-Rosbacher Eisenkrain zur Untermiete spielenden Club mindestens sein. Dass dieses Vorhaben gründlich in die Hose ging, hatte mehrere Gründe, aber in der Rückschau bleibt für Trainer Carsten Weber auch nur zu betonen, »dass diese Gesamtbilanz nicht das ist, was wir uns erhofft hatten«. Allerdings begann die Mannschaft im Sommer die Vorbereitung nach achtmonatiger Zwangspause mit wichtigen personellen Ausfällen. Als dann die Runde im August startete, waren die Friedberger von Corona-Infektionen betroffen, sodass sich ein Großteil des Teams in häuslicher Isolierung absondern musste.
Das erste Auswärtsspiel in Waldgirmes musste verlegt werden, und eine Woche später gab es gegen den späteren Staffelsieger Hessen Dreieich ein 2:2-Unentschieden. Allerdings waren solche Leistungen mit Seltenheitswert versehen. Was vor allem fehlte, war die Konstanz. Dazu gab es in Sachen Startelf stets Bewegung, sodass die Kontinuität eben nicht einsetzte. »Wenn wir mal ein Spiel gewinnen konnten, haben wir uns den Teilerfolg am nächsten Spieltag gleich wieder eingerissen«, konstatiert Weber.
Bezeichnend: Nicht einmal gelang es, zwei Partien in Folge zu gewinnen. Weber erkennt das Ausmaß »der fehlenden Punktekonstanz. Wir haben gegen den Ball gravierende Fehler produziert, dadurch zu viele einfache Gegentore erhalten. Vorne waren wir nicht effizient genug, brauchten eine unglaubliche Anzahl an Chancen, um zu treffen.« Der Coach spricht von »ständig neuen Baustellen« und einer »Kopfsache«. Dabei sei sein Team selten das spielerisch schlechtere Team gewesen. »Nur beim 0:3 in Dreieich waren wir wirklich chancenlos«, rekapituliert der TGF-Trainer.
Fünf Unentschieden in Folge im Herbst waren dann letztlich zu viele, denn schon zwei Siege mehr hätten gereicht, um anstatt des überraschend sich qualifizierenden Underdogs vom TuS Dietkirchen in die obere Zone zu springen. »Das macht das ganze noch ärgerlicher, denn möglich war es angesichts der vielen Patzer der Konkurrenten in dieser ausgeglichenen Gruppe allemal«, so Weber.
Das lief gut - Noah Michel wurde mit 14 Treffern Torschützenkönig der Südweststaffel, netzte immer wieder sehenswert. Die Kehrseite der Medaille: Die Mannschaft war zu sehr von ihm abhängig, einen zweiten torgefährlichen Akteur suchte man vergebens. Nur der junge Murad Mahmudov war in dieser Hinsicht ein Lichtblick, denn in wenigen Einsätzen kamen immerhin drei Tore zustande. »Murad kann genau wie Aret Demir vermehrt Treffer beisteuern. Aber es stimmt: Ein zweiter Torjäger würde uns helfen. Im Winter ist solch ein Spieler sicher schwer zu bekommen«, bleibt Weber realistisch.
Auf jeden Fall machte Friedberg aber seinem Ruf als Pokalmannschaft alle Ehre. Schon im Sommer wurde der nachträglich ausgetragene Wettbewerb der Vorsaison souverän gewonnen, und auch in der Version der neuen Spielzeit erreichte man das Viertelfinale, wo am 9. März 2022 der ungeschlagene Gruppenliga-Tabellenführer SC Dortelweil wartet.
Das absolute Sahnestück war aber der kaum für möglich gehaltene 1:0-Triumph über die Drittliga-Profis vom SV Wehen Wiesbaden am 10. November auf dem eigens dafür hergerichteten Burgfeld. Nicht nur Disziplin und Willenskraft, sondern »alles, was an so einem Tag gebraucht wird«, musste aufgeboten werden, um die 90 Minuten plus zehn ohne Gegentor zu überstehen. Intensität, der Lucky Punch durch Michel und mehrere Portionen an Glück sowie ein überragender Schlussmann Felix Koob ließen das Wunder Realität werden. »Selten haben wir jemals so tief verteidigt, selten einen so großen Aufwand betrieben«, betont Weber.
Das lief nicht so gut - Neben der mageren Punkteanzahl war natürlich auch immer wieder der fehlende Komfort am Eisenkrain ein Thema. Die maroden Kabinen, der Weg auf den Platz, der meist holprig und schwer zu bespielende Rasen sowie das dürftige Zuschauerinteresse, das trotz einiger guter Ideen der Vereinsführung nicht signifikant höher wurde, zehrten an den Nerven. Allerdings für Weber kein Grund für irgendwelche Entschuldigungen: »Natürlich sind die Bedingungen im Gegensatz zu einigen anderen Vereinen nicht optimal. Zuschauer bringen sicher auch Emotionen mit, aber weil sie ausgeblieben sind, kann das nicht als Grund herhalten, warum wir nicht genug Punkte gesammelt haben.«
Besonders bedauerlich: Die aus den Scharmützeln mit einigen unverbesserlichen Anhängern des TuS Dietkirchen resultierenden Geldstrafen wegen unsportlichen Verhaltens für den Verein beziehungsweise Spielsperren gegen zwei Fußballer, die nun für den wichtigen Beginn der Abstiegsrunde außer Gefecht sind.
Der Ausblick - Vor der Abstiegsrunde steht am letzten Februar-Wochenende das Gastspiel des neu ausgelosten Hessenpokal-Achtelfinales beim FSV Fernwald auf dem Programm. »Ein Fifty-Fifty-Spiel zum Ende der Vorbereitung«, sagt Weber. Klar ist, dass im Hinterkopf schon der für ein mögliches Viertelfinale wahrscheinliche Gegner Kickers Offenbach herumgeistert. Fundamental für die unmittelbare Zukunft des Clubs ist aber die Abwendung des drohenden Abstiegs in die Verbandsliga Süd. Je zwei Vergleiche mit Bayern Alzenau, Hanau 93, dem Hünfelder SV, Buchonia Flieden, dem SV Steinbach und dem KSV Baunatal bleiben, um den 14 mitgenommenen Zählern so viele hinzuzufügen, dass man sich nicht unter den letzten sechs wiederfindet.
»Das werden emotional und mental sehr anstrengende Spiele. Jede Woche mit Endspielcharakter«, blickt Weber voraus. »Die anspruchsvollen, teilweise intensiv vom Kampf geprägten Partien müssen losgelöst vom ganzen betrachtet werden. Denn: »Es steckt viel Qualität in der Gruppe. Wir brauchen mentale Stabilität.«