Vor 50 Jahren: Das Pokal-Wunder von Nieder-Florstadt

17. Juni 1973 - heute vor exakt 50 Jahren. Endspiel um den Hessenpokal. Der FC Nieder-Florstadt holt als noch immer einziger Klub aus dem Fußballkreis Friedberg den Cup in die Wetterau.
Zum Jahrestag blicken wir auf das Finale sowie das spätere Aus in der ersten Hauptrunde im »Süddeutschen DFB-Pokal« gegen den FSV Frankfurt.
Am Samstagabend (19 Uhr) kommen die Fußball-Helden im Saal Lux noch einmal zusammen. Exakt 50 Jahre nach dem für die meisten größten Tag ihrer aktiven Zeit. Die Kulturinitiative der Stadt will den historischen Erfolg des FC Nieder-Florstadt im Fußball-Hessenpokal noch einmal in Erinnerung rufen. Interviewrunden sind geplant, musikalisch und gesanglich umrahmt. Ein 168-Seiten-Buch von Hubert Reuß geht in den Verkauf und beschreibt den Weg des Vereins zu diesem Triumph mit vielen Bildern und Pressetexten. Natürlich: Die Original-Trophäe wird zu bewundern sein. An jenem 17. Juni 1973 hat der FC als damaliger A-Ligist den Hessenpokal gewonnen.
Im Cabrio durch Nieder-Florstadt
2500 Zuschauer, davon mehr als 800 Fans aus der Wetterau hatte die Partie mobilisiert. In Aßlar gewann die Mannschaft von Spielertrainer Herbert Kröll gegen den Gruppenligisten SSV Bottenhorn mit 2:1. Beide Treffer erzielte Karl-Heinz »Fuzzy« Schleiter, der später 76 Zweitliga-Spiele für den SV Darmstadt 98 bestritten hat. »Als wir nach Hause kamen, sind wir in Cabrios durch den Ort gefahren. Die Menschen standen auf der Straße Spalier. Der Spielmannszug lief vorneweg. Das war unglaublich. Wie bei Eintracht Frankfurt - nur eben eine Nummer kleiner«, sagt der 70-Jährige augenzwinkernd.
»Das Finale hielt das, was man sich von ihm versprochen hat«, sagte der Verbandsspielausschussvorsitzende Heinrich Ripper, als er FC-Spielführer »Siggi« Willitsch den Cup übergeben hatte. Von einem »verdienten Sieg« sprach Friedbergs Kreisfußballwart Günther Christ (Weckesheim). Überrascht waren die Zuschauer, dass der A-Ligist gegen den Gruppenligisten spielerische Vorteile hatte. Für den FC Nieder-Florstadt, zu diesem Zeitpunkt bereits Meister der A-Klasse Hanau/Friedberg, war dieser Sieg der krönende Saisonabschluss und Höhepunkt einer Entwicklung die nach der Trennung der Fußball-Abteilung von der Sport-Union im Jahr 1968 und der Verpflichtung von Herbert Kröll als (Spieler-)Trainer, federführend vom damaligen FC-Vorsitzenden Helmut Walther, eingeleitet worden war. Der Kader war fast ausschließlich mit echten Florstädtern besetzt, viele hatten bereits gemeinsam die Schule besucht, bis heute halten die Freundschaften.
In der (Vereins-)Gaststätte unweit des 1971 sanierten Waldsportplatzes wurde gefeiert. Doris Jepram, die zusammen mit ihrem Mann Heinz die Wirtschaft betrieb, brachte die Schnitzel für die Mannschaft eigens noch über die Straße zur Terrasse vor den Kabinen auf dem Sportgelände, wo die FC-Kicker schon mit den Fans feierten.
Mit Tribüne aus der US-Kaserne
Mit dem Final-Erfolg im Bezirkspokal gegen Rot-Weiß Frankfurt war rund um die damlige Gemeinde eine Fußball-Begeisterung erst ausgelöst worden. Das Hessenpokal-Halbfinale gegen FSV Oberwalluf, den A-Ligen aus dem Rheinau, bildete den anschließenden Höhepunkt. Vom Baseballfeld der Ray Barracks, der US-amerikanischen Kaserne, wurden die Tribünen ausgeliehen. 2200 Zuschauern wurde ein dramatischer Kampf auf Biegen und Brechen geboten. Durch die Treffer von Jürgen Kaufmann und Eckhard Freitag hatten die Gastgeber die Partie drehen können, kurz vor Schluss aber den Ausgleich kassiert, so dass die Verlängerung entscheiden musste. Schleiter, Fleischer sowie erneut Kaufmann erzielten binnen vier Minuten drei Treffer und führten die Entscheidung beim späteren 5:3-Erfolg herbei. »Besser hätte sich ein Regisseur das nicht ausdenken können«, sagt Schleiter rückblickend.
Sechs Wochen später, inmitten der Vorbereitung auf die Saison 1973/74, hatte der FC Nieder-Florstadt dann Heimrecht gegen den FSV Frankfurt, der sich Hessenliga-Meister und Aufsteiger in die damals zweitklassige Regionalliga ordentlich verstärkt hatte. Offiziell gehörte diese Partie zur Hauptunde im »Süddeutschen DFB-Pokal« (damals wurde der nationale Wettbewerb in einem anderen Format ausgespielt).
Entscheidung in der Schlussphase
Erneut säumen weit mehr 2000 Zuschauer das Sportgelände an der Ortsgrenze - und sie hatten sich bereits auf eine Verlängerung eingestellt, als FSV-Torwart Karl-Heinz Volz (später Trainer beim KSV Klein-Karben) einen Eckball herunterpflückte, einen Konter einleiten konnte und Torjäger Racky nicht mehr zu stoppen war. »Das Ergebnis hätte genausogut umgekehrt lauten können. Unser Konzept ist mit Ausnahme des Frankfurter Siegestreffers aufgegangen. Die besseren Chancen während der zweiten Halbzeit hatten wir«, befand FC-Spielertrainer Herbert Kröll. Helmuth Walter, der Vorsitzende, war stolz auf die Mannschaft (»Mehr kann man von einem Bezirksklassenverein nicht verlangen«), und Fritz Löbig, der Bürgermeister Willi Holzmann vertrat, lobte: »Die Mannschaft ist über sich hinausgewachsen. Sie hat den FSV gar nicht zur Entfaltung kommen lassen.« Torjäger »Fuzzy« Schleiter fehlte im übrigens in diesem denkwürdigen Pokalspiel. Wenige Tage zuvor hatte sich sich in einem Testspiel eine Gehirnerschütterung zugezogen.
Bis 1986 hielt sich die Mannschaft in der Bezirkslasse Frankfurt-West, stieg nach 13 Jahren ab. Nach einer Ehrenrunde über die Kreisliga B folgte 1991 der Aufstieg in die neu geschaffene Bezirksliga. Nach vielen Spielzeiten in der höchsten »Friedberger« Liga ging’s 2016 in die Kreisliga A, im Vorsommer gar in die Kreisliga B, die jetzt auf Rang vier abgeschlossen werden konnte.
