Vor zehn Jahren: EC Bad Nauheim ist Oberliga-Meister

21. April 2013. Der EC Bad Nauheim feiert den Oberliga-Titel. Warum der Geschäftsführer das Spiel nicht gesehen hat, was das Finale mit dem Einsatz eines Sicherheitsdienstes in Mainz zu tun hat: Hier gibt‘s die Final-Anekdoten.
Um 21.08 Uhr, in der zehnten Minute der Verlängerung des alles entscheidenden fünften Final-Spiels, schießt Brad Miller den EC Bad Nauheim zurück in die zweite Eishockey-Liga. Warum dieser Erfolg beim FSV Mainz 05 den Einsatz eines Sicherheitsdienstes ausgelöst hat, warum der damalige Alleingesellschafter und Geschäftsführer des EC Bad Nauheim erst nach Spiel-ende ins Stadion kam, warum zu Beginn der Verlängerung der Bewegtbild-Live-Stream ausgefallen war und warum ein Fan wochenlang eine Schiene tragen musste - zum Zehnjährigen haben wir einige Anekdoten des emotionalen Finaltages zusammengefasst.
Auto statt Stadion
Wolfgang Kurz war zum Ende der Saison 2012/13 Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Spielbetriebs GmbH. Die unter seiner Verantwortung wichtigste und im wahrsten Sinne finale Partie seiner Amtszeit erlebte der heute 59-Jährige als Hörspiel. Kurz verfolgte die Begegnung aus dem Auto heraus, das auf dem VIP-Parkplatz unmittelbar vor der Eissporthalle geparkt war. Der Hintergrund: Nach Spiel drei wenige Tage zuvor war der damalige EC-Boss in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Fan der Kassel Huskies verwickelt worden, nachdem dieser die Kurz’sche Lebensgefährtin mit vulgären Ausdrücken beleidigt hatte. »Ich wollte keinen Ärger provozieren, bin deshalb draußen geblieben«, sagt Kurz. Via Radio und per Kurznachrichten dem Stadion hat er die Partie verfolgt, die Stadion-Kulisse war bis auf den Parkplatz zu hören. »Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass wir gewinnen.« Total entspannt sei er gewesen. Erst nach dem finalen Treffer brachen die Dämme. Zur Siegerehrung kam Kurz über den Kabinengang ins Stadion, feierte mit der Mannschaft auf dem Eis.
Sentimentale Momente
In der Eissporthalle am Auepark hatte Alexander Elflein als Fan das Spiel verfolgt. »In dem Moment, als Chris Stanley das Spiel verzögerte und Brad Miller durchgestartet ist - da wusste ich: Das ist’s. Wir gewinnen«, sagt Elflein. In Sekundenbruchteilen war ihm der lange Weg zurück in die zweite Liga durch den Kopf geschossen. Das Freiluftstadion in Wiesbaden, die Fahrten nach Netphen ins Eishockey-Niemandsland. Nach der Rückkehr nach Bad Nauheim hielt Elflein mit Freunden inne. »Für einen guten Kumpel, einen leidenschaftlichen Eishockey-Fan, der vier Jahre zu vor gestorben war und dies nicht mehr erleben durfte. Ein sehr schöner, wenn auch sentimentaler Moment der Stille.« Im »Easy« am Marktplatz wurde die Nacht zum Tag gemacht und mit vielen anderen aus dem Meister-Pokal getrunken.
Schmerzhaftes Andenken
Thomas W. König, Co-Autor der beiden Chroniken zum 60- und 75-Jährigen Eissport-Jubiläum in Bad Nauheim, erlebte das Finale mit gut 500 weiteren Fans auf einer Videoleinwand im Colonel-Knight-Stadion. In der Kurve hatte er gestanden, als in der Pause nach regulärer Spielzeit sowie in den ersten Minuten der Verlängerung der Stream der Hessisch Niedersächsischen Allgemeine (HNA) ausgefallen war. Schnell machten Gerüchte die Runde, man habe gewonnen, dann wiederum, man habe verloren. »Viele hatten ihr Handy am Ohr und versuchten, irgendwie Kontakt nach Kassel aufzunehmen«, sagt König. Und dann traf Miller zum Sieg der Roten Teufel. »Ich bin vor Freude hochgesprungen und auf der Kante der Treppe aufgekommen.« Der Abend endete früh, humpelnd verließ König das Stadion, nach den offiziellen Feierlichkeiten Tag darauf ging er dann zum Arzt. Diagnose: Archillessehnenanriss. Mehrere Wochen musste König eine Schiene tragen. »Eine Verletzung, die ich nie bereut habe. Nur wer leidet, wie beim Abschied vom VfL 1982 kann sich freuen wie beim Titel 2013. Das ist das Schicksal eines Fans«, sagt König im Interview mit der Stadion-Zeitung »Teufels-News«.
Kurzschluss im TV
Den Ausfall des Live-Streams hat im übrigen der WZ-Sportredakteur vor Ort verursacht. Die HNA mit Sitz in Kassel hatte den Service einer Bewegtbild-Übertragung des Huskies-Spiels angeboten. Fünfstellige User-Zahlen wurden registriert. Im Moment der höchsten emotionalen Anspannung kam es dann zum Blackout. Das Stromkabel des Laptops des WZ-Redakteurs hatte sich unter dem Stuhl verklemmt. Reibung beim ständigen Stühlerücken auf dem Riffelblech im beengten Pressebereich beschädigte die Isolation - bis zum Kurzschluss. Weiße Rauchwolken stiegen zwischen den Journalisten auf. Sämtliche Monitore fielen aus, waren schwarz. Ein Hausmeister wurde gerufen, rund zehn Minuten später konnte die Übertragung fortgesetzt werden. Noch heute und just zur erneuten Serie mit den Huskies bekommt der Verursacher Nachrichten, die TV-Übertragung nicht noch einmal zu gefährden.
Alarm in Mainz
In der Geschäftsstelle des FSV Mainz 05 hat Dag Heydecker, damals Geschäftsführer beim Fußball-Bundesligisten und heute zuständig für Strategie und Außendarstellung beim EC Bad Nauheim, das Spiel verfolgt. Allein in dem Bürokomplex und im alten VfL-Trikot mit der Nummer 8, im Jersey von Rainer Philipp. Die Geschäftsstelle der Nullfünfer war wenige Wochen zuvor nach einem Einbruch durch eine neue Alarmanlage gesichert. Nach 20 Uhr konnte das Gebäude nur mir einem Code verlassen werden. Heydecker hatte diesen im Siegesrausch »und nach drei Bierchen, für jedes Tor eines«, vergessen, löste den Alarm aus. Ohrenbetäubend laut. Der Anruf des Sicherheitsdienst folgte prompt. Allerdings, auch das nun nötige Kennwort konnte Heydecker, der dieses selbst mitbestimmt hatte, nicht nennen. Das Wachpersonal kam also mit Wachhund aus dem benachbarten Wiesbaden und traf in Mainz auf einen Steinfurther im Eishockey-Trikot, der sich als Mitglied der FSV-Geschäftsführung vorstellte. »Die Situation war schon ein bisschen verrückt und das Gelächter entsprechend groß«, erinnert sich Heydecker, der den Sicherheitsdienst schließlich mit seiner Geschichte überzeugen konnte. Eine dreistellige Summe hatte der spätabendliche Einsatz gekostet. Der Aufstieg des EC Bad Nauheim war am nächsten Vormittag Thema Nummer eins in der FSV-Geschäftsstelle.