Wirksame Starthilfe

Das ehrenamtliche Engagement ist bekanntlich ein hohes Gut - und dieser Arbeit hat sich Joachim Weis in einer besonderen Art verschrieben: Er ist Sportcoach der Gemeinde Ranstadt.
Der 53-Jährige Berufsschullehrer ist bei seinem Heimatverein eine Institution, trainierte er doch sage und schreibe 15 Jahre lang die Fußballer des SV Ranstadt. Der C-Lizenz-Inhaber wirkte davor allerdings auch beim FC Wallernhausen, dem SV Reichelsheim, der SG Marköbel und dem FSV Dauernheim. Mit dem SV Ranstadt, der bekanntlich in der neuen Saison als einziger Vertreter des Fußballkreises Büdingen in der Gruppenliga an den Start geht, ist Weis natürlich sehr verbunden und fungiert als Jugendtrainer. Trainerspezifisch setzte er stets auf den Weiterbildungsfaktor, hospitierte sogar bei Jürgen Klopp, als der aktuelle Liverpool-Star-Trainer anno 2005 noch bei Mainz 05 aktiv war. Stolz ist Joachim Weis auch darauf, an einem internationalen Trainer-Austausch teilgenommen zu haben, der in der chinesischen Metropole Peking über die Bühne ging.
Joachim Weis ist offiziell ehrenamtlicher Sportcoach für Integration in der Großgemeinde Ranstadt. Bereits 1992 hat er sich dort eigenverantwortlich und privat um Flüchtlinge aus Asien und Afrika, die damals in der alten Apotheke untergebracht waren, gekümmert.
Was hat Sie dazu bewogen, sich schon frühzeitig für die Hilfe für Flüchtlinge zu engagieren?
Meine Eltern waren Kriegsflüchtlinge aus der damaligen Tschechoslowakei. Ich wurde 1968 geboren und erfuhr in meiner frühen Jugendzeit viel von ihnen über das schwierige Leben als Flüchtlinge in einem neuen, fremden Umfeld. Wir waren sechs Geschwister und die finanzielle Situation war immer sehr angespannt. Ohne Unterstützung hilfsbereiter Menschen wäre uns eine positive Integration nur schwer gelungen. In meiner Grundschulzeit wurde ich als Kind von Flüchtlingen oft gehänselt. Diese und weitere Erfahrungen haben mich später dazu bewogen, Menschen mit Fluchterfahrung, nach meinen Möglichkeiten bei ihrer Integration zu unterstützen.
Wie wurden Sie Sport-coach in Ranstadt?
Als 2015 in Folge des Syrienkrieges Flüchtlinge nach Hessen kamen wurde von der Landesregierung Hessen in Kooperation mit dem Landessportbund Hessen der Tätigkeitsbereich des Flüchtlingssportcoachs ins Leben gerufen und zwar mit der Aufgabe, jungen Migranten Hilfe zur Integration in Sportvereine zu leisten. Der Gemeinde Ranstadt wurden circa 50 Flüchtlinge zugewiesen. Von Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel wurde ich gebeten, die Ausbildung beim Landessportbund zu absolvieren und die Aufgaben des Sportcoachs für die Gemeinde Ranstadt zu übernehmen. Dieses Ehrenamt habe ich gerne angenommen und übe es engagiert und erfolgreich aus. Unter anderem habe ich einen Bürgerpreis als Anerkennung besondere sozialer Verdienste der Sparkasse Oberhessen 2016 bekommen und beim Fair Play Forum des HFV 2019 einen Sonderpreis erhalten. Zudem erreicht mich jährlich ein Dankesschreiben des Hessischen Innenministers Peter Beuth, für mein besonderes soziales Engagement.
Was sollte ein Sportcoach aus Ihrer Sicht für seine Tätigkeit mitbringen?
Ein Sportcoach sollte sportaffin sein, sich im Sportangebot und den Vereinsstrukturen in der Gemeinde auskennen und über Übungsleiterlizenzen verfügen. Zudem sollte er weltoffen, kommunikativ, freundlich, ausdauernd, und emphatisch sein, zudem über Organisationstalent sowie über ein umfangreiches persönliches Netzwerk verfügen und bereit sein, viel Zeit in die Verwirklichung seiner Aufgaben zu investieren. Für die erforderliche Kompetenz für diese Aufgaben steht meine bisher 25-jährige Berufserfahrung im Umgang mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund als Lehrer an der Berufsschule und durch meine über 20-jährige Erfahrung als Jugend- und Senioren-Fußballtrainer in der Gemeinde Ranstadt. Neben der sportlichen Verpflichtung sehe ich mich auch grundsätzlich gefordert, bei verschiedensten behördlichen Angelegenheiten, sowie bei Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche Hilfe zu leisten.
Was könnte und müsste auf verschiedenen politischen Verwaltungsebenen - von der Stadt über den Kreis, auf Landesebene bis ganz nach oben in die Bundespolitik - noch getan werden, um die Integration über den Sport noch stärker zu machen?
Eins vorweg, die Zusammenarbeit mit meiner Gemeinde und den Verantwortlichen läuft sehr gut. Die Rahmenbedingungen auf dem Land müssten aus meiner Sicht den heutigen Bedürfnissen und Erwartungen deutlich angepasst werden. Dafür müssten finanzielle Möglichkeiten eröffnet werden. Was in großen Kommunen für eine zeitgemäße Infrastruktur angeboten wird, ist hier noch lange nicht angekommen. Bewegungsplätze, die das ganze Jahr - auch ohne Vereine - zur Verfügung stehen, gibt es leider nur sehr stark eingeschränkt. Auch eine aktive Jugendarbeit sollte parallel mit entwickelt werden. Da sind wir in unserer Gemeinde gerade mit Unterstützung der Bürgermeisterin dran.
Welchen Erfahrungschatz haben Sie bisher bei Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gesammelt?
In den vergangenen sechs Jahren habe ich vorwiegend positive Erfahrungen gemacht, jedoch auch einige herbe Enttäuschungen erlebt. In vielen Fällen ist eine gute Integration in einen Verein, in Schule oder Arbeitsmarkt oder in ein persönliches Umfeld gelungen. Positiv kann ich auch die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung nennen und mich dafür bedanken.
Gibt es in Ranstadt aufgrund Ihres Engagements schon Flüchtlingskinder- und Jugendliche, die auch Ambitionen haben, im Nachwuchs-Meisterschaftsspielbetrieb der neuen Runde mitzuwirken?
Ja tatsächlich sind seit 2015 viele Jugendliche und Erwachsene bei uns in den Vereinsstrukturen integriert worden. Aktuell sind immerhin vier ukrainische Jungs in drei Jugendmannschaften regelmäßigen dreimal die Woche im Trainingsbetrieb und Anträge, dass sie auch in der Runde ihrer Altersgruppen mitspielen können, sind beim Hessischen Fußball-Verband zur Bearbeitung.
Wie sehen Sie Ihre zukünftigen Aufgaben?
Als ehrenamtlicher Sportcoach möchte ich die erfolgreiche Unterstützung der bisher betreuten Menschen mit Migrationshintergrund fortsetzen und den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, sowie sozial Benachteiligten, intensive Begleitung zur Integration in den örtlichen Vereinen erleichtern. Ich sehe mich, wie bereits gesagt, in der Pflicht, in unserem freien Land Hilfe suchenden Menschen vertrauensvoll mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.