Andrea Petkovic: Umjubelter Abschied im zweiten Zuhause

Andrea Petkovic spielt ihr letztes großes Match bei den Bad Homburg Open - und trifft auf dem ausverkauften Centre Court prominente Weggefährten.
Bad Homburg -Diese unvergleichliche Kombination hat sie zu einer der populärsten deutschen Tennisspielerinnen dieses Jahrtausends gemacht. Andrea Petkovic gehörte als Neunte den Top 10 der Weltrangliste an (2011), spielte sich bis ins Halbfinale der French Open (2014) und führte im gleichen Jahr das deutsche Fed-Cup-Team ins Finale. Sportlich hatte sie trotz mehrerer schwerer Verletzungen also einiges drauf, der ganz große Wurf ist der Darmstädterin freilich nicht gelungen.
Ihre Popularität hat aber schon auch mit ihrer Persönlichkeit zu tun. „Petko“ kann sich prima verkaufen, auf andere Menschen einstellen, ist immer für einen lockeren Spruch zu haben, aber auch selbst ihr größter Kritiker. „Ich schaffe nix Bleibendes, spiele nur Tennis, das bringt keinen weiter“, schlug sie in einem Interview einmal nachdenkliche Töne an. Als Moderator Matthias Stach sie auf dem voll besetzten Centre Court der Bad Homburg Open gestern so zitierte, mussten 3500 Tennisfans vehement widersprechen. Sie schenkten der 35-Jährigen im Rahmen ihres Abschiedsschaukampfes „Petko & Friends“ Standing Ovations. Da kullerten bei der bis dahin gefassten Protagonistin noch die Tränen.
Dass ihr Körper nicht mehr so wollte wie der Geist, hatte Petkovic, die sieben WTA-Turniersiege feierte, auf dem Tennisplatz im vergangenen Sommer gemerkt. Ihr letztes Match auf der Tour bestritt sie bei den US Open (August). Seitdem laufen die nächsten Karrieren des Multitalents auf Hochtouren, jedoch habe sie unbedingt noch einmal zum Abschied vor Familie, Freunden und Fans spielen wollen, sagte sie am Sonntagmittag auf dem Rasen. Da seien die Bad Homburg Open der ideale Ort. Wie ein zweites Zuhause, so die Tochter einer bosnischen Einwandererfamilie, fühle das Turnier im Kurpark sich an, das von Angelique Kerber im dritten Jahr mitorganisiert wird.
Dickes Lob von Angelique Kerber
Der dreimalige Grand-Slam-Champion ließ es sich nicht nehmen, für „eine ihrer besten Freundinnen“ erstmals in der Babypause öffentlich wieder das Racket zu schwingen. Kerber (35) trat mit ihr in einem Champions-Tiebreak an gegen Anna-Lena Friedsam (29), Weltranglisten-88., und Rainer Schüttler, Teamchef der Damen-Nationalmannschaft. „Was du geleistet hast, die vielen Auf und Abs, wie du immer wieder zurückgekommen bist, auch wenn die Leute nicht mehr an dich geglaubt habe, das ist mega“, lobte Kerber, die von Petkovic liebevoll „Angelika“ genannt wird.
Während Kerber ihr Comeback für die Tour plant - klares Ziel sind die Australian Open im Januar - vermisst Petkovic zwar den Wettkampf. Das gab sie gestern nach dem Event während ihrer letzten Pressekonferenz zu. Natürlich ärgerte sie auch ihr Fehler zum 9:10-Endstand im Show-Match. Aber das Training, mit allem, was dazu gehört? „Nö.“ Sie muss jetzt keine „taffe Olle“ mehr sein, so bezeichnete sie Profispielerinnen flapsig schon mal. Sie schlafe vor allem jetzt gerne etwas länger.
Buchautorin, Kommentatorin, Doku-Filmerin
Zu lange aber auch wieder nicht, denn Petkovic begleitet als Mentorin deutsche Tennis-Talente. Meistens im Training, sie saß jetzt aber mehrfach auch bei Turnieren für Jule Niemeier (in Bad Homburg verletzungsbedingt nicht am Start) mit in der Box. Zudem arbeitet sie regelmäßig als Tennis-Kommentatorin im US-Fernsehen, ist in Produktionen für das ZDF involviert, wie für eine Dokumentation über Fußballerinnen, schreibt an ihrem zweiten Buch. Sie könne einfach nicht ’nein’ sagen, meinte Petkovic und schickte sogleich ihr strahlendes Lächeln hinterher.
Auch bei den Bad Homburg Open, für viele Spielerinnen eine wichtige Vorbereitung auf das am 2. Juli beginnende Wimbledon-Turnier, bleibt die Darmstädterin im Auftrag eines Sponsors präsent. Als Glücksfee hatte sie bei der Auslosung fungiert und den Tennis-Anhängern auf der Anlage des TC Bad Homburg für den heutigen, zweiten Turniertag einen Kracher beschert. Um 18 Uhr trifft die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek (22) auf Tatjana Maria (35). Während die Polin sich seit Dienstag in Bad Homburg akribisch auf Rasen vorbereitet, hat die derzeit beste Deutsche eine Enttäuschung im Gepäck. Beim Rasenturnier in Gaiba lag die zweifache Mutter im Finale gestern mit 6:3, 4:6, 5:2 gegen Ashlyn Krueger (USA) vorne, verpasste ihren vierten WTA-Titel aber noch und verlor den entscheidenden Durchgang mit 5:7.
Mit Sabine Lisicki ist gestern Abend die erste deutsche Spielerin ausgeschieden. Die Wimbledon-Finalistin von 2013, inzwischen Nummer 308 der Welt, unterlag nach großem Kampf in 1:54 Stunden der Moskauerin Anna Blinkova (44.) mit 6:3, 1:6, 5:7.