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Claudia Herweg: „Unsere Top-Spieler müssen wir zeigen“

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DTTB-Chefin Claudia Herweg im Gespräch mit unserem Redakteur Thorsten Remsperger.
DTTB-Chefin Claudia Herweg im Gespräch mit unserem Redakteur Thorsten Remsperger. © Jürgen Keßler

Claudia Herweg, scheidende Chefin des Deutschen Tischtennis-Bundes spricht im Interview mit dieser Zeitung über das WTT Champions in Frankfurt und eine für 2024 geplante Neuauflage.

Claudia Herweg versucht zu genießen. In ihrer Lebenssituation ist das alles andere als einfach. Man kann sich das gar nicht richtig vorstellen. Im Frühjahr hat die 57-jährige Präsidentin des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) die Diagnose Brustkrebs erhalten. Die extrovertierte Kölnerin geht offen mit ihrer schweren Krankheit um, ist seit Monaten in Behandlung. Das zehrt sichtlich an ihren Kräften, das ist ihr auch im Interview mit unserem Redakteur Thorsten Remsperger anzumerken. Doch bis zum World Table Tennis (WTT) Champions wollte sie es auf jeden Fall durchziehen. Das Turnier in der Ballsporthalle, zu dem sich die Tischtennis-Elite der Welt versammelt, hat es in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben. Es ist ihr Baby. Sie hat es dank ihrer guten Verbindungen zum Weltverband, bei dem sie bis 2021 in einer führenden Position arbeitete, nach Frankfurt geholt. Das von einer Tochtergesellschaft des ITTF initiierte Turnier wird von den Tischtennis-Anhängern gut angenommen. Die WTT-Serie steht bei Spielern und Funktionären aber auch in der Kritik. Vor den heutigen Halbfinalspielen und den Finals am Sonntag (jeweils ab 14 Uhr) bezieht die Präsidentin Stellung.

Frau Herweg, Tischtennis ist Ihr Leben. Sie haben früher selbst in der 2. Bundesliga gespielt, waren Trainerin, arbeiteten lange für einen Schlägerbelag-Hersteller. Haben Sie es so intensiv schon mal wahrgenommen?

Nun ja, ich gehe jeden Tag früh hier in die Halle und komme abends wieder heraus, treffe sehr viele Menschen. Sie sehen eine glückliche Präsidentin. Und eine zufriedene.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit für das Turnier aus?

Wir werden an den acht Tagen über 20 000 Zuschauer erreichen. Der Ticketverkauf läuft für eine Top-Veranstaltung im Tischtennis sehr gut. Ich habe auch mit vielen Kindern geredet. Die waren völlig begeistert über den Court, die Bühne, über die die Profis in die Halle laufen. Aber auch mittelalte und ältere Tischtennisfreunde finden das Konzept mit nur einem Tisch gut, auch wenn manche sich erst an Beleuchtung und Musik gewöhnen müssen. Man sieht von allen Plätzen gut, die meisten Spiele haben ein sehr hohes Niveau, sie finden ohne große Pausen hintereinander statt. . .

Der dafür betriebene Aufwand war ja riesig.

Ja, es wurde am Montag vor dem Turnier mit dem Aufbau begonnen, extra Strom in der Halle verlegt. Für Events braucht man heute einfach viel Lichttechnik. Die Idee von World Table Tennis ist es, überall auf der Welt eine unverkennbare Corporate Identity zu bieten, unabhängig von der individuellen Gestaltung der verschiedenen Hallen. Hier klappt das gut mit den steilen Tribünen, nur etwas größer könnte sie sein. Wir hätten fürs Wochenende mehr Tickets verkaufen können. Dafür haben unter der Woche schon 1500 Zuschauer für eine tolle Stimmung gesorgt.

Als Patrick Franziska am späten Dienstabend spielte, war es richtig laut. Er sagte, er habe das im Spiel so noch nicht erlebt.

Ja, oder als die Chinesen am Mittwoch raus gepurzelt sind. Das deutsche Publikum feiert immer den Underdog. Egal, welcher Nation er angehört.

Bei WTT in anderen Städten sind die Tribünen manchmal fast leer. Waren die deutschen Fans ein Grund für den Zuschlag für einen „Hochkaräter“?

Definitiv. Die ITTF, viele Länder beneiden uns um unsere Fan-Base. Weil die Leute nicht nur Tischtennis mögen, sondern auch zu Events kommen und dann auch Emotionen zeigen.

Angesichts der anfangs vom DTTB geäußerten Kritik an der Turnierserie - sogar ein Jurist war eingeschaltet, weil man den Stellenwert der Bundesliga sinken sah - mussten Sie bestimmt nach Ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 dicke Bretter bohren?

Es war klar, dass wir einen verhärteten, öffentlichen Konflikt befrieden mussten. Erstmal Ruhe reinbringen, dann gemeinsam in eine Richtung gehen. Ich sehe uns als DTTB in der Verantwortung, Tischtennis, das bei uns Millionen von Menschen spielen, auch auf einem Top-Niveau zu präsentieren. Unsere Spieler sind doch Helden. In anderen Ländern braucht Timo Boll Bodyguards, weil er von Fans verfolgt wird. Dimitrij Ovtcharov hat durch seine Olympia-Medaillen eine hohe Popularität. Unsere Top-Spieler müssen wir auch zeigen.

Deren Reaktion auf die ständig wechselnden und zunehmenden Termine fallen teilweise nicht so positiv aus. Auch der Bundestrainer hält den Terminkalender für eine Katastrophe.

Es liegt in der Verantwortung von Jörg Roßkopf, die Spieler auf die Top-Events vorzubereiten. Das nimmt er sehr ernst und macht das seit Jahren extrem gut. Wir haben Olympia vor uns. Unsere Förderung ist von der Medaillenausbeute bei solchen Großereignissen abhängig. Unterfinanziert sind wir wie die meisten Sportarten ohnehin schon. Der Terminstress ist ein allgemeines Problem. Ich mag es nicht, dass sich alle auf WTT einschießen. Die professionelle Konzeption ist ja gut. Kritisieren ist immer leicht, aber etwas zu gestalten, was neu ist, ist deutlich schwerer. Deshalb habe ich mit den Verhandlungen begonnen. Es war ein Kraftakt und jetzt sind wir alle hier.

Werten Sie das Turnier schon als Erfolg?

Ich bin nicht naiv und zu positiv in Sachen WTT. Ich bin froh, dass wir schon jetzt sagen können: Die Fans haben Spaß, die Spieler auch. Sie können viele Weltranglistenpunkte für Olympia sammeln. Dafür machen wir ein solches Event. Wir ziehen am Ende Resümee. Dass wir die Entscheidung für falsch halten, so etwas in Deutschland probiert zu haben, wird nicht passieren.

Das Budget für das Event soll siebenstellig sein.

Ja, wenn man alles mit einrechnet, locker.

Stimmt es, dass WTT ein eventuelles Defizit ausgleicht?

Wir haben eine vertragliche Vereinbarung, die beide Seiten tragen können.

Was ist an dem Gerücht dran, dass der DTTB im Gegenzug auf die Bewerbung für die Einzel-WM 2025 verzichtet hat, die jetzt in Katar sein wird?

Nichts. Das wäre ja ein dreckiger Deal. Wir haben die Bewerbung zurückgezogen, weil wir schon für 2023 gegen Durban gravierend verloren haben und die WM 2017 erst in Düsseldorf war.

Gibt es eine Vereinbarung mit WTT für die nächsten Jahre?

Wir haben einen Fünfjahresvertrag mit Ausstiegsklausel für beide Seiten für ein Turnier pro Jahr in der gleichen Größenordnung. Wir haben uns für das Grand Smash, die höchste Turnierkategorie, auch beworben, aber für die notwendige Fördersumme vom Bundesministerium eine Absage bekommen. Wir haben noch nicht genügend Sponsoren. Wir bauen gerade ein Netzwerk auf, haben am Freitag beim WTT Champions Frankfurt 80 Personen aus unterschiedlichen Unternehmen begrüßt, um unsere Sportart, ihre Helden und die Events vorzustellen.

Ist schon klar, wo das Turnier 2024 über die Bühne geht?

Wir bleiben in Frankfurt. Die Zusammenarbeit mit der Stadt war prima, wir wurden mit Freude empfangen und unterstützt. Bei dem aufwendigen Setup ist es ohnehin hilfreich, wieder in derselben Halle sein zu können. Wir haben eine Reservierung und kommen gerne wieder. Im Anschluss an das jetzige Event sprechen wir mit Stadt und Hallenbetreiber über die Details. Der Termin wird ähnlich sein, um Abstand zu den Olympischen Spielen zu lassen.

Sie haben angekündigt, auf dem DTTB-Bundestag am 18./19. November nicht mehr zu kandidieren.

Nächste Woche beginnt noch einmal ein Chemotherapie-Block. In den gehe ich müde, aber auch entspannt rein. Es wäre wichtig, wenn die Strukturänderung mit neuem Aufsichtsrat und hauptamtlichem Vorstand durchgeht. In unserer Tischtennis-Marketinggesellschaft würde ich gerne weiterhin wirken.

Wann gönnen Sie sich denn mal eine Pause?

Ich nehme nach dem Turnier eine Auszeit, konzentriere mich auf meinen Körper und lasse meine Seele ein bisschen baumeln. Mal schauen, wie fit ich dann bin. Aber ganz ohne Tischtennis werde ich nicht sein.

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