Wie Claudio Bracci mit Toren seine Angst besiegt

Bei der Reserve des FC Weißkirchen feiert Claudio Bracci sein erfolgreiches Comeback. 2015 hatte sich der Stürmer schwer verletzt. Erinnerungen an eine harte Zeit mit Happy End.
Viele Dinge hätten Claudio Bracci am Sonntagnachmittag durch den Kopf gehen können. Mit drei Treffern war der Offensivmann maßgeblich daran beteiligt, dass der FC Weißkirchen II trotz eines 0:2 zur Pause noch mit 7:2 gegen die SG Mönstadt/Grävenwiesbach gewann. Aber Bracci dachte schon wieder im Modus eines Mannschaftssportlers. „Ich war ehrlich gesagt einfach nur froh, dass wir noch gewonnen haben“, sagt der 35 Jahre alte Fußballer.
Dabei war es nicht nur ein Sieg seines Vereins, sondern auch ein persönlicher Triumph für ihn. Am 1. November 2015 – also beinahe vier Jahre ist das jetzt her – verletzte sich Bracci als Leistungsträger der „Ersten“ des FCW während einer Partie gegen SG Blau-Weiß Schneidhain schwer am linken Knie. „Nur das Innenband blieb verschont“, berichtet er, „ansonsten war im Grunde alles kaputt.“
Sowohl das Kreuz- wie auch das Außenband waren gerissen, zudem trug der Meniskus einen Schaden davon. Eine Horror-Diagnose für jeden Sportler, die für viele Fußballer gleichbedeutend mit dem Karriereende ist. Auch bei Bracci sah es lange Zeit nicht nach einer Rückkehr auf das Spielfeld aus. Zunächst unterzog er sich einer Operation beim damaligen Mannschaftsarzt der Offenbacher Kickers, anschließend folgte eine sechswöchige Reha. Arbeiten konnte der gelernte Kaufmann im Großhandel währenddessen nicht.
Das erste Jahr war besonders schlimm
„Man merkt erst dann, wie wichtig das Knie in alltäglichen Bewegungsabläufen ist, wenn es verletzt ist“, erklärt er. Wieder Fußball zu spielen, daran war auch nach der absolvierten Reha noch nicht zu denken. Dem Sportplatz konnte er aber nicht fernbleiben. „Im ersten Jahr nach der Verletzung war es besonders schlimm“, erinnert er sich, „ich habe die Spiele weiterhin vor Ort interessiert verfolgt und es hat sehr wehgetan, nicht mitspielen zu können.“
Es habe lange gedauert, bis er genügend Abstand gewinnen konnte, um die Enttäuschung zu verarbeiten. Aufhören wollte er so aber nicht. Immer mal wieder versuchte er es im Training, doch Bracci stand dabei nie alleine auf dem Feld. Die Sorge um eine erneute Verletzung war sein steter Begleiter.
„Es hat lange gedauert, bis die Muskeln im Bein wieder aufgebaut waren“, erklärt er, „es war aber außerdem auch definitiv eine Kopfsache.“ Viel zu lange habe er zu viel überlegt, jetzt habe er letztlich frei nach dem Motto „Einfach machen“ den Schritt zurück in den Amateurfußball gewagt. Nicht in der 1. Mannschaft des FC Weißkirchen, wo er quasi seine ganze Laufbahn verbrachte und früher KOL und Gruppenliga spielte, sondern bei der „Zweiten“ in der Kreisliga B. Dort spielt er mit einigen seiner damaligen Mitspielern zusammen, darunter auch Patrick Fink, der nun die Reserve als Spielertrainer betreut. Das gegenseitige Vertrauen half Bracci beim Comeback, doch ganz kann er die Vergangenheit noch immer nicht ausblenden.
Im ersten Saisonspiel beschlich ihn ein ungutes Gefühl, als er am Wiesenborn den Kunstrasen der SGK Bad Homburg betrat. Seine Verletzung zog er sich nämlich einst ebenfalls auf einem Kunstrasen zu, ganz ohne Fremdeinwirkung. Doch das Knie hielt. Bracci spielte durch und feierte direkt einen Last-Minute-3:2-Sieg.
Mit jeder Minute, die er beschwerdefrei spielen kann, wächst wieder das Vertrauen in den eigenen Körper. „Wenn du gleich zu Beginn zwei, drei gute Aktionen hast, dann gibt dir das ein gutes Gefühl“, sagt Bracci. In den vier Jahren hat sich sein Verhältnis zum Fußball geändert. Die Hauptsache sei, dass er 90 Minuten lang spielen könne. Doch, ganz Mannschaftssportler, schlummert in ihm noch immer ein gewisser Ehrgeiz. „Für uns ist alles drin in dieser Saison“, betont der Stürmer, „wir haben für die Liga eine echt gute Mannschaft, und ich denke, dass wir oben mitspielen werden.“
Mit Auftritten wie gegen die SG Mönstadt/Grävenwiesbach kann Bracci kräftig dabei mithelfen. Gleich zwei Tore hat er mit dem Kopf erzielt (das war früher gar nicht seine Stärke), eines mit rechts. Es war ein strammer Schuss ins lange Eck. Gefeiert hat Claudio Bracci seine Tore übrigens nicht überschwänglich. Aber er hatte ein verdammt gutes Gefühl dabei.
ROBIN KUNZE