Die Emotionen müssen raus: Dimitrij Ovtcharov bei seinem Auftaktsieg in Frankfurt.
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Die Emotionen müssen raus: Dimitrij Ovtcharov bei seinem Auftaktsieg in Frankfurt.

Tischtennis, WTT Champions

Das „Dima-Feeling“ ist zurück

  • Thorsten Remsperger
    VonThorsten Remsperger
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Dimitrij Ovtcharov genießt die Unterstützung der Fans in der Frankfurter Ballsporthalle. Hinter dem Olympia-Dritten von Tokio liegt eine schwere Zeit.

Frankfurt -Wenn es einen sportlichen Lichtblick gegeben hat in dieser quälend langen Corona-Pandemie, dann war es dieses Tischtennisspiel. Im Halbfinale der Olympischen Spiele von Tokio schlugen sich im Juli 2021 Dimitrij Ovtcharov und Ma Long die Bälle um die Ohren, dass man als Zuseher vor dem Bildschirm kaum wagte, zu atmen. Mit einem hellen Stöhnen begleitete die deutsche Nummer eins jeden Schmetterschlag, so dass irgendwann auch der stille Chinese mitmachte, gepaart mit dem Klacken des weißen Plastikballs waren es nahezu die einzigen Geräusche bei diesem Geisterspiel epischen Ausmaßes.

Das Ende ist bekannt: Ma Long reckte nach dem 11:9 im siebten Satz jubelnd die Arme in die Luft, während Ovtcharov am Tisch zusammensackte. Später krönte er seine Leistung mit der Bronzemedaille, seiner zweiten bei Olympia nach London 2012.

Seit Sonntagabend nun ist das „Dima-Feeling“ für manchen Tischtennis-Fan zurück. Den Spitznamen des 35-Jährigen riefen die Zuschauer immer wieder beim World Table Tennis (WTT) Champions, dem womöglich am besten besetzten Tischtennisturnier, das es je in Deutschland gab. Und „Dima“ bedankte sich bei seinen Anhängern in der recht gut gefüllten Frankfurter Ballsporthalle mit seinem Erstrundensieg gegen den Portugiesen Marcos Freitas.

Dabei hatte der Weltranglisten-Achte gegen den 19. des Rankings wieder mal auf sein Kämpferherz gehört, als er einen 7:9-Rückstand mit vier Punkten in Serie konterte, sich auch durch ein 8:11 im zweiten Satz nicht beirren ließ und die Durchgänge drei und vier zu einem 3:1-Erfolg sicher gewann (11:7, 11:6).

Zuerst gab’s ein Küsschen für Ehefrau Jenny („Ich bin jemand, der geht die Wände hoch - wenn sie mit dabei ist, habe ich so eine innere Ruhe“), dann richtete Ovtcharov über das Hallenmikrofon kurze Worte an die Fans. Wenig später lief er schwungvoll in den Katakomben der Arena ein.

Das erste große Event nach langer Zeit in Deutschland, die Ränge gleich voll, da habe er angesichts der Niederlage von Timo Boll auf keinen Fall auch verlieren dürfen, sagte der gebürtige Ukrainer im Interview und strahlte über das ganze Gesicht.

Nach seinem Olympia-Erfolg war Ovtcharov durch eine schwere Zeit gegangen: Knöchel-Operation im Oktober 2021, erneute wochenlange Pause wegen eines Rückschlags im Genesungsprozess, Beginn des russischen Angriffskriegs. Seine Großmutter holte die Familie aus seiner Geburtsstadt Kiew heraus. Den russischen Club Fakel Orenburg verließ er aus Protest nach fast zwölf Jahren. „Eine intensive Zeit“, kommentierte das Ovtcharov einmal, der im Vorjahr auch zum zweiten Mal Vater geworden ist.

Mittlerweile sei er zwar noch nicht da, wo er sein wolle (2018 hatte er sogar die Weltrangliste angeführt), aber: „Ich habe zwei Schritte nach vorne gemacht, bin auf dem Sprung“, sagte Ovtcharov froh gelaunt in Frankfurt.

Wichtig sei es gewesen, dass er im September auch mal kontinuierlich habe trainieren können. Umso wichtiger, da im Modus für die Weltrangliste inzwischen Vielspieler belohnt werden. Es aber eben wie ihm neulich bei der Terminhatz passieren könne, dass man zu einem Turnier bis in den Oman reise und dann nur ein Spiel absolviere. „Es ist anders als früher. Man bereist die ganze Welt, spielt teilweise ohne Vorbereitung.“

Seine Auftritte in Deutschland sind nach dem umstrittenen Bundesliga-Rückzug von Pokalsieger TTC Neu-Ulm, der nur noch an der Champions League teilnimmt, rar geworden. Umso mehr genießt der zweimalige Europameister die Atmosphäre in der Ballsporthalle. Die Zuschauer in seinem Rücken zu haben. Die „Dima, Dima“-Rufe. So früh wie möglich wolle er in absoluter Topform sein für die Sommerspiele in Paris, die Weltspitze sei extrem eng zusammengerückt. Vielleicht, so Ovtcharov, gelinge ihm ja in dieser Woche ein Deep Run, eine Siegesserie.

„Am besten wäre es, einen Chinesen zu schlagen und dann darauf aufzubauen“, hofft er. Im Viertelfinale könnte die deutsche Nummer eins die Gelegenheit dazu bekommen. Nur einen Sieg gegen den Ruwen-Filus-Bezwinger Mattias Falck aus Schweden (Mittwoch, 20.10 Uhr) ist Dimitrij Ovtcharov noch davon entfernt. Und wenn alles normal läuft, steht ihm am Freitag auf dem schwarz-violetten Centre Court von Frankfurt Ma Long gegenüber.

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