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Der harte Weg des Ralf Rollinger zum Eishockey-Profi

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Von: Thorsten Remsperger

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Kann auf seine Einsätze für die deutsche U20, aber auch schon für die Adler Mannheim in der Champions Hockey League und DEL stolz sein: Ralf Rollinger aus Mammolshain.
Kann auf seine Einsätze für die deutsche U20, aber auch schon für die Adler Mannheim in der Champions Hockey League und DEL stolz sein: Ralf Rollinger aus Mammolshain. © IMAGO/Nordphoto

Heute greift die Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Finnland und Lettland ein. Wenn das so weitergeht, vertritt in den kommenden Jahren der Mammolshainer Ralf Rollinger die deutschen Farben bei solch großen Titelkämpfen. Der 18-Jährige gehört zu den größten Talenten im Eishockey.

Mammolshain -Plötzlich stand er vor ihm, der beste Eishockeyspieler der Welt. Das sagen nicht wenige über Leon Draisaitl, seitdem der Kölner in der Saison 2019/20 für die Edmonton Oilers mit 110 Scorerpunkten zum wertvollsten Spieler der National Hockey League (NHL) in Nordamerika gewählt worden ist.

Draisaitl stattete im Sommer den Jungadlern Mannheim einen kurzen Besuch in der Kabine ab, als sich das beste deutsche Nachwuchsteam gerade bei einem Turnier in Toronto auf die Saison vorbereitete. „Ganz lässig hat er sich an die Wand gelehnt, etwa so“, erzählt Ralf Rollinger, „mit Basecap, Hoodie, in kurzer Hose und Flip Flops.“ Rollinger, 18 Jahre alt, Realschulabsolvent, deutscher U20-Meister mit den Jungadlern, eines der größten deutschen Eishockey-Talente seines Jahrgangs 2004, ist in der Mammolshainer Wohnung seiner Eltern aufgestanden. Für Sekunden ist er Leon Draisaitl, 27, Multimillionär. Und schaut lässig aus seinen warmen, braunen Augen.

Treffen mit Superstar Draisaitl

Rollingers Outfit ähnelt schon dem des Superstars. Seine dunklen Locken sprießen unter der beigen Schildmütze hervor. An der goldenen Halskette hängt ein kleiner Schläger. Ein Eishockey-Crack halt, durch und durch. Gleich scrollt er noch auf seinem Mobiltelefon zum passenden Foto. Mit Draisaitl, der als Jugendlicher ebenfalls ein Jungadler war, und seiner U20-Mannschaft darauf. Echt cool.

„Leon hat uns gesagt, dass die Kanadier auch nur mit Wasser kochen. Dass wir rausgehen und sie schlagen sollen.“ Haben die Adler getan. Bis ins Finale ist das deutsche Vorzeigeteam gekommen - im Lande des Eishockeys als Underdog.

Rollingers Augen leuchten, als er Draisaitl rezitiert. Der Topscorer der Edmonton Oilers ist der Beste, klar, aber noch acht weitere Deutsche spielen derzeit in der NHL. Dort, jenseits des Großen Teichs, wo der schnellste Mannschaftssport auf kleinerer Eisfläche noch rasanter ist, wo Weltklasse zur Tagesordnung gehört, wo das ganz große Geld fließt, dort möchte Ralf Rollinger auch einmal spielen.

Das Zeug dazu haben nur ganz wenige. Er bringt es mit. Glaubt nicht nur sein Spieler-Agent Michael Buehler, der auch Spieler wie Stanley-Cup-Gewinner Tom Kühnhackl managt. Über das große Talent ihres Sohnes wissen auch Ralf senior und Alexandra Rollinger Bescheid. Bis ins Detail. Gemeinsam sind sie so etwas wie eine Eishockey-Familienbande. Sie haben ihren Sohn gefördert, wo es nur ging, bis zur Selbstaufopferung. Aber Kanada? Da müssen auch Mama und Papa Rollinger mal kurz durchatmen.

Eine sehr sportliche Familie

Wer in die Wohnung der Rollingers kommt, weiß sofort Bescheid. Der Eingangsbereich müsste noch verputzt werden, und es ist nicht so, dass Ralf Rollinger senior, ein in der Region bekannter Dachdeckermeister, das nicht selbst längst hätte erledigen können. An den Wänden hängen aber überall Bilder des Sohnes, fast wie eine Tapete, viele Impressionen einer bis dato schon tollen Karriere. Dazu alte Schläger - „Ralf Rollinger“ und „32“, für die Trikotnummer, steht auf dem Schaft - alte Trikots, Medaillen, die er schon geholt hat.

Alexandra Rollinger könnte zu jedem Foto etwas erzählen, ihr Sohn natürlich auch. Ihr Stolz über die Leistungen ihres Filius schwingt immer mit. Sie hat sich das so sehr gewünscht, denn das sportliche Talent liegt in der Familie. Ihr Bruder Peter spielte in der slowakischen Heimat für den HC Kosice, einen Traditionsclub der Eishockeynation. Sie selbst, eine geborene Ponistova, war Basketballerin, am Ende beim MTV Kronberg. Doch jetzt spricht ihr Sohn, der nach slowakischer Tradition den Vornamen seines Vaters trägt. Was Ralf senior und Ralf junior gar nicht schlecht finden.

Als der Knirps nicht mehr vom Eis runter wollte

Der junge Mann springt zurück zu dem Moment, in dem er keine zwei Jahre alt war. Das Foto dazu hängt auch an der Wand. „Meine Eltern haben mir einen Schläger gegeben. Ich habe mit ihm gespielt und wollte ihn nicht mehr loslassen“, erzählt Ralf junior. Live auf dem Spiel seines Onkels habe es ihm auch gleich gefallen.

Noch als Knirps ging’s in die Frankfurter Eissporthalle, bald darauf in die Laufschule. „Da wollte ich nicht mehr vom Eis.“ Seine erste Trainerin: aus Kanada. Mit vier Jahren dann der Start als Eishockeyspieler bei den Löwen, schon früh ist Ralf auf Turnieren in ganz Deutschland unterwegs.

Bei einem Turnier in Berlin, er ist neun Jahre alt, sein Team spielt noch auf halber Eisfläche: Andreas Metzeltin, Trainer des Mannheimer ERC, fällt der „Langhaarige mit der 24“ (so die damalige Trikotnummer) auf. Mutter Alexandra bietet er für ihren Sohn sogleich ein Tryout in Mannheim an - für das Team der Altersklasse U 12, im Leistungszentrum der Jungadler. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit fährt Mutter Rollinger ihren Sohn hin.

Der 10. Geburtstag wird im Trainingslager gefeiert

Am 1. Mai 2014, das wissen sie noch genau, sagen sie zu. Wechsel nach Mannheim. Und am 5. Juni feiert Ralf seinen zehnten Geburtstag in der Türkei. Im Trainingslager, mit seinen neuen Eishockey-Kameraden, ohne seine Eltern. „Dabei war ich noch so ein Heimscheißer“, lacht er.

Als der junge Mann das erzählt, kann er es selbst kaum glauben. Flugs ergänzt er: „Ich bin Andreas Metzeltin sehr dankbar für diese Chance. Sonst hätte ich mich nicht so gut entwickelt.“

Eineinhalb Jahre ist das eine Belastungsprobe für die Rollingers, wie sie größer nicht hätte sein können. Um 5.50 Uhr aufstehen, 6.30 Uhr Abfahrt, ab 7.45 Uhr bis 16 Uhr in der Mannheimer Gesamtschule, 16.45 Eishalle, 17.15 Uhr Athletiktraining, 18.30 Uhr bis 19.45 Uhr Eistraining, 20.30 Uhr zurück nach Mammolshain. An jedem Wochentag geht das so, plus Spiele am Wochenende. „Ich musste noch lernen, essen. Habe ich alles im Auto gemacht.“

Die Rollingers entscheiden sich für einen weiteren bemerkenswerten Schritt. Sie kaufen eine kleine Wohnung im Mannheimer Stadtteil Neckarau. Mutter Alexandra zieht mit Ralf dort ein, da ist er zwölf, und führt fortan eine Fernbeziehung mit ihrem Mann. Alles für die Karriere des gemeinsamen Sohnes - und die nimmt richtig Fahrt auf.

Ralf ist zwar bis zu drei Jahre jünger als die Mitspieler, schießt aber die meisten Tore, führt sein Team regelmäßig zum Sieg. Fast noch wichtiger: sein hoher Eishockey-IQ. „Ralf kann das Spiel lesen, so wie ein Zehner beim Fußball“, erzählt sein Vater stolz.

Mit 17 Jahren in der Champions League

Mit 14 wird der Sohnemann erstmals ins deutsche Jugend-Nationalteam berufen. Richtig hart wird es für ihn in der U 20. Ralf ist schon als 17-Jähriger aufgerückt. An das viel körperlichere Spiel muss er sich gewöhnen. „Trainer Sven Valenti hat mir gesagt, dass ich Talent habe und er mich formen möchte“, sagt Ralf. Wieder schwingt Dankbarkeit mit.

Bereits am 12. Oktober 2021 unterschreibt Ralf Rollinger bei den Adler Mannheim einen Vertrag als Lizenzspieler. Sein erster Einsatz, auch wegen vieler Covid-19-Infektionen unter den Profis: im Spiel der Champions-Hockey-League gegen den Lausanne HC aus der Schweiz. „Wir haben 1:3 verloren, aber Trainer Pavel Gross hat mir 15 Minuten Eiszeit gegeben - das war ein Traum.“

Insgesamt kommt der 1,77 Meter große und 79 Kilogramm schwere Linksschütze in der Saison 2021/22 auf drei Einsätze „in Europa“ und sieben in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). In der U 20 wird er als Youngster mit 19 Toren und 17 Torvorlagen in 38Saisonspielen zum Topscorer.

Bei den Profis ist das Eishockey freilich viel härter. Kein Gitter haben die Spieler mehr an ihrem Helm, sondern nur noch ein Halbvisier aus Plexiglas. Für jeden Jungen eine Umstellung. Jetzt kann mehr passieren. „Wenn die Zähne mal etwas abbekommen, ist das halt so“, sagt Ralf. Noch sind alle drin. Er ist bisher glimpflich davongekommen. Einen Syndesmosebandriss im Sprunggelenk konnte er in der Corona-Zeit in Ruhe auskurieren.

Auf der Draft-Liste für die NHL

Ralf spielt mit der deutschen Auswahl im Mai 2022 die U 18-Weltmeisterschaft in Landshut. Beim Spiel gegen Kanada (3:8) kommen die Deutschen zwischenzeitlich auf 3:4 heran, im Viertelfinale scheiden sie aus. Inzwischen buhlt die halbe DEL um Ralf. Auch Franz-David Fritzmeier, Manager der Löwen Frankfurt, wirbt intensiv um das große Talent.

Als er im deutschen Trikot beim renommierten Hlinka Gretzky Cup in Alberta (Kanada) überzeugt hat, wird Ralf sogar auf die europäische Draft-Liste für die NHL gesetzt. An Position 105, als einer von nur fünf Deutschen. Der Münchner Julian Lutz wird ausgewählt. Für Ralf Rollinger war schon die Berücksichtigung für den Draft ein Erfolg. Er möchte Schritt für Schritt gehen. Step by step.

Der Mammolshainer entscheidet sich für ein zweites U 20-Jahr, mit einschlägigem Erfolg: Die Mannheimer Jungadler, vor der Pandemie 16 Mal in Folge deutscher Meister, gewinnen im April unter Trainer Luigi Calce die Finalspiele gegen die Kölner Haie. Ralf gelingen in 46 Saisonspielen 24 Tore und 29 Vorlagen. Er hätte wohl am meisten gepunktet, wäre er nicht an Zweitligist Heilbronner Falken ausgeliehen worden, bei dem er den Abstieg nicht verhindern kann.

„Um jeden Tag besser zu werden, musst du jeden Tag dein Limit überschreiten“ - Sprüche wie der von Ex-NHL-Profi Marcel Goc hat er sich aus der Zeitung ausgeschnitten und in seiner Mannheimer Wohnung aufgehängt. Findet Ralf motivierend, macht er so.

Ravensburg statt Frankfurt

Zu gerne hätte Fritzmeier ihn wieder verpflichtet. Ein Eigengewächs für die Löwen in der DEL - das wär’s. Ein Kontingent an U 23-Spielern muss jeder Erstliga-Club bilden. Meistens spielen die Talente aber wenig bis gar nicht.

„Jetzt wäre das für Ralf noch zu früh“, findet Mama Alexandra. „Ein junger Spieler kann sich nur entwickeln, wenn er auch Eiszeit bekommt“, sagt ihr Sohn. Fritzmeier und Co. müssen noch warten. Das Talent aus dem Taunus hat sich nämlich für die Ravensburg Towerstars entschieden. Meister der DEL 2, ein bodenständiger Verein in einer Eishockeystadt. Wenn sich Ralf Rollinger sehr gut schlägt, winkt ihm zusätzlich Eiszeit bei Kooperationspartner Ingolstadt in der DEL. Fühlt sich so erstmal richtig an für Ralf - und für seine Eltern auch. Das ist eine größere Entfernung als nach Mannheim, aber so weit weg ist Oberschwaben nun auch nicht.

Ralf Rollinger ist zum Interview wieder mal nach Hause gekommen. Am frühen Nachmittag geht’s dann wieder nach Mannheim zum Training: Die Sommervorbereitung läuft. Mammolshain fühlt sich für ihn eher fremd an, soziale Kontakte habe er nicht aufbauen können, sagt er. Der junge Mann bedauert das, es ist ihm anzumerken. Aber es gibt eben Wichtigeres. „Mein Herz hat immer für Eishockey gelebt.“ Seinen Eltern ist er sehr dankbar, dass sie das alles für ihn getan haben.

Bald startet für ihn eine neue Lebensphase. Ab dem 1. August steht er in Ravensburg unter Vertrag, die Wohnungssuche läuft. „Auch für uns“, sagt Ralf Rollinger senior, „beginnt jetzt ein neuer Abschnitt.“ Er und seine Frau wissen: Ihr Sohn wird seinen Weg gehen. Jetzt auf eigenen Füßen. Wo immer er hinführt: Zurück nach Mannheim? Wieder nach Frankfurt? Oder sogar noch in die NHL? „Vielleicht“, lächelt der Vater, „wird unsere Wohnung jetzt endlich mal fertig verputzt.“

Torjäger mit Übersicht: Rollinger liebt es, Mitspieler in Szene zu setzen. Das macht ihn zum Top-Talent.
Torjäger mit Übersicht: Rollinger liebt es, Mitspieler in Szene zu setzen. Das macht ihn zum Top-Talent. © IMAGO/Nordphoto
Fotos, Schläger, Trikots, Schals: Ralf Rollinger in seinem Elternhaus voller Andenken in Mammolshain.
Fotos, Schläger, Trikots, Schals: Ralf Rollinger in seinem Elternhaus voller Andenken in Mammolshain. © Thorsten Remsperger

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